Immer weniger Mädchen interessieren sich für Handwerksberufe

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NÜRNBERG. Junge Frauen ziehen sich immer mehr aus der Ausbildung zurück. „Talentscouts“ sollen Abhilfe schaffen.

Junge Frauen in Handwerksberufen werden immer seltener. Foto: Shutterstock

Junge Frauen ziehen sich immer mehr aus der Ausbildung zurück. Zwischen 2010 und 2020 fiel die Anzahl an weiblichen Ausbildungsinteressierten um 26,5 Prozent auf etwa 270.000. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil ausbildungsinteressierter Männer um lediglich 5,4 Prozent. Dies berichtet das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb), mit Hauptsitz in Nürnberg. Gemeinsam und gefördert vom bayerischen Familienministerium wollen das f-bb und die Handwerkskammern Niederbayern-Oberpfalz und Oberfranken nun nach Wegen suchen, wie junge Frauen wieder für außeruniversitäre Karrierewege gewonnen werden können.

„Zentral sind die sogenannten Talentscouts. Sie werden an den beiden Handwerkskammern installiert und kümmern sich vor Ort um die Umsetzung regional passender Maßnahmen“, erklärt f-bb-Projektleiterin Katharina Drummer den Ansatz. Die Talentscouts haben die Aufgabe, junge Menschen, vorrangig Schülerinnen, am Übergang von der Schule in den Beruf zu begleiten und zu beraten. Ziel sei es, die jungen Frauen für handwerklich-technische Berufe zu begeistern und ihnen die Karrieremöglichkeiten in dem Bereich aufzuzeigen. Zum Einsatz kommen sollen dabei „innovative und digitale Formen einer entdeckenden Berufsorientierung“ wie Virtual Reality.

„Die Berufswahl sollte sich immer ausschließlich an den eigenen Neigungen orientieren und nicht an althergebrachten Erwartungen“

Gleichzeitig soll das Projekt dazu beitragen, geschlechtsstereotype Berufsvorstellungen bei Eltern und Lehrkräften aufzuweichen. „Das ist ein ganz wichtiges Ziel, das mir auch ganz persönlich sehr am Herzen liegt. Die Berufswahl sollte sich immer ausschließlich an den eigenen Neigungen und Interessen orientieren und nicht an althergebrachten Erwartungen“, so Drummer. Geplant ist, erfolgreiche Handwerkerinnen vorzustellen. „Aber auch die Betriebe können auf diesem Weg begleitet werden. Zum Beispiel wenn es darum geht, wie der Betriebsalltag (auch) für Mädchen attraktiv gestaltet werden kann, Stichwort Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, erklärt die Projektleiterin. Über praktische Hürden aufklären, Rekrutierungspotenziale aufzeigen und betriebswirtschaftliche Vorteile erläutern, darüber sollen möglichst viele Unternehmen erreicht und für junge Frauen geöffnet werden.

Das Projekt „Kurs aufs Handwerk: (Mehr) Mädchen für Handwerksberufe begeistern“ wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales im Rahmen des Arbeitsmarktfonds gefördert. Erprobt werden die Maßnahmen in den Regionen Bamberg-Coburg und Weiden sowie angrenzenden Bezirken. (pm)

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cravie
2 Jahre zuvor

Über drei Personen meines Bekannten- und Verwandtenkreises habe ich durchaus etwas Einblick in die Beschäftigungssituation von Mädchen und Frauen und alle drei berichten übereinstimmend das Gleiche:

Mädchen sind sehr interessiert an Handwerksberufen. Sie arbeiten ebenso gut wie die Jungs, sind aber meist in der Berufsschule besser und fleißiger und bekommen die besseren Abschlüsse.

Was in diesen Mädchen-motivierenden Berichten aber nahezu nie zur Sprache kommt ist, dass im Falle einer Schwangerschaft die jungen Frauen, je nach Beruf mit entsprechendem Arbeits- und Gesundheitsschutz, entweder sofort oder sukzessive nicht mehr oder kaum noch zu beschäftigen sind.
Auch für „danach“ gibt es Probleme: Teilzeit auf der Baustelle ist nahezu nicht zu realisieren, früher wegmüssen oder später anfangen auch nicht.
Und da tauchen die wirklichen Probleme für alle Beteiligten erst so richtig auf!

Alla
2 Jahre zuvor
Antwortet  cravie

Genau das ist das Problem, dass viele Handwerksbetriebe haben. Auch diese sind knapp besetzt.

Wenn auch durch Kita und Ganztag die Vereinbarkeit von Familie und Beruf etwas besser klappt, bleibt doch das „Problem“ der Schwangerschaft (nicht schwer heben usw.) und der Elternzeit.
Da ist so eine Gesellin schnell mal 1,5 Jahre weg! Die Arbeitskraft kann von den verbliebenen Mitarbeitern nicht eben so nebenher zusätzlich gestemmt werden. Es können also weniger Aufträge angenommen werden oder alles dauert länger als geplant, was den Kunden nicht erfreut!
In sehr großen Firmen mag das noch gehen, aber für kleine Betriebe ist eine Frau nicht wirtschaftlich, wird also ungern ausgebildet/eingestellt.
Andererseits ist es heute schon schwierig, überhaupt Handwerker zu bekommen und auf Termine muss man lange warten. Da könnte eine höhere Frauenquote Abhilfe schaffen.

Einige Mädels sind aber auch von „Influencerinnen“ beeinflusst und haben Angst um ihre Frisur/Fingernägel…. Also bleibt nur der Handwerksberuf als Frisörin oder Kosmetikerin….

Lera
2 Jahre zuvor

… einfach noch ein Girlsday veranstalten… pro Woche. Hilft bestimmt.

Die Mädchen müssen außerdem noch viel mehr gefördert werden.

Eigentlich wollen die nämlich alle Schweißerin bei der Marine werden.

Die trauen sich nur nicht.

Wegen des repressiven Klimas gegenüber Frauen, Patriarchat, Strukturen, bla bla, ihr wisst schon.

Manchmal besteht in seltenen Ausnahmefällen aber die theoretische Option auf die Möglichkeit, dass eine Frau freiwillig Krankenschwester wird. Das muss natürlich von der Alice- Schwarzer- Kommission im Einzelfall auf Zulässigkeit geprüft werden.

Alla
2 Jahre zuvor
Antwortet  Lera

Wenn man auf Instagram, YouTube uä unterwegs ist kann man zu dem Eindruck kommen, dass wir uns gerade auf dem Weg „back to the 50th“ bewegen.
Eine Frau ist super gepflegt, hat 50 verschiedene Nagellackfarben im Badezimmer stehen, braucht für ihre „Morgenroutine“ (cremen, schminken, frisieren…) gerne mal 45 Minuten, setzt sich der Sonne nicht aus um die Haut nicht altern zu lassen, ist immer sauber, top gestyled, und erwartet ihre Familie mit einem gesunden, sehr aufwendig selbstgekochten Essen – im Modeloutfit – in ihrem top gepflegten, mit vielen selbstgebastelten Dekoelementen geschmückten zuhause.
Sie bewegt sich auf Highheels mit dem Putzlappen durch ihr Bad, dass dem Reinraum eines Labors in nichts nachsteht und verpackt selbstgemachte Geschenke für die Freunde aufwendig aber nachhaltig in selbstgemachtes Papier und sebstgesponnene Kordeln. Sie verdient ihre Millionen Euros auch als Influencerin, ganz ohne Abi und Studium. Hauptsache sie ist schön!

Ist leider keine Ironie sondern der Lebenstraum vieler Mädels auf unserer Gesamtschule.
Der Berufswunsch „Handwerkerin“ ist kaum eine Option:.zu schmutzig, schlechter bezahlt, zeitaufwendig und „follower“ bzw. einen reichen Partner kann man so auch nicht bekommen. Dann lieber einen Teilzeitjob bei ALDI. Den Rest der Zeit wird geträumt und das Geld für eine Brustvergrößerung oder Nasenverkleinerung gespart!

Ludger K.
2 Jahre zuvor

Das kann nur am Patriarchat und der toxischer Männlichkeit liegen, dass sich so wenig junge Frauen auf dem Bau, bei der Müllabfuhr und im Stahlwerk zur Ausbildung melden!
Es ist bekannt, dass Frauen nur darauf warten, dort zu arbeiten, aber leider lassen es die unterdrückerischen, hetero-normativen Zustände in der BRD nicht zu. Lasst uns dagegen kämpfen, liebe Freund:InnenX.

Enjoy your chicken Ted!
2 Jahre zuvor
Antwortet  Ludger K.

Sehr theatralisch und leider am Thema vorbei. Setzen Sie sich doch mit dem Artikel auseinander und tragen Sie etwas Nützliches bei.

Lakon
2 Jahre zuvor

„Gleichzeitig soll das Projekt dazu beitragen, geschlechtsstereotype Berufsvorstellungen bei Eltern und Lehrkräften aufzuweichen.“
Nach meiner Erinnerung wird daran seit mindestens 25, eher 30 Jahren intensiv gearbeitet. Wenn das nun immer unerreicht ist, was sagt uns das über die Realitätsnähe des Ansatzes?

Mumpitz
2 Jahre zuvor

„„Die Berufswahl sollte sich immer ausschließlich an den eigenen Neigungen orientieren und nicht an althergebrachten Erwartungen“
Gleichzeitig soll das Projekt dazu beitragen, geschlechtsstereotype Berufsvorstellungen bei Eltern und Lehrkräften aufzuweichen.“

Aber auch:

„Die Talentscouts haben die Aufgabe, junge Menschen, vorrangig Schülerinnen, am Übergang von der Schule in den Beruf zu begleiten und zu beraten. Ziel sei es, die jungen Frauen für handwerklich-technische Berufe zu begeistern und ihnen die Karrieremöglichkeiten in dem Bereich aufzuzeigen.“

Hier wird mal wieder mit Hilfe der Wissenschaft instrumentalisiert und ökonomischen Interessen gedient.

Georg
2 Jahre zuvor

Geliefert wie bestellt: Demographische Entwicklung, viel zu hohe Abiturquote, Anspruchshaltung bei gleichzeitig sehr weicher Hängematte führen zu Handwerkermangel egal welchen Geschlechts.

Mit den Frauen hat es nicht geklappt, den Flüchtlingen aus Afrika und Arabien auch nicht, mit den Ukrainern könnte es schwierig werden, weil die entweder wieder zurück wollen oder ebenfalls Studenten sind.

Susanne
2 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Es würde auch mit Flüchtlingen aus Afrika klappen, wenn es mehr Druck gäbe…wer nicht arbeitet, bekommt eben nur Sachleistungen…sollte auch für gesunde Deutsche gelten.

Oder sie gehen dann freiwillig zurück und wie haben mehr finanzielle Kapazitäten um unsere eigenen Bürger mal zu entlasten oder in Qualität für Schulen und Kitas zu investieren.

Realist
2 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Es gibt halt mittlerweile bestimmte Tätigkeiten, bei denen Aufwand und Ertrag als Angestellter in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zueinander stehen: Das Handwerk gehört dazu. Das lohnt sich nur noch als Selbstständiger mit einem entsprechenden Kundenstamm (Unternehmen).

Andere Tätigkeiten, wo das Verhältnis auch immer mehr nicht stimmt, sind alle bekannt: Pflege, Erziehung (Kita) und mittlerweile auch Schule (Ganztag, Inklusion, Corona und immer neue Flüchtlingswellen, alles ohne die notwendigen Ressourcen / Personal).

Bevor sich die Jugend in bestimmten Berufen für kleines Geld die Gesundheit ruiniert (Handwerk: Verschleiß, Arbeitsunfälle. Soziale Berufe: Burnout, Long Covid) machen die lieber etwas Angesagteres mit mehr Ansehen, notfalls eben Influencer auf Youtube, oder wo man für den Stress auch entsprechend bezahlt wird (Arzt, Jurist usw.).

Sissi
2 Jahre zuvor
Antwortet  Realist

@ Realist
Was Sie schreiben trifft zu 100% zu.
In meinem Bereich würden fast alle gerne weiterarbeiten, nur- oft springt vom Gehalt kein Familienzoobesuch, geschweige denn ein Urlaub raus.
So versuchen viele, sich weiterzuqualifizieren – nicht nur aber auch wegen des Geldes.

Andu
2 Jahre zuvor

Wer will denn noch heutzutage in einen Handwerksberuf, da muss man doch verrückt sein!? Entlohnung (naja), Anerkennung (geht gen null) , körperliche Arbeit (ab 35 Jahren geht’s Berg ab) und Arbeitszeiten(brauch man nicht darüber reden).
Besserwisser (Kunden) dann noch on Top, die aufpassen ob der Handwerker überhaupt seinen Beruf richtig ausübt. Nee, nee.

Indra Rupp
2 Jahre zuvor

Als Influenza kann man durchaus erfolgreicher sein (oh man, ist schon wieder spät).

Indra Rupp
2 Jahre zuvor

Und als Influenza kommt man auch viel rum und unters Volk (oh man, is noch so früh)