Studie: Der Einsatz digitaler Technik im Unterricht kann die Lernbereitschaft von Schülern steigern – aber…

8

TÜBINGEN. Ob Schülerinnen und Schüler vom Einsatz von Technologie im Unterricht profitieren, hängt weniger davon ab, wie intensiv digitale Medien eingesetzt werden als vielmehr davon, ob sie inhaltlich sinnvoll genutzt werden. Wenn ihr Einsatz zum Nachdenken anregt oder beispielsweise dazu, Ergebnisse zu diskutieren, haben sie durchaus das Potenzial, die Lernbereitschaft der Schülerinnen und Schüler positiv zu beeinflussen. So bringen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Tübingen und des Leibniz-Instituts für Wissensmedien die Ergebnisse ihrer aktuellen Studie auf den Punkt.

Digitale Technik macht den Unterricht nicht per se besser, hat aber das Potenzial dazu. Foto: Shutterstock

Gemeinsam hatten die Forscher untersucht, ob der Einsatz digitaler Medien die Lernbereitschaft der Schülerinnen und Schüler positiv beeinflussen kann und ob Veränderungen im Lernverhalten sowohl mit der Häufigkeit als auch mit der Qualität des Einsatzes in Zusammenhang stehen.

Dabei habe sich gezeigt, dass es einen Unterschied mache, in welchem Fach die digitalen Medien eingesetzt werden. Im Mathematikunterricht habe sich die Lernbereitschaft der Schülerinnen und Schüler erhöht, sowohl kurz- als auch langfristig, wenn diese den Einsatz der digitalen Medien als kognitiv aktivierend empfanden – unabhängig von der Häufigkeit des Einsatzes. Im Fach Deutsch hingegen war entscheidend, wie oft die digitalen Medien eingesetzt wurden. Je häufiger die Schülerinnen und Schüler Tablet-Computer nutzten, desto positiver veränderte sich ihre Lernbereitschaft.

In der Studie erhielten rund 700 Schülerinnen und Schüler in 28 siebten und achten Klassen an 14 weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg Tablets. Die Lehrkräfte wurden gebeten, diese in ihren Unterricht zu integrieren, sie wurden aber nicht dazu verpflichtet. In einem Zeitraum von 16 Monaten wurden sowohl die Lehrkräfte als auch die Schülerinnen und Schüler zu ihren Wahrnehmungen zum Unterricht mit Tablets befragt.

„Beispielsweise können dynamisch-interaktive Visualisierungen in multimedialen Lernumgebungen Phänomene so illustrieren, dass sie tiefergehend verarbeitet werden“

Um herauszufinden, wie hoch die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler war, sich anzustrengen, beantworteten sie beispielsweise Fragen wie: „… habe ich mich so sehr angestrengt, wie ich konnte“ oder „… habe ich versucht, so viel zu lernen, wie ich konnte“. Die Qualität des Unterrichts wurde danach beurteilt, wie sehr die Schülerinnen und Schüler ihren Unterricht als kognitiv aktivierend wahrnahmen. Dazu wurden sie zum Beispiel gefragt, ob ihre Lehrkraft sie im Unterricht auch manchmal mit ihren eigenen Vermutungen in die Irre gehen und die Schülerinnen und Schüler diese Irrwege selbst erkennen lässt.

Anzeige

In Bezug auf die Häufigkeit der Nutzung im Mathematikunterricht fand das Forschungsteam keine positiven Zusammenhänge mit der Veränderung der Lernbereitschaft der Schülerinnen und Schüler. Je kognitiv aktivierender sie jedoch den Unterricht wahrnahmen, desto positiver veränderte sich auch ihre Bereitschaft, sich anzustrengen. Bei Mädchen war die Veränderung der Lernbereitschaft grundsätzlich höher als bei Jungen.

„Wie bei jedem anderen Medium auch, scheint die entscheidende Frage zum Einsatz digitaler Medien für einen lernförderlichen Unterricht nicht zu sein, ob digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden oder nicht, sondern vielmehr, auf welche Art und Weise sie genutzt werden, um einen qualitativ hochwertigen Unterricht zu gestalten“, fasst Studienautor Tim Fütterer vom Hector-Institut der Universität Tübingen zusammen. Dass sich im Deutschunterricht die Häufigkeit des Einsatzes bedeutsamer für die Lernanstrengung erwies, könnte daran liegen, dass hier der Neuheitseffekt zum Tragen kommt, da in diesem Fach digitale Medien seltener eingesetzt würden. Beim Neuheitseffekt wird die Aufmerksamkeit kurzzeitig erhöht, er ist jedoch nicht von Dauer.

„Eine mögliche Erklärung für die Fachunterschiede könnte zudem sein“, ergänzt Fütterer, „dass Mathematiklehrkräfte technikaffiner sind – das sehen wir in unseren Daten. Eine andere Erklärung könnte sein, dass es für den Mathematikunterricht passendere Softwareanwendungen gibt.“

Nachhaltige Wirkungen mit digitalen Medien ließen sich dann erzielen, wenn ihre lernbezogenen Potenziale ausgeschöpft werden. „Beispielsweise können dynamisch-interaktive Visualisierungen in multimedialen Lernumgebungen Phänomene so illustrieren, dass sie tiefergehend verarbeitet werden“, erklärt Professorin Katharina Scheiter vom Leibniz-Institut für Wissensmedien. Auch die Multiperspektivität sei ein Mehrwert digitaler Medien. Dies bedeute, dass Themen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden können, zum Beispiel aus der der Wissenschaft, des Journalismus oder aus Beiträgen in Diskussionsforen. Zudem sei es bereits möglich, mit digitalen Lernangeboten individuell auf die Bedürfnisse einzelner Schülerinnen und Schüler einzugehen.

„Ein didaktisch hochwertiger Einsatz von Technologie im Unterricht setzt aber voraus, dass die Lehrkräfte über technologisch-pädagogisches Wissen verfügen“

Noch immer allerdings hängt Deutschland nach Meinung der Studienautoren bei der Digitalisierung der Schulen im internationalen Vergleich weit hinterher. Noch im Jahr 2020 hätten sich fast zehn Schülerinnen und Schüler ein digitales Gerät geteilt, während in den USA das Verhältnis bei weniger als zwei gelegen habe. Außerdem fühlten sich die Lehrkräfte nur unzureichend auf den Unterricht mit digitalen Medien vorbereitet. „Ein didaktisch hochwertiger Einsatz von Technologie im Unterricht setzt aber voraus, dass die Lehrkräfte über technologisch-pädagogisches Wissen verfügen“, schließt Tim Fütterer. Deshalb müsse dieses Wissen viel stärker als bisher in die berufliche Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften einfließen. (zab, pm)

„Man muss den Stein erst mal ins Rollen bringen“: Warum sich der Unterricht an einer Privatschule leichter digitalisieren lässt

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

8 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Küstenlehrer
1 Jahr zuvor

Sagt das bloß nicht der pädagogischen Krone der Schöpfung (aka Philologen). Die beklagen ja den Einsatz.

Lera
1 Jahr zuvor

Eine weitere belanglose „Studie“ mit banalem „Ergebnis“.

Sie wird niemandem bei irgendwas helfen.

Immerhin wurden qua Qualifikationstellen weitere Experten geschaffen, die genau wissen, wie es geht (aber natürlich viel zu wertvoll sind, um es einfach zu tun).

Danke für … dies … und das.

Mein Name ist Hase
1 Jahr zuvor

Das Problem dieser Studie ist, dass sie von einer „kognitiven Aktivierung“ ausgehen muss. Bei einem Institut für „Wissensmedien“ kaum verwunderlich. Zum Interesse an einem Fach gehört aber mehr, und Medien zielen seit jeher „multiperspektivisch“ auf Emotionen und Gefühl – und je jünger die Schüler sind, desto eher treffen sie. Das ist übrigens einer der Gründe, warum es in den Handyspielen immer so herrlich bunt und laut dahergeht – es ist immer etwas los, um die Emotionen mitzunehmen, denn schließlich muss es Spaß machen.

Da kann – selbst im Matheunterricht der Oberstufe, kein Computer oder Lernvideo die Person ersetzen. Und unsere Experten würden mit ihrer „kognitiv-aktivierenden“ Herangehensweise nicht einmal die erste Unterrichtsstunde überstehen, sondern ihre frisch gewonnenen Eindrücke „tiefergehend verarbeiten“ müssen – vorzugsweise wieder im Elfenbeinturm. 😉

Opportunist
1 Jahr zuvor

Es geht ja auch nicht darum, Lehrkräfte zu ersetzen. Ein digitales Medium ist ein Medium wie jedes Andere.

Einfach zusammengefasst geht es nicht um die Frage „digital“ ja oder nein. Es gibt gute Gründe, warum Menschen seit jeher am Computer arbeiten. Es gibt Gründe, warum der Staat alle seine Behördengänge nach und nach online anbietet. Es ist die digitale Realität. Wenn Schüler fortan mit Computern/Tablets lernen bei gleichbleibendem Lernerfolg, spart das eine Menge Zeit die man zum Füße hochlegen oder individuellen Lernbegleiten verwenden kann.

Realist
1 Jahr zuvor

Irgendwie habe ich beim Lesen dieses Artikels dieses „War-doch-schon-vorher-klar-auch-ohne-Studie“-Gefühl. Aber gut, dass es trotzdem untersucht wurde. Schafft schließlich Arbeitsplätze für Didaktiker, die sich dann im Elfenbeinturm einnisten können und sich nicht als gewöhnliche Lehrkräfte in die Nierderungen des Schulbetriebs begeben müssen…

Werner Hasenbrot
1 Jahr zuvor

In Schulen, die längst wieder vom Tablet-Hype abgerückt sind, haben sich zwei Dinge herausgestellt:

Erstens hat ein zu intensiver Einsatz der Tablets zu einer Verschlechterung der Schülerleistungen geführt.

Zweitens gab es die Steigerung der Motivation nur am Anfang. Wenn die erste Begeisterung wegen der Neuheit des Arbeitsgeräte verflogen ist, sinkt auch die Motivation wieder.

Der Effekt der sinkenden Motivation wird sich noch verstärken, wenn die Kinder in ein paar Jahren feststellen, dass sie zuhause über modernere Geräte verfügen als in den Schulen.

Oder glaubt angesichts des heruntergekommenen Zustands und der allgemeinen Unterfinanzierung vieler Schulen wirklich jemand, dass nach einer euphorischen Anschaffungswelle es an Schulen immer Tablets auf dem aktuellen Stand der Technik geben wird?

G.B.
1 Jahr zuvor
Antwortet  Werner Hasenbrot

Ähnliche Beobachtungen bzgl. der Motivation haben wir auch schon gemacht – übrigens auch früher schon in den höheren Klassen, als die PCs verstärkt eingesetzt wurden: Tablet und PC sind toll zum Spielen. Wenn man richtig damit „arbeiten“ soll(!), sind sie auch blöd.
Wenn dann noch Zugänge eingeschränkt werden, damit man nicht heimlich überall herumsurfen kann, sind sie besonders blöd.

Lernerfolge bei Lernspielen haben wir schon häufig angezweifelt, weil viele einfach auf der Grundlage von „Trial and Error“ basieren.
Einfach lang genug rumgeklickt und die Antwort passt dann schon.
Ob man viel oder wenig „Punkte“ o.ä. gesammelt hatte, war egal.
Das erreichte Level auch.
Häufig kam die Frage, ob man nach getaner „Arbeit“ mit dem Lernspiel noch etwas „Schönes“ spielen oder surfen dürfe.

Schwierigere Aufgabenstellungen mit Mehrfachnennungen oder der Möglichkeit des „Rausfliegens“ bei zu viel Punkteverlust („Leben“) galten von vornherein unattraktiv und blöd und wurden nicht bearbeitet.

tozitna
1 Jahr zuvor
Antwortet  Werner Hasenbrot

„Erstens hat ein zu intensiver Einsatz der Tablets zu einer Verschlechterung der Schülerleistungen geführt.“
Kann ich so nicht bestätigen. Sicher setzt ein Gewöhnungseffekt ein, aber der ist an sich ja nicht weiter erheblich. War bei der Einführung von Filmmöglichkeiten auch so, und trotzdem war das nicht der Untergang der Bildung.
Sinnvoll als Arbeitsmittel verwendet halte ich Tablets für richtig gut. Den Hefter kann man damit auch führen, und alle Möglichkeiten der digitalen Vernetzung (zu Lernzwecken!) nutzen. Alles andere ist Erziehung…