Gegen Schulabbruch: Bundesland plant Einführung einer digitalen Schüler-ID

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HANNOVER. Der Bildungsweg aller Schülerinnen und Schüler soll künftig mit individuellen Identifikationsnummern registriert werden – in Niedersachsen jedenfalls. Hintergrund ist ein Problem, das in der Corona-Zeit besonders sichtbar wurde.

Was genau erfasst werden soll, ist noch offen. (Symbolfoto) Illustration: Shutterstock

Schülerinnen und Schüler sollen in Niedersachsen künftig mit der Einschulung eine digitale Identifikationsnummer bekommen. Damit soll verhindert werden, dass Kinder und Jugendliche ohne Abschluss die Schule abbrechen. Das sei in der Corona-Zeit leider «mehrfach» vorgekommen, sagte eine Sprecherin des Kultusministeriums am Dienstag.

Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) will das Vorhaben noch in der bis 2027 laufenden Legislaturperiode umsetzen. Die Einführung einer Schüler-ID ist Bestandteil des Koalitionsvertrags von SPD und Grünen. «Im Kern geht es bei der Schüler-ID darum, den Bildungsverlauf einer jeder Schülerin und eines jeden Schülers darzustellen», sagte die Ministeriumssprecherin. Die ID solle dabei helfen, dass Kinder und Jugendliche nicht im System verloren gingen. «Jeder soll die Chance auf einen Abschluss haben.»

Was genau unter der Nummer gespeichert werden soll, werde derzeit noch diskutiert. Das Ziel sei aber nicht, alles, was je über einen Schüler oder eine Schülerin geschrieben wurde, etwa ein Sitzenbleiben, zu vermerken. Auch die technische Umsetzung der Schüler-ID werde noch geprüft. Eine Karte soll es jedoch nicht geben. Um den Bildungsverlauf perspektivisch auch bei einem Umzug eines Schülers in ein anderes Bundesland weiterverfolgen zu können, gibt es dem niedersächsischen Ministerium zufolge auf Ebene der Kultusministerkonferenz (KMK) auch Überlegungen für eine bundesweite Schüler-ID.

„Zugriffs-, Berechtigungs- und Rollenkonzept? Schutz der Kommunikations- und Übertragungswege? Mindestanforderungen an Berechtigungssysteme der Schulsoftware? Große Leere“

Tatsächlich gibt es die bereits seit 2020, wurden aber dann nach Kritik von Datenschützern auf Eis gelegt. Sogar einen Negativ-Preis, den „BigBrotherAward“ erhielt die KMK dafür (2006). Von den Stiftern, dem Verein „Digitalcourage“, heißt es: „Die Idee, eine lebenslange Schüler.innen-ID einzuführen, ist schon kritikwürdig genug. Wie die KMK dabei vorgegangen ist, war jedoch so nachlässig und ignorant, dass sie den BigBrotherAward redlich verdient hatten.“

Erfasst werden sollten dem Verein zufolge unter anderen neben Geschlecht und Geburtsdatum auch Angaben über Muttersprache und Staatsangehörigkeit, Konfession, die Schule und den besuchten Unterricht, Förderschwerpunkte (also auffällige Defizite in bestimmten Lernbereichen) und ob jemand Spätaussiedler.in oder Migrant.in ist.

„Aber es kommt noch schlimmer: Die KMK hatte sich zwar viele Gedanken darüber gemacht, was sie alles wissen wollen. Nicht aber darüber, wofür sie das alles wissen wollen und wie diese Daten zu schützen sind. Es gab keinerlei Dokumentation über konkrete Zwecke und Fragestellungen, die mit Hilfe der gesammelten Daten erfüllt und beantwortet werden sollten! Zugriffs-, Berechtigungs- und Rollenkonzept? Schutz der Kommunikations- und Übertragungswege? Mindestanforderungen an Berechtigungssysteme der Schulsoftware? Große Leere.“

Dass Landesregierungen in der Folge ihre Planungen einstellten, hält sich der Verein zugute. News4teachers / mit Material der dpa

Überzogener Datenschutz und Unterrichtsmaterialien vom Staat: Wie die Digitalisierung der Schulen ausgebremst wird

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25 Kommentare
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Katze
1 Jahr zuvor

Die Kompetenzentwicklung der KMK zu Zugriffskompetenz, Berechtigungskompetenz- , Rollenkonzept-Kompetenz, Kommunikationskompetenz-, Datenschutzkompetenz und Übertragungskompetenz hat wohl noch nicht an Fahrt aufgenommen oder ist schon krachend gescheitert.
Wofür steht nochmal KMK? KEINER MIT KOMPETENZ!
Curriculum macht dumm – also doch.

“Die KMK hatte sich zwar viele Gedanken darüber gemacht.” So, so und trotzdem große Leere? Sehr bedenklich!

Exkurs in die Psychologie: Überforderungs- und Überlastungsreaktionen – überaktives planloses Agieren, operative Hektik, leere Betriebsamkeit, stereotype, unsinnige Handlungen …
Man muss sich große Sorgen machen um den “Patient KMK”!

Hysterican
1 Jahr zuvor
Antwortet  Katze

Eine Diagnose, die wir bereits seit Jahren mit zunehmender Dringlichkeit feststellen …. aber da in Deutschland ja Hinsichtlich der Wahrnehmung von Hilfeangeboten das Prinzip der Freiwilligkeit gilt ist es dem Patienten leider immer wieder möglich (gewesen) wirksame therapeutische Maßnahmen abzulehnen.

Im eigenen Elend verbleiben – und davon überzeugt sein, dass das Problem bei den anderen zu suchen ist.

RainerZufall
1 Jahr zuvor

Schüler-ID? Wegen mir.
Datenschutz? Ja!
Konkreter Verwendungszweck? Ja!
Bundesweit? Wehe, wenn nicht!!
Schutz? Höchster!

“Die Cloud ist am Ende auch nur ein anderer Computer” 😉

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  RainerZufall

Erlass:

“DIe Schulen stellen bei der Einführung und Verwendung der Schüler-ID sicher, dass alle datenschutzrechtlichen Regelungen vollumfänglich erfüllt werden.”

Hans Malz
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Vor dem Erlass steht das “Impulspapier”. Buzzwordbingo mit der Aufgabe: Macht mal. Aber wehe ihr macht Fehler.

Lena Hauenstein
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Ebenso wie BNE ohne Ressourcen und Digitalität ohne Ressourcen ist auch das eine Frage der Haltung.

Hans Malz
1 Jahr zuvor
Antwortet  RainerZufall

In Estland heißt das “Bürgerkarte”. Funktioniert gut, aber die können auch IT.

TaMu
1 Jahr zuvor

Mir wird zusätzlich zu Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes nicht klar, inwiefern diese Erfassung Schulabgänger ohne Abschluss zu einem Abschluss motivieren sollte.
Das sind junge Menschen, keine Kinder. Sie gehen nicht verloren. Sie haben ihre häufig traurigen Gründe, ohne Abschluss die Schule zu verlassen. Wären sie an einem Abschluss interessiert, würden sie ihn machen.

Hans Malz
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Es gibt leider wirklich jedes Jahr einige Kinder, die nicht mehr auffindbar sind. Entweder sind die unbekannt in Deutschland verzogen oder vielleicht ins Ausland. Das fällt bei der Schulpflichtüberwachung immer wieder auf.

Der Zauberlehrling
1 Jahr zuvor

https://www.bzst.de/DE/Privatpersonen/SteuerlicheIdentifikationsnummer/steuerlicheidentifikationsnummer_node.html#:~:text=Die%20Identifikationsnummer%20(%20IdNr%20)%20ist%20eine,durch%20die%20%C3%84nderung%20des%20Familienstandes.

Die Identifikationsnummer (IdNr) existiert schon. Einfach dranhängen und gut ist es.

Und nach 18 Monaten ist die auch mit einer IBAN verknüpft.

Als hätten wir im Bildungssystem keine dringlicheren Probleme.

Ach ja, ich habe durch einen Whistleblower einen ersten Einblick in die ID-Karte für die ID-Nummer gewonnen:

https://blog.hnf.de/wp-content/uploads/2023/01/RemingtonRandKarte700.png

Ist auf jeden Fall KI-sicher.

JoS
1 Jahr zuvor

Eine gute Idee. Am besten sollte unter dieser ID die gesamte Akte und am besten auch noch der ILE-Ordner gespeichert sein, der heute noch oft mehr oder weniger offen und damit zugänglich z.B. das Reinigungspersonal gelagert wird. Dass Datenschutz auch im analogen Bereich relevant ist, haben viele Einrichtungen gar nicht auf dem Schirm.

Pit2020
1 Jahr zuvor

Klingt ja fast schon a bissl nach Wildwest, aber digitale Brandzeichen tun ja nicht weh? 😉

Darf man dann diese ID auch gleich für den Rest des Lebens behalten? Würde dann nicht “alles” “irgendwie” einfacher, effizienter usw ? … Nur so eine Idee … 🙁

STOP!
Ich habe noch mal nachgelesen:
Was genau unter der Nummer gespeichert werden soll, werde derzeit noch diskutiert. Das Ziel sei aber nicht, alles, was je über einen Schüler oder eine Schülerin geschrieben wurde, etwa ein Sitzenbleiben, zu vermerken. Auch die technische Umsetzung der Schüler-ID werde noch geprüft.
JETZT bin ich TOTAL beruhigt. 😉

Sporack
1 Jahr zuvor

Also Schüler-ID wird dann per Upgrade dann zum Studi-Ausweis oder AzubiCard …

Oh halt, die AzubiCard gibt es ja schon in NRW:
https://www.ihk.de/nordwestfalen/bildung/azubicard-5520670

Lisa
1 Jahr zuvor

Da wird man erstmal merken, wie viele Schüler es überhaupt gibt, und dass der Lehrermangel noch gravierender ist als angenommen. Ich ( ist schon ein paar Jahre her) ” Der xy ist nicht der xy, er reagiert nicht auf seinen Namen und sagt mir auch, dass er anders heißt”; Rektor: ” Kommt denn immer derselbe?” Ich ” ???” ” Na dann….”
Mit einer Nummer würde das nicht passieren.

Hysterican
1 Jahr zuvor

Weitere praktische Anwendungsidee:

Die SuS werden mit Eunschulung entspreche gechipt, die Türen in den Schulgebäuden mit entsprechenden Lesegeräten im Rahmen versehen, die eine minutengenaue Zeiterfassung bzgl der Aufenthaltsdauer in der Anstalt – und dort sogar in den jeweiligen Klassen- und Fachräumen gewährleisten.
Diese Teiterfassung wird zu den Zeugnisse z.B. für die Berechnung der Fehlzeiten verwendet, was die Verwaltungsarbeit der Klassenleitungen verringern würde … bei Unterschreitung der Mindestaufenthaltszeit in den jeweilige Räumen erteilt das System automatisch entsprechende Defizitnoten, über die in den entsprechenden Konferenzen nicht mehr verhandelt werden müsste.

Bei einer Anhäufung von unentschuldigten Fehltagen im System werden automatisch Bußgeldbescheide generiert, die dann ohne Einspruchsmöglichkeit an die Eltern / Erziehungsverpflichteten versendet werden.

Auf die implantierten Chips können dann entsprechende Arbeitsleistungen abgespeichert werden, die dann von einer entsprechenden KI ausgewertet werden und dann eine Lenkung des zu erwartenden aber nich nicht erworbenen Lernstoffes organisiert…heißt, SuS, die z.B. massive Defizite in Physik aufweisen, werden vom Steuerungsmechanismus anstatt in den Religions, Kunst- oder Musikunterricht in den Physikraum gelotst.

Soll ich fortfahren??
Ich hätte da noch weitere wunderbare Anwendungsbeispiele, wie man derartige Ansätze zielführend in die Schule bringen könnte.

Hach, sorry … ich sehe bereits einige Geichter, die grüne vor Ekel oder rot vor Ärger anlaufen … ne, ich höre lieber mal auf.

nurmalso
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hysterican

Böse, böse…
Noch ein böser Vorschlag: Bei hinsichtlich Häufigkeit und Dauer auffallender Verweildauer in den sanitären Anlagen, bucht das System automatisch Facharzttermine zur Abklärung möglicher Ursachen.
Könnte man gut einen dystopischen Roman oder Film draus machen.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  nurmalso

@nurmalso

Filmtitel:
“Denn sie wissen nicht was sie warum so laaaaange tun”

Aber wollen wir das alles wirklich lesen oder sehen?
Da schau ich lieber Schneckenvideos in high-speed. 😉

nurmalso
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Ähem, ich meinte eher so das ganze von Hysterican entworfene Szenario als Filmgrundlage…

Mika
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Zur Entspannung statt an Kröten mal an Schnecken lecken? 😉

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mika

@Mika

Genau.
Von Krötenlecken kriege ich immer Schluckauf, sobald ich das mal 3 bis 4 Stunden mache … 😉

Hysterican
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Uiuiui lieber Pit…Krötenlecken …. uiuiui…
… gut, dass du so rechtschreibsicher bist und nicht dazu neigst, dich mit Konsonanten zu vertun …. hier das r mit nem l verwechseln … mein Gott, und die Gerüchteküche brodelt. 😉

ginny92
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hysterican

Ich oute mich mal. Ich fände Schülerausweis mit Chip, welche man zum Betreten der Schulgebäude oder Toiletten scannen muss, echt eine Erleichterung.

Peggy
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hysterican

Zu der digitalen Erfassung von Arbeitsleistungen: Diskussionen über Schulnoten zwischen Eltern und Lehrpersonal gäbe es dann auch nicht mehr.

mama51
1 Jahr zuvor

Übersprungshandlung und blinder Aktionismus…
Mehr fällt mir dazu nicht ein.

Alle anderen hier machen sich statt meiner ja genug Gedanken. Teils richtig Gute!

Einer
11 Monate zuvor

Meine Kinder haben kurz nach ihrer Geburt schon ihre Steuer-ID vom Finanzamt erhalten. Kann doch mit der Schul-ID genauso funktionieren. Dann kann auch direkt die KITA mit übernommen werden. Und selbstverständlich auch die Berufsausbildung und das Studium.
Prima Idee!!!
Bitte möglichst schnell umsetzen.