Die Volksinitiative «G9 – Mehr Zeit zum Lernen! Bildungsgerechtigkeit HH» ist mit ihrem Volksbegehren zur Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren an Gymnasien gescheitert. Die Initiatoren bekamen während der dreiwöchigen Sammelzeit nur rund 45.500 Unterschriften zusammen, wie Initiativensprecherin Sammar Rath sagte. Notwendig gewesen wären fast 66.000 gewesen.
Enttäuscht sei sie gleichwohl nicht. «Das waren die lehrreichsten Wochen meines Lebens», sagte Rath. Sie kündigte an, dass die Initiative weiter aktiv sein und das Gespräch mit den Parteien suchen werde. Sie werde Vorschläge machen und auch den Druck hochhalten, damit sich die Bedingungen für die Schülerschaft an den Gymnasien ändert. Gleichzeitig betonte Rath: «Wir haben einen enormen Zuspruch von den Eltern erfahren.»
Initiative möchte an Gymnasien zum Abitur nach neun Jahren zurückkehren
Die Volksinitiative «G9 – Mehr Zeit zum Lernen! Bildungsgerechtigkeit HH» möchte an den Gymnasien das Abitur nach acht Jahren kippen und wie viele andere Bundesländer zum Abitur nach neun Jahren zurückkehren. Aus deren Sicht führt das Festhalten an G8 unter anderem zu einer Benachteiligung Hamburger Gymnasiasten, weil sie im Gegensatz zu Schülerinnen und Schülern anderer Bundesländer ein Jahr weniger zur Vorbereitung auf das Abitur haben, sich nach dem Abitur aber sowohl national als auch international auf dieselben Studien- und Ausbildungsplätze bewerben.
Die Schulbehörde zeigte sich erleichtert. «Es ist gut, dass das seit vielen Jahren etablierte, anerkannte und erwiesenermaßen erfolgreiche Hamburger Schulsystem so erhalten bleibt», sagte Behördensprecher Peter Albrecht. Die Schulen könnten sich jetzt weiter auf gute Unterrichtsentwicklung konzentrieren «und versinken nicht über Jahre im Organisationschaos, das die G9-Initiative ausgelöst hätte».
Ähnlich äußerte sich die Gemeinschaft der Elternräte an Stadtteilschulen in Hamburg: «Damit ist auch der Weg frei, sich wieder den wirklich dringenden schulischen und schulpolitischen Themen wie Inklusion/Integration, Demokratiebildung, Chancengleichheit und Digitalisierung zuzuwenden.»
Die schulpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Boeddinghaus, nannte die Ziele der Initiative zu einseitig und zu eng gefasst. Dennoch bedauere sie, dass nun die Chance verpasst werde, die Debatte um mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr Teilhabe an Schulen wiederzueröffnen. «Wir hätten mit Blick auf die Kinder und Jugendlichen, ihre Lage, ihre Bedürfnisse, ihre Lernwege und Lernzeiten trefflich streiten und Schule voranbringen können.» So werde das alte Elend zementiert, klagte Boeddinghaus.
G8 war 2002/2003 eingeführt worden
Hamburg hatte das achtstufige Gymnasium im Schuljahr 2002/2003 eingeführt, 2010 war dann das Jahr des Doppelabiturs. Zudem gingen die Stadtteilschulen als Ersatz der Haupt- und Realschulen an den Start. In ihnen kann seither das Abitur nach neun Jahren abgelegt werden. Seit 2010 herrscht auch ein sogenannter Schulfrieden, den die Fraktionen von CDU, Grünen und SPD unterzeichnet und 2019 zusammen mit der FDP-Fraktion in einer Rahmenvereinbarung verlängert hatten. Sie sieht vor, dass an der Schulstruktur bis 2025 nichts verändert wird – unabhängig davon, wer die Regierung stellt.
Die Volksinitiative war bei Eltern, Schülern und Fachleuten durchaus umstritten. Es war bereits der zweite Anlauf für eine Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren: 2014 war die Initiative «G9-Jetzt-HH» ebenfalls beim Volksbegehren gescheitert. Statt der damals notwendigen 63.000 Unterschriften waren nur etwa 45.000 zusammengekommen. News4teachers / mit Material der dpa
Eltern- und Schülerkammer hatten sich bereits vorab gegen die Initiative G9 positioniert. Etwa ein Drittel der erforderlichen Stimmen hat nun gefehlt, was nicht gerade wenig ist. Offensichtlich haben bei weitem nicht alle Eltern von Gymnaiasten für dieses G9 gestimmt. Hier hat im Ergebnis wohl einmal die Vernunft gesiegt.
Nicht nur die Vernunft, auch der Egoismus war ein Grund: Es wäre ja Schlimm, wenn der Plebs keinen Grund mehr hätte, an die Stadtteilschulen zu gehen, da dann beide Schularten G9 angeboten hätten.
😉
Wer ist denn “der Plebs”? Gibt es ihn bereits jetzt schon auf den G8-Gymnasien in Hamburg?
13 Jahre Ganztagsschule sind ja auch noch schlimmer als 12 Jahre Ganztagsschule. Kein Wunder, dass so das eigentlich sinnvolle G9 scheitert.
Es steht frei, seine Kids auf eine Privatschule zu schicken. Der Steuerzahler muss ja nun nicht jede wirre Idee finanzieren.
Der Steuerzahler zahlt auch staatlich anerkannte Ersatzschulen zum allergrößten Teil. Und ein Kind muss, um die Schulpflicht zu erfüllen, entweder eine Regelschule oder eine staatlich anerkannte Ersatzschule besuchen.
https://www.schlosstorgelow.de/
Auf dem Markt gibt’s da noch mehr.
Vielleicht hat in Hamburg auch eine Rolle gespielt, dass es für viele leicht sein dürfte, Kinder in niedersächsische Gymnasien jenseits der Stadtgrenze zu schicken oder solche in SH, wo G9 bereits realisiert ist.
Aber bitte nicht zu weit in Richtung Osten orientieren. In den neuen Bundesländern gibt’s schon immer das G8 und dort kommt man damit klar.
In der DDR, wo es „schon immer G8“ gab, war die Auswahl, wer auf die weiterführende Schule (ab Klasse 9 bzw. 11 – vorher lernten alle zusammen) darf, wesentlich strenger: die besten (im Sinne der Leistungsauslese) zwei Schüler durften weiter. Da ging das Abi in 4 bzw. 2 Jahren problemlos.
Ich als Lehrkraft in den neuen Bundesländern, die Mitte/Ende der 90er in den Schuldienst eingestiegen bin, spreche mich inzwischen sehr für G9 aus: die SuS, die wir heute bekommen, brauchen aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit dringend das eine Jahr mehr.
Die andere und naheliegende Möglichkeit ist die strengere Auswahl der SuS, die ein Gymnasium besuchen sollen (sollen i.S. des unbedingten Elternwunsches). Und genau HIER liegt das Problem. Was soll denn geschehen, wenn auch ein G9 nicht ausreichend ist? Ist dann die Lösung ein G10?… Was nicht passt wird passend gemacht?
Meine Frau hat in der DDR ihr Abitur auf einer EOS erlangt. Der Leistungsgedanke auf dem Weg zur EOS war, nach ihrer Einschätzung, wesentlich höher als der heutige auf ein Gymnasium und dann dort dann zum Abitur. Nach ihrem Einschätzung (Gymnasiallehrerin mit langjähriger Berufserfahrung) würde auch G9 nichts verändern. Eine Reihe von SuS gehören einfach (noch) nicht auf ein Gymnasium, aber deren Eltern sind da wohl eine eigene Spezies. Sie schätzt ein, dass z.B. viele Grundschulempfehlungen auf Glaubwürdigkeit zu hinterfragen sind… Übrigens, auch ein G9 auf einer Gesamtschule ist wohl nicht besser. Der Vorteil dort für Oberstufenschülerist, dass sie vorher im Kreis einer schwierigen Schülerschaft gross geworden sind und damit weitergehende soziale Kompetenzen mitbringen, im Gegensatz zu den wohlbehüteten Gymnasiasten.
Sie scheinen an die “sozialen Kompetenzen” zu glauben, obwohl es Messerangriffe inzwischen sowohl an Gymnasien wie an Nicht-Gymnasien gibt.
Die Messerangriffe sind – gottlob – die Seltenheit. Was soll man präventiv dagegen machen? Mit einer Stichschutzweste zum Unterricht gehen? … Ich glaube an die höheren sozialen Kompetenzen bei Schülern an Gesamtschulen. Man kann es gern mit tiefergründigen Lebenserfahrung bezeichnen. Die besseren Sozialarbeiter/-pädagogen kommen wahrscheinlich aus den Oberstufen der Gesamtschulen.
Lebenserfahrungen
Eine kleine Ergänzung habe ich noch: In der EOS der DDR wurde auch samstags unterrichtet.