Dank Startchancen-Programm: Endlich geht es voran in Brennpunkt-Schulen!

5

MAINZ. Die Grundschule Gräfenau in Ludwigshafen geriet bundesweit ins Rampenlicht, weil extrem viele Erstklässler das Schuljahr wiederholen mussten. Mittlerweile geht es voran, versichert die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Hubig.

Kinder, die hier aufwachsen, haben in der Regel keine guten Startbedingungen: Wohnblock in Ludwigshafen-Hemshof, dem Einzugsbereich der Gräfenau-Grundschule. Foto: Immanuel Giel / Wikimedia Commons (Gemeinfrei)

Rheinland-Pfalz will Kinder mit großen Schwierigkeiten zum Start in der Schule gezielt unterstützen und diesen Grundschulkindern mehr Zeit einräumen. Acht Grundschulen beteiligten sich dafür an dem Pilotprojekt «First Class», sagte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD)in Mainz.

Geholfen werden soll Schülerinnen und Schülern, die beim Übergang von der Kita in die Schule noch sehr wenige Vorläuferfähigkeiten mitbringen. Dabei gehe es nicht nur um mangelnde Sprachkenntnisse, sondern auch darum, wie ein Stift und eine Schere richtig gehalten werden und auch das angemessene Verhalten in einer Gruppe.

Förderung der Sprachkenntnisse, der mathematischen Grundkenntnisse sowie der feinmotorischen Fähigkeiten

Für diese Kinder soll es mit dem Pilotprojekt «First Class» ermöglicht werden, die Eingangsstufe der ersten und zweiten Klasse bei Bedarf in drei Jahren zu absolvieren, erklärte die Bildungsministerin. Aus diesem Grund soll es die Möglichkeiten geben, die erste und zweite Klasse jahrgangsübergreifend zu unterrichten.

Die teilnehmenden Grundschulen sollen die Flexibilität haben, dass die Kinder nicht nur im Klassenverband vorrücken, sondern in Gruppen nach ihren Fähigkeiten organisiert werden können, berichtete Hubig.

Das Pilotprojekt knüpft an «First Class» an, das an der Grundschule Gräfenau in Ludwigshafen im vergangenen Schuljahr gestartet war. In Fokus dieses Vorhabens standen drei inhaltliche Schwerpunkte: die Förderung der Sprachkenntnisse, der mathematischen Grundkenntnisse sowie der feinmotorischen Fähigkeiten wie etwa das Stifthalten.

Auslöser war, dass an der Grundschule mit einem Migrationsanteil von über 90 Prozent eine große Zahl von Kindern die erste Klasse wiederholen musste. Der Standort in der zweitgrößten Stadt in Rheinland-Pfalz gilt als sozialer Brennpunkt. Viele Kinder sprechen wenig Deutsch oder kommen aus bildungsfernen Familien. Etliche der betroffenen Kinder waren nur kurz oder gar nicht in einem deutschen Kindergarten.

Die Methodik von «First Class» mit einer stärkeren Vermittlung der sogenannten Vorläuferfähigkeiten werde mittlerweile an 30 Grundschulen in Rheinland-Pfalz angewendet, teilte die SPD-Politikerin mit. «Das bauen wir aus.» Im nächsten Schuljahr sollen 30 weitere Grundschulen dazukommen. «Das wollen wir in den Grundschulen etablieren.»

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft stand von Beginn an hinter dem Projekt «First Class» (auch wenn der Titel angesichts der sozialen Situation, in der die betroffenen Kinder stecken, zynisch klingen mag). Die GEW hatte sich früh dafür ausgesprochen, dass die Unterstützungsmaßnahmen von «First Class» für frühkindliche Bildung und Grundschulbildung beispielgebend auch für andere Schulen in Rheinland-Pfalz sein könnten.

«Ich habe den Eindruck, dass es bei allen Schwierigkeiten an der Gräfenauschule vorwärtsgeht», betonte die Bildungsministerin. Die Schulgemeinschaft sei engagiert und die Schule in vielen Landesprogrammen, es gebe Maßnahmen mit der Schulaufsicht und dem pädagogischen Landesinstitut.

Zum neuen Schuljahr sei die Ludwigshafener Grundschule etwa ein Familiengrundschulzentrum geworden und auch im Startchancen-Programms zur Förderung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher in Rheinland-Pfalz, an dem überwiegend Grundschulen teilnehmen. Die Programme «Lesen macht stark» und «Mathe macht stark» seien verpflichtender Teil des Unterrichts.

“An Standorten wie der Gräfenauschule gibt es immer auch einen hohen Grad an Schulverweigerung”

Die Familiengrundschulzentren sollen gezielt Kinder unterstützten, die nicht so gute Startvoraussetzungen haben wie andere. Das Konzept umfasst drei Säulen: Im Bereich Bildung gibt es etwa qualifizierte Hausaufgabenhilfe oder auch Sprachkurse für Eltern. Bei Beratungsangeboten für Kinder und Eltern sind auch Sprechstunden und eine Schuldenberatung angelegt. Die dritte Säule bilden soziale und kulturelle Angebote, um positive Erlebnisse zu ermöglichen und soziale Kompetenzen und Vernetzung zu fördern.

An Standorten wie der Gräfenauschule gebe es immer auch einen hohen Grad an Schulverweigerung aus unterschiedlichsten Gründen, berichtete Hubig. Deshalb gehe es bei diesen Hilfsangeboten auch darum, den Familien die Bedeutung von Schule und des Erziehungsauftrags zu vermitteln.

Das Startchancen-Programm richtet sich an sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche, in Rheinland-Pfalz nehmen überwiegend Grundschulen an dem Förderprogramm teil. Insgesamt profitieren 200 Schulen im Land von den knapp 100 Millionen Euro pro Jahr, darunter 120 Grundschulen. Bundesweit werden insgesamt 4.000 Schulen einbezogen. Ziel des Programms ist es, die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler vor allem beim Lesen und Schreiben sowie in der Mathematik zu stärken. Von Bernd Glebe, dpa

Gräfenauschule: Wo praktisch jedes Schulkind kaum Deutsch spricht – aber die Mittel für besondere Sprachförderung fehlen

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

5 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
ed840
24 Tage zuvor

Erstaunlich dass solche Dinge erst durch Fördermittel des Bundes möglich werden, obwohl die Verantwortung eigentlich bei den Bundesländern liegt. Die jährlichen Bildungsausgaben pro Schüler wären laut Statistik in RLP aber auch niedriger als im Bundesschnitt.

AlterHase
24 Tage zuvor

In dem anderen Artikel zum Startchancenprogramm ging es aber um Emotionen und die Psyche. Das ist offenbar ein universelles Programm.

Butterblume
23 Tage zuvor

Ich bin immer wieder erstaunt, wie großartig die grand dame der heißen Luft selbst die kleinsten Dinge verkaufen kann. Die Organisation der sogenannten Familiengrundschulzentren für die beiden Schulen liegt in den Händen einer HALBEN Schulsozialarbeiterstelle, die extra hierfür geschaffen wurde. Man kann sich vorstellen was dabei rauskommt….

Lisa
23 Tage zuvor

Früher wären die Kinder nicht in die erste Klasse gekommen, sondern in die Vorschule. Dann in die erste Klasse. Die Erfahrung des Wiederholens hätte bei Vielen nicht sein müssen.

Beim Anblick der Wohnblocks fällt mir wie so oft das Zitat von Zille ein: ” Mit einer Wohnung kann man einen Menschen erschlagen wie mit einer Axt”