Deutscher Schulleiterkongress: Lob von Ties Rabe und ein Appell von Auma Obama

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DÜSSELDORF. Irritiert blickt Auma Obama von ihrem High-Tech-Stehpult im Düsseldorfer Kongresszentrum auf einen weiten Saal voller Schulleiter. „Ich stehe hier und versuche, nichts anzufassen – ist ja wie in der Schule.“ Doch schnell hat die selbstbewusste Schwester des US-Präsidenten Barack Obama Oberwasser. Bei ihrem Einführungsvortrag zum 5. Deutschen Schulleiterkongress hat die kenianische Soziologin zwei Botschaften für die rund 2000 Chef-Pädagogen: Sie müssen die Selbstverantwortung ihrer Schüler stärken, sie mitreden lassen. Und: Sie sollen ihren Schülern im Unterricht beibringen, Afrikaner nicht als arme Opfer zu sehen.

Untypische Themen und ungewöhnliche Referenten sind Programm beim Deutschen Schulleiterkongress. So stehen hier neben Hirnforschern und Erziehungswissenschaftlern auch ein ehemaliger Geheimdienstagent und prominente Redner wie Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und Philosoph Richard David Precht vor den Schulchefs. Das Ziel: Beim Blick über den Tellerrand neue Impulse für besseren Unterricht und erfolgreiche Schulleitung gewinnen.

Soziologin Auma Obama, Halbschwester des US-Präsidenten, sprach bei der Auftaktveranstaltung des Deutschen Schulleiterkongresses. Foto: Andrej Priboschek
Soziologin Auma Obama sprach bei der Auftaktveranstaltung des Deutschen Schulleiterkongresses. Foto: Andrej Priboschek

Obama berichtet zunächst von sich. Mit 19 sei sie aus Kenia nach Deutschland gekommen – konfrontiert mit Kulturschock und Stereotypen. Der Blick der Anderen: „Ich als Opfer.“ Doch genau diese Sichtweise will Obama nicht gelten lassen. Mit ihrer Stiftung „Sauti Kuu – Starke Stimmen“, will sie Kindern und Jugendlichen verdeutlichen: „Du bist deine Zukunft.“ Ihre Mission: Hilfe zur Selbsthilfe. „Armut ist sehr traurig, aber Armut ist keine Entschuldigung. Deine Zukunft gehört dir. Du bist verantwortlich.“ Aufgabe der Lehrer sei es, ihre Schüler zu unterstützen, nicht nur die Erwartungen der Anderen zu erfüllen, sondern selbstbewusst eigene Ziele zu verfolgen. „Ein Plan B im Kopf macht frei.“ Dafür müssten Kindern „gesehen, gehört und ernst genommen werden“, so Obama.

Bessere Noten durch Spaß am Lernen
Aber kann wirklich jeder alles erreichen? Dieser Frage spürt der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth seit Jahrzehnten nach. Für sein Fachpublikum hat er handfeste Ergebnisse: „Intelligenz erklärt nur zu einem Drittel den Lernerfolg.“ Für alle, die kein Superhirn haben, gibt es Hoffnung: „Ein Drittel sind Motivation und ein Drittel Fleiß.“ Diese Bestandteile des Erfolgstrios könnten sich zu einem gewissen Grad gegenseitig ersetzen. Das Beste: Motivation lasse sich stärken, besonders wenn Kinder „Spaß am Lernen“ hätten. Das sei die einzige Belohnung, deren Wirkung bei Erfolgserlebnissen wachse. „Lehrer müssen alles tun, um dies zu erreichen“, so Roth.

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Entscheidende Auswirkungen hätten aber auch die Einstellung der Eltern und des Freundeskreises zur Schule. Dabei gebe es geschlechtsspezifische Unterschiede: „Bei Mädchen wird Fleiß toleriert, bei Jungen gilt er als uncool.“ Schon jetzt sei die Note der Abiturientinnen in Deutschland im Schnitt eine Note besser als die ihrer Mitschüler. «Demnächst ist die Frage der Frauenquote irrelevant.» Bei der Nachfrage nach Bestnoten kämen Frauen automatisch nach vorne.

„08/15“-Unterricht gehe an den Köpfen der Schüler vollkommen vorbei, warnt der Forscher. Eigentlich dürfe der Stoff nur in maximal fünfminütigen Abschnitten präsentiert werden, gefolgt von einer Denkpause, in der geklärt wird, ob alles verstanden wurde. Durchgepeitschter Stoff könne sich nicht im Langzeitgedächtnis verankern. Dabei könne jeder Lehrer dafür in seinem Unterricht auch ohne Hirnforschung untrügliche Anzeichen finden: „Die Augen der Schüler werden langsam glasig.“

Lob für Leistung der Schulleiter
Die Bedingungen für guten Unterricht sind derzeit aber erschwert – das machte der Hamburger Bildungssenator Ties Rabe bei seiner Eröffnungsrede deutlich. Besonders die Integration der Flüchtlingskinder bedeute eine gewaltige Anstrengung für die Schulen. Beeindruckt zeigte er sich von der Energie und dem Erfolg, mit dem sich Lehrkräfte und Schulleitungen in Deutschland engagierten: „Es ist anrührend und begeisternd, was Sie alle hier leisten.“

Es ist wohl eher selten, dass ein Bildungspolitiker so viel Beifall von Pädagogen erhält, wie Ties Rabe beim DSLK. Vielleicht liegt es daran, dass Rabe selbst früher als Lehrer gearbeitet hat oder seiner Frau als Schulleiterin tätig ist – zumindest schafft er es, sich in die Schulleitungen hineinzuversetzen, die sich „mit den politischen Vorgaben herumschlagen müssen“. Besonders wichtig schien es ihm auf die Doppelbelastung einzugehen, der sich Schulleiter stellen müssen. Während Krankenhäuser beispielsweise einen kaufmännischen Leiter und einen Chefarzt hätten, müssten Schulleitungen sich um „die äußere Organisation und das innere Kerngeschäft“ gleichzeitig kümmern. Ein Balanceakt, bei dem besonders ein Punkt nicht zu kurz kommen sollte: „Unsere Schulen, unsere Kinder und Jugendlichen und unsere Gesellschaft brauchen Sie – als Chef-Pädagogen.“  N4t mit dpa

Der Deutsche Schulleiterkongress 2016
Fast 2000 Teilnehmer aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland kamen nach Düsseldorf, um am 5. Deutschen Schulleiterkongress (DSLK) teilzunehmen. Unter dem Motto „Schulen gehen in Führung“ hatten die Veranstalter, der Informationsdienstleister Wolters Kluwer Deutschland und der Verband Bildung und Erziehung (VBE), ins Kongresszentrum CCD Süd eingeladen.

Mehr zum DSLK:
Was der Deutsche Schulleiterkongress gegen den Mangel an Führungsnachwuchs fordert

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