Ungerechte Verbeamtung? GEW: Junge Lehrkräfte ziehen an altgedienten finanziell vorbei

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BERLIN. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat den Berliner Senat aufgefordert, offene Fragen im Zusammenhang mit der Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern in der Hauptstadt schnell zu klären. Dazu zählt zum Beispiel, wie die Altersgrenze für die Verbeamtung denn nun konkret geregelt werden soll und welchen Nachteilsausgleich Angestellte erhalten, die nicht verbeamtet werden können oder wollen, wie die GEW mitteilt. Schon jetzt gebe es Ungerechtigkeiten – altgediente Lehrkräfte, die kurz vor der versprochenen Altersgrenze von 52 stehen, würden nämlich keineswegs als erste verbeamtet.

Lehrkräfte um die 50 sollten als erste verbeamtet werden – meint die GEW. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

«Die Berliner SPD ist vor einem Jahr mit dem Versprechen der Verbeamtung in den Wahlkampf gezogen. Viele Kolleg*innen haben das Kreuz bei der SPD gesetzt, weil die versprochen hat, das Verbeamtungsalter auf 52 Jahre anzuheben und einen Nachteilsausgleich für die Lehrkräfte zu schaffen, die nicht verbeamtet werden können», erklärte GEW-Landeschef Erdmann. «Diese Kolleg*innen erwarten neun Monate nach dem Verbeamtungsbeschluss von SPD, Grünen und Linken zurecht, dass der Senat die Wahlversprechen umsetzt und Klarheit schafft.»

Für Dienstag war ein Gespräch zwischen Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) und Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) zu dem Thema geplant. Ein Sprecher der Bildungsverwaltung sagte am Dienstag, die Anhebung der Altersgrenze stehe im Koalitionsvertrag. «Dem haben alle Parteien zugestimmt.»

Berlin war das letzte Bundesland, in dem Lehrkräfte nicht verbeamtet wurden. Im Sommer hat es erstmals seit 2003 wieder Verbeamtungen insbesondere von in Berlin ausgebildeten Referendaren und von Lehrkräften aus anderen Bundesländern gegeben. Schritt für Schritt sollen aber auch die bisherigen Lehrkräfte verbeamtet werden. Details in dem Zusammenhang waren in der rot-grün-roten Koalition umstritten.

«Die Ungerechtigkeiten innerhalb der Kollegien nehmen somit weiter zu»

«Die Kolleg*innen, die seit zwei Jahrzehnten unsere Schulen tragen, erleben, wie Lehrkräfte, die sie selbst ausgebildet haben, früher verbeamtet werden und viele finanziell an ihnen vorbeiziehen“, kritisiert Anne Albers, Leiterin des Vorstandsbereichs Angestellten- und Beamtenpolitik in der Berliner GEW. Im Sommer 2022 wurden erstmals seit 2003 nicht nur etwa 200 in Berlin ausgebildete Referendar*innen zu Beamt*innen auf Probe ernannt, sondern auch Lehrkräfte von privaten Schulen oder aus anderen Bundesländern. «Der Senat verbeamtet damit nicht etwa zuerst diejenigen Lehrkräfte, die kurz vor dem Erreichen der Altersgrenze stehen, sondern jüngere Kolleg*innen. Die Ungerechtigkeiten innerhalb der Kollegien nehmen somit weiter zu», betonte Albers.

Während die Überleitung der Bestandslehrkräfte ins Beamtenverhältnis bis heute nicht geregelt ist, ist laut GEW eines klar: Die übertarifliche Bezahlung nach der Erfahrungsstufe 5 für neu ausgebildete Lehrkräfte entfällt ab dem 1. Januar 2023. Das Einstiegsgehalt sinkt somit um 1.673,15 Euro pro Monat im Vergleich zum heutigen Einstiegsgehalt.

«In Zeiten des größten Lehrkräftemangels seit Jahrzehnten ist dieses Signal fatal»

«Für Angestellte wird eine Zulage von rund 200 Euro diskutiert. Dem steht bei Neueinstellungen ein um über 1.600 Euro abgesenktes Einstiegsgehalt durch den Wegfall der Stufe 5 gegenüber», kritisierte Udo Mertens, Leiter des Vorstandsbereichs Beamten- und Angestelltenpolitik. «Die einzige Gewinnerin ist die Landeskasse. Das ist umso perfider, als dass der Senat mit der übertariflichen Zulage weiter Kolleg*innen in den Quereinstieg lockt. Einige haben mit der Aussicht auf ein attraktives Gehalt nach dem Ende der Ausbildung ihre bisherigen Berufe gekündigt. Diese Kolleg*innen fühlen sich jetzt zurecht betrogen. In Zeiten des größten Lehrkräftemangels seit Jahrzehnten ist dieses Signal fatal», so Mertens.

Die GEW fordert nach eigenen Angaben schon seit zehn Jahren eine Zulage, die auf der Grundlage des bestehenden Tarifvertrages gezahlt werden könnte und die die wirklichen Unterschiede im verfügbaren Einkommen zwischen Beamt*innen und Angestellten ausgleicht. News4teachers / mit Material der dpa

GEW sieht Lehrerverbeamtung skeptisch: Bringt nichts gegen Lehrermangel

 

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9 Kommentare
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Andre Hog
1 Jahr zuvor

Die KuK, die bereits 20 Jahre im Schuldienst abgeleistet haben können das bereits geleistete Engagement nicht mehr zurückbuchen…daher muss man das Augenmerk bzgl einer finanziellen Besserstellung nicht mehr weiter verfolgen…es dürfte allen Beteiligten klar sein, dass es bei solcherart politischen Entscheidungen nicht um Gerechtigkeit geht, sondern um das, was der Politik aus ihrer Perspektive sinnvoll erscheint…und das ist, junge KuK an den schulstandort Berlin zu binden oder Quereinsteiger zu akquirieren….die „alten faulen Säcke “ laufen nicht mehr weg…die haben i.d.R. ihren Lebensmittelpunkt bereits gefunden und geben den nicht leichtfertig auf.

Dass der Frust in dieser Gruppe groß sein wird, interessiert die Politik auch nicht, denn gerade aus den Reihen der erfahrenen KuK kommt eben auch ein gerütteltes Maß an Kritik an der dilletantischen Arbeit der KuMis – in Berlin der Bildungssenator*en.
Also … warum soll man denen finanziell und laufbahntechnisch entgegen kommen??

Ergo: das Verhalten der Politik war
/ ist bei solchen Vorhaben vorhersehbar.
Bin gespannt, wie das mit dem A13-Versprechen in NRW sein wird – nicht, dass es nachher auch wieder heißt: „Sorry, aber da haben wir uns wohl mal versprochen“

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Tja, wer als „alter, fauler L…sack“ den Versprechungen der Politik geglaubt hat, der gehört auch bestraft… aber keine Angst, die jetzt (noch) jungen Lehrkräfte werden zu gegebener Zeit genauso ver…

Smartboardliker
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Diese haben immer noch die Möglichkeit, Dienst nach Vorschrift zu machen bzw. innerlich zu kündigen. Dieses Phänomen soll unter Beamten zwar häufiger zu beobachten sein, auf die man jetzt all seine Hoffnung zu setzen scheint, wäre aber in diesem Fall zumindest sehr gut nachvollziehbar, im Anbetracht der langfristigen finanziellen Schlechterstellung, sollte da kein ordentlicher Ausgleich kommen.

Die Berlinerin
1 Jahr zuvor

„Die übertarifliche Bezahlung nach der Erfahrungsstufe 5 für neu ausgebildete Lehrkräfte entfällt ab dem 1. Januar 2023. Das Einstiegsgehalt sinkt somit um 1.673,15 Euro pro Monat im Vergleich zum heutigen Einstiegsgehalt.“ + „«Für Angestellte wird eine Zulage von rund 200 Euro diskutiert. Dem steht bei Neueinstellungen ein um über 1.600 Euro abgesenktes Einstiegsgehalt durch den Wegfall der Stufe 5 gegenüber»

Leider macht der Artikel nicht ganz klar, ob das auch für die Lehrkräfte gilt, die angestellt sind und bleiben (müssen).

Wenn Neueingestellte die Zulage nicht mehr bekommen, aber verbeamtet werden, haben sie ja den Vorteil der Verbeamtung.

Auch dieser Artikel bringt nur neue Fragen. Man muss also auf Dienstag warten.

Aleidis, von edlem Wesen
1 Jahr zuvor
Antwortet  Die Berlinerin

Da haben Sie eine Antwort:
„Martin Klesmann, Sprecher der Bildungssenatorin, teilte indes mit, dass die ab 2023 wegfallende Zulage ohnehin eine Ausnahme gewesen sei. Nur weil Berlin als einziges Bundesland nicht verbeamtet hatte, sei diese ab 2009 für alle Lehrer ab dem ersten Berufsjahr genehmigt worden – um Wettbewerbsgleichheit mit den anderen Ländern zu schaffen. Da der Senat in diesem Jahr wieder zur Verbeamtung zurückgekehrt sei, müsse diese Ausnahme nun beendet werden. Lehrkräfte die bereits mit der Zulage eingestellt worden sind, haben allerdings keine Kürzungen beim Gehalt zu befürchten.“
1600 Euro weniger: Berliner Senat streicht Zulage für künftige Lehrer (berliner-zeitung.de)

Es betrifft also nur die demnächst Neueingestellten!

Last edited 1 Jahr zuvor by Aleidis, von edlem Wesen
Honigkuchenpferd
1 Jahr zuvor

Wie können denn die Jungen an den Alten finanziell vorbeiziehen, wenn für die Neueingestellten nun die Zulage von bis zu 1600,- Euro wegfällt?

Redemptor
1 Jahr zuvor
Antwortet  Honigkuchenpferd

Als „jung“ müssen alle gelten, die unterhalb der kurzfristig großzügig erhöhten Altersgrenze liegen. Und langfristig blieben alle die relativ abgehängt, die Angestellte bleiben wollen oder müssen, und dafür einen – nach Stand der Dinge – doch recht bescheidenen Ausgleich bekommen sollen. Ich hätte das Ding von Anfang an anders geregelt: Verbeamtung grundsätzlich und prinzipiell nur bis 45. Für alle anderen, die die laufbahnrechtlichen Bedingungen erfüllen, einen ordentlichen Ausgleich, der diesen Namen auch verdient, eine bestimmte Anzahl an Schuljahren im Berliner Schuldienst vorausgesetzt, um unerwünschte Mitnahmeeffkte zu vermeiden. Diese Leute würden dann der Bildungsverwaltung auch nicht wegrennen, müssten sich andererseits auch nicht über den Tisch gezogen vorkommen. Dass eine linke Regierung Verbeamtung als Allheilmittel preist, habe ich nie verstanden und es ist auch ziemlich klar, wer das gegen diverse Widerstände durchgeboxt hat.

gehtsnoch
1 Jahr zuvor
Antwortet  Honigkuchenpferd

„Jung“ und kaum/keine Berufserfahrung bedeutet berlinerisch dann also keine Zulage, nett beschrieben als abgesenktes Einstiegsgehalt beim Karriereeinstieg. So wird man Personalmangel ganz sicher in den Griff kriegen, zumindest im theoretischen Teil.

Leistung zahlt sich für das Gehalt immer weniger aus
Was verdient ein Lehrer?

Ron
1 Jahr zuvor

Ein neuer Trick, abgeschaut bei privaten Krankenkassen, die, um preislich konkurrenzfähig zu bleiben, regelmäßig Tarife mit zu viel Älteren „schließen“, diese dann verteuern und gleichzeitig für Junglehrer wieder günstige Neueinsteigeroptionen anbieten. Die Altlehrer gehen jetzt also auch mit inflationsgefährdeten Bezügen in die Pension, die neuen werden durch Hochstufung geködert.