Inklusion: (K)ein Ding der Unmöglichkeit – Studieren mit geistiger Beeinträchtigung

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OTTERSBERG. Amelie Gerdes betritt Neuland: Die junge Bremerin mit Trisomie 21 studiert an der Hochschule für Künste im Sozialen in Ottersberg. Ihr Ziel: der Bachelor. Bundesweit gibt es dafür kaum Vorbilder.

Studierende mit Down-Syndrom sind selten – aber es gibt sie (Symbolbild). Foto: Shutterstock

Amelie Gerdes hat genaue Vorstellungen von ihrem beruflichen Werdegang: Die 18-Jährige möchte Schauspielerin werden – und studieren. Das Abitur hat sie nicht. Das allerdings ist nicht die größte Hürde dabei: Die Bremerin hat Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt.

Dass Menschen mit kognitiven Einschränkungen regulär studieren, ist an deutschen Hochschulen bisher nicht vorgesehen. Sie arbeiten in der Regel nach der Schule in Werkstätten. Wenn Amelie Gerdes nur das Wort Werkstatt hört, wird sie resolut: «Da möchte ich nicht hingehen. Da würde ich unter meinen Fähigkeiten bleiben.»

Stattdessen hat Amelie zum aktuellen Wintersemester an der Hochschule für Künste im Sozialen (HKS) im niedersächsischen Ottersberg zusammen mit drei weiteren jungen Menschen mit Lernschwierigkeiten angefangen in Vollzeit zu studieren. Möglich macht dies das vom Land geförderte Pilotprojekt «Artplus», initiiert vom Hamburger Verband Kunst und Behinderung Eucrea. Alle vier jungen Leute bestanden die Begabten-Prüfung im Sommer, die ein Studium ohne Abitur ermöglicht. Das Ziel der Studierenden mit geistiger Beeinträchtigung ist der Bachelor-Abschluss.

«Bis vor kurzem ist man noch davon ausgegangen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht bildungsfähig sind»

«Tanz und Theater im Sozialen» nennt sich Amelies Studienfach. Tanzen und Theater spielen – das hat sie neben der Schule immer leidenschaftlich gern in unterschiedlichen Projekten gemacht. «Mich interessiert daran, in andere Welten hineinschlüpfen zu können», sagt sie. Sogar in einem ARD-Film hat sie mitgespielt, an der Seite von Alexander Held.

Mit Schauspielerei den Lebensunterhalt verdienen, könnte sich Amelie Gerdes deshalb gut vorstellen. «Das wäre cool, wenn ich mal im „Tatort“ mitspielen könnte.» Ihre Mutter Elke Gerdes ist da etwas pragmatischer. «Es ist gut, wenn sie neben der Schauspielerei noch ein zweites Standbein hat», sagt sie. Mit dem Bachelor in der Tasche könnte Amelie Tanz- und Theaterprojekte leiten. Amelie begann daher zum Ausprobieren an der HKS zunächst als Gaststudentin. Schnell war klar: Dabei möchte sie bleiben. Nun galt es, die letzten Hürden zu überwinden.

«Bis vor kurzem ist man noch davon ausgegangen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht bildungsfähig sind und ihnen daher auch keine Hochschulbildung zusteht», sagt Angela Müller-Giannetti, Projektleiterin des Programms «Artplus». Inzwischen haben schon einige Hochschulen bundesweit Gaststudierende mit geistigen Beinträchtigen aufgenommen. Die HKS Ottersberg geht noch einen Schritt weiter: Als eine der ersten Hochschulen in Deutschland ermöglicht sie ein reguläres Studium.

«Wir kooperieren bereits seit 15 Jahren für Theaterprojekte mit Werkstätten», sagt HKS-Professor Hans-Joachim Reich. Die HKS hat sich zum Ziel gesetzt, inklusive Hochschule zu werden und dauerhaft Menschen mit Behinderung eine künstlerische Ausbildung zu bieten. «Den Weg, den wir mit der HKS gehen, stellt einen Paradigmenwechsel im Hochschulbetrieb dar», betont Müller-Giannetti.

«Das ist die größte Herausforderung: Wie bekommen wir die theoretischen Inhalte in eine andere Form übertragen?»

Die in Otterberg angebotenen Studiengänge haben einen hohen Praxisanteil, wissenschaftliches Arbeiten gehört aber genauso dazu. «Das ist die größte Herausforderung», weiß Professor Reich. «Wie bekommen wir die theoretischen Inhalte in eine andere Form übertragen?» Anfänge sind bereits gemacht. Reich hat im Fach Bewegungsanalyse für abstrakte Begriffe wie Kraft, Raum und Zeit passende Bilder herausgesucht. Für «viel Kraft» nimmt er etwa das Bild eines Gewichthebers.

Für vieles aber sei noch keine Lösung gefunden, zum Beispiel wie wissenschaftliche Texte verständlich gemacht werden können. «Ich finde es schön, dass die Studierenden sehen, dass wir noch nicht fertig sind», sagt Reich. «Es ist eine gemeinsame Aufgabe, das hinzukriegen.» Die jungen Menschen mit Beeinträchtigung bekommen Assistierende zur Seite gestellt, die an der HKS studieren. Sie sammeln dafür Punkte fürs Studium und erhalten ein Honorar. «Beide Seiten werden gegenseitig voneinander lernen können», ist Müller-Giannetti überzeugt.

Hürden gibt es aber auch ganz praktischer Art. Amelie und die anderen Studierenden wohnen in Bremen, die Hochschule ist 35 Kilometer entfernt. Bis Ottersberg fahren sie selbstständig mit der Bahn. Aber dann? Die Studierenden ohne Behinderung nehmen das Rad. Die vier mit geistigen Beeinträchtigungen aber brauchen einen Fahrdienst. «An so etwas Banalem kann das Ganze schon Scheitern», sagt Gerdes. «Da braucht es Menschen, die an einem Strang ziehen und gute Lösungen finden.»

Sieben Semester sieht das Regelstudium bis zum Bachelor vor. «Wir gehen davon aus, dass unsere Studierenden mit Lernschwierigkeiten neun bis zehn Semester brauchen werden», sagt Reich. Ob alle so lange durchhalten, sei nicht absehbar. «Dafür braucht man einen langen Atem.»

Amelie Gerdes aber ist sich sicher: Sie wird es schaffen. «Ich habe so einen Sturkopf. Ich kann alles durchsetzen, was ich will. Und ich weiß ganz genau, was ich will.» Von Janet Binder, dpa

Umfrage: Fast alle Lehrkräfte halten die Inklusion unter den derzeitigen Rahmenbedingungen für nicht realisierbar

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74 Kommentare
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Georg
1 Jahr zuvor

Ich hoffe ernsthaft, dass die Aufnahmeprüfung für die Protagonistin genauso korrigiert wurde wie bei allen anderen ohne Abitur auch. Dasselbe gilt hoffentlich auch für alle anderen Prüfungen im Laufe des Studiums. Ferner hoffe ich, dass die Lehrveranstaltungen aufgrund der vom Professor genannten Vereinfachungen auch in ihrer Gänze weder an Umfang noch an Tiefgang verlieren. Das Bild eines Gewichthebers für den Begriff „Kraft“ erinnert mich eher an Grundschule als an Hochschule.

Konsequenzen?
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Ich hoffe das Sie oder Ihre Familie nicht in solch eine Situation kommen.

Das sie nie ansehen müssen wie ihr Kind leidet, weil Dinge von ihm verlangt werden die es aus gesundheitlichen Gründen nicht leisten kann!

Das ihr Kind nicht unglücklich ist, weil es nicht seinen Fähigkeiten gefördert und gefordert wird!

Ich ziehe meinen Hut vor dem Kind, weil es sich nicht ausgrenzen lässt!

Ich bedanke mich bei dem Direktor, weil er nicht zulässig das das System den Kindern ihr Recht auf Bildung und Teilhabe nimmt!

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Konsequenzen?

All das habe ich nicht abgestritten. Ich habe nur für eine absolute Gleichbehandlung plädiert. Diese junge Dame dürfte in der Gruppe der Trisomie-Menschen unter hochbegabt einzustufen sein. Von daher ist es super, dass sie die Möglichkeit bekommt, sich an einer Hochschule zu beweisen. Der Beweis ist aber nichtig, wenn sie eine Sonderbehandlung bekommt und das Studium nur deshalb besteht. Ob sie sich im Anschluss daran auch in der Berufswelt wird behaupten können — ohne den Trisomie-Bonus der in diesem Artikel nicht nur leise mitschwingt –, wird sich zeigen.

Konsequenzen?
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Das ist keine „Sonderbehandlung „.
Das sind “ Nachteilsausgleiche „.

Fr.M.
1 Jahr zuvor
Antwortet  Konsequenzen?

Was Sie sagen, hört sich sehr schön, human und mitfühlend an.
Ich gebe jedoch Georg recht, weil solche und ähnliche Moralbegründungen seit Jahren für fragwürdige Entscheidungen sorgen und unser Bildungswesen in einen bedenklichen Abwärtsstrudel gebracht haben.

Konsequenzen?
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fr.M.

Welche Bildung?
Wir gendern uns zu Tode!
Kinderbücher werden mit Völkermord verglichen!
Gleichgeschlechtliche Ehe musste erstritten werden!
Usw…….

2022 und Unterrichtsstoff der heute schlicht und einfach nicht mehr benötigt wird, behindert die Inklusion

Julia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Konsequenzen?

Es kann nicht jeder alles. Punkt.
Das liegt an Begabung, Geld, Durchhaltevermögen, kognitiven und anderen Fähigkeiten.
Davor sie Augen zu verschließen, ist Unsinn oder pseudopädagogische Weichspülerei.

Konsequenzen?
1 Jahr zuvor
Antwortet  Julia

Nein! Das ist eine Mutter deren Kind, trotz Schwerbehinderung, in den Hauptfächern überhaupt keine Probleme hat und an dem System zu Grunde geht, weil Ihr Nebenfächer durch den Lehrplan aufgezwungen werden die Ihr gesundheitlich schaden und für Ihren Berufsweg völlig unnötig sind!

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Konsequenzen?

Auf wen beziehen Sie sich? Auf die Studentin aus dem Artikel bestimmt nicht, weil sie andernfalls problemlos das Abitur bestanden hätte.

Krokodilsträne
1 Jahr zuvor
Antwortet  Konsequenzen?

Dann soll sie auswandern, sich in Positionen wählen oder einstellen lassen, wo sie’s ändern kann, ggf. selbst finanzieren.

DerDip
1 Jahr zuvor
Antwortet  Konsequenzen?

Ich hoffe sehr, dass diese Art der Inklusion nur auf Hochschulen der Künste beschränkt bleiben. Stellen Sie sich nur vor, diese Inklusion würde auf Medizinstudenten ausgedehnt, die nach Ihrem Abschluss evtl als Chirurgen arbeiten sollen. Wer würde dann gerne von einer Chirurgin operiert werden, die die wissenschaftlichen Paper nur nach Übersetzung in vereinfachte Sprache versteht.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Georg, Sie müssen nicht die Wörter Kraft (Muskeln), Raum (Kinderzimmer) und Zeit (Ticktackuhr) als solches verstehen, sondern den Inhalt dieser Begriffe! Versuchen Sie doch einmal Kraft, Raum und Zeit ohne Worte und nur durch tänzerische Bewegung zum Ausdruck zu bringen und dem Publikum zu vermitteln, so dass diese am Ende der Vorstellung ganz ergriffen und tiefgründig philosophierend nach Hause schlendern und plötzlich meinen, die Welt verstanden zu haben. Der maskuline Putin, dessen Raum mit der Zeit immer kleiner wird, weil sich eine Solidarität mit der Ukraine Raum verschafft und an Kraft gewinnt, die mit der Zeit stärker wird, alles eine Frage der Zeit…

potschemutschka
1 Jahr zuvor

Bewundernswert der Wille dieser jungen Frau. Ich wünsche ihr und den anderen viel Erfolg und Unterstützung auf dem Weg. Als Sonderschullehrerin habe ich schon oft erlebt, dass Lernbehinderte z. B. in den kreativen Unterrichtsfächern sehr viel Freude und Ideen hatten und mit ihren Händen tolle Ergebnisse erzielten, auch wenn der Koppf manchmal etwas langsamer arbeitete. Das sollte man auf jeden Fall fördern.

DerechteNorden
1 Jahr zuvor

Nichts für ungut, aber es muss doch danach gegen, ob jemand etwas Bestimmtes kann oder eben nicht. Und wenn ein Mensch mit Trisomie 21 das kann, dann stellt sich für mich die Frage, ob dieser Mensch … darf, doch gar nicht.
Allgemein würde ich es aber zweifelhaft finden, wenn Menschen, denen die kognitiven Fähigkeiten fehlen, ein Studium absolvieren dürfen. Jemand mit ESA darf nicht, da nicht lernbehindert, jemand mit ausgewiesener Lernbehinderung darf aber? Sollen dann alle studieren können? DAS müsste dann ja die logische Konsequenz sein, da es sonst unfair wäre. Ob das allerdings sinnvoll wäre, wage ich stark zu bezweifeln.

Cornelia
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerechteNorden

„Sollen dann alle studieren können? DAS müsste dann ja die logische Konsequenz sein, da es sonst unfair wäre.“

So ist es. Sie treffen es auf den Punkt.
Übrigens können ja die nichtbehinderten Geschwister von behinderten Kindern auch nicht alle studieren, was soll man denen sagen???

Konfutse
1 Jahr zuvor
Antwortet  Cornelia

Richtig. Wieso darf mein Kind mit Fachhochschulreife nicht auf die Hochschule für Kunst? Tja, da dürfen nur Absolventen mit Abi hin. Da wird meinem Kind eine Laufbahn verwehrt, die es glücklich gemacht hätte.

Cornelia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Konfutse

Sie sagen es! Ich würde Ihnen gern mehrere grüne Daumen geben!!!

Michael Felten
1 Jahr zuvor

Ein beeindruckender Lebensweg.
Aber auch eine merkwürdige Neigung der Institution.

„Für vieles aber sei noch keine Lösung gefunden, zum Beispiel wie wissenschaftliche Texte verständlich gemacht werden können.“

Ist es – um der Hoffnung „Eigentlich könnten alle alles“ formal Genüge zu tun – wirklich sinnvoll, den Charakter von Wissenschaft generell zu transformieren?

Oder muss sich „Künste im Sozialen“ entscheiden, ob es sich um ein Studium oder eine Ausbildung handeln soll?

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Michael Felten

Künste im Sozialen ist wohl der kognitiv einfachste Studiengang der Hochschule.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Wie ist emotionale Intelligenz denn kognitiv zu bewerten? Davon braucht es in der Dramaturgie nämlich viel.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Mag sein. Nur spielt das in den meisten anderen Studiengängen im Vergleich zur kognitiven Intelligenz keine oder nur untergeordnete Rolle.

Fr.M.
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Das kann und darf auch keine Rolle spielen, weil nicht messbar und darum für ideologische Interessen und Missbrauch bestens geeignet.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fr.M.

Nach der Logig können Sie alles an Kunst abschaffen!

Robert
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Sie verwechseln Äpfel mit Birnen.
Kunst bedeutet nicht, dass jeder, der möchte, ein Anrecht auf ein Kunststudium hat. Mit anderen Fächern ist es genauso.
Kunstwerke schaffen kann und darf jeder. Kunst muss also nicht abgeschafft werden, doch ein Studium ist an Voraussetzungen gebunden.
So sehr ich Ihrer Tochter ein Studium gönne, so sehr schätze ich doch die Einhaltung von Regeln.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Robert

Und wieso gehen Sie davon aus, dass die künstlerischen Leistungen meiner Tochter schlechter seien? Wie gesagt, man kann ohne Abi Kunst studieren, weil das Talent mehr zählt und dies gilt auch für alle Nicht-Beeinträchtigten und ist auch nicht erst seit gestern so. Wenn wir aber nur das bewerten können, was laut @ Fr. M. als harte Fakten auf dem Papier nachweisbar ist, dann wird es in allen künstlerischen Bereichen schwierig. Vor allem im Bereich Schauspiel.

Alex
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Darf ein Schüler, der nur den Hauptschulabschluss hat, aber sportlich sehr gute Leistungen zeigt, Sport studieren?
Darf ein ebensolcher Schüler, der hervorragend Gitarre spielt, Musik studieren?
Dürfen Schulabgänger grundsätzlich studieren, wenn sie in einer Einzeldisziplin begabt sind, ansonsten aber Probleme haben, zB. im Lesen, Schreiben oder Rechnen?

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alex

Das sollte tatsächlich mal hinterfragt werden. Uns gehen immerhin ungenutzte Talente verloren. Aber wie gesagt, bei besonderer Begabung darf man Kunst ohne Abi studieren.

kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor

Liegt nicht ein großes Risiko darin, dass man seit einigen Jahren die Hochschulausbildung über alles andere stellt?
Es müssen nicht alle gleich sein, aber alles, was alle Menschen nach ihren Fähigkeiten gut machen/können, müsste als wertvolles Potential anerkannt werden.
Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Menschen mit irgendeinem Handicap studieren können. Gut. Aber andersherum muss es auch gehen: Nicht jeder, der es könnte, muss studieren, um anerkannt zu werden! Und nicht jeder, der studiert hat, muss nur in diesem Bereich arbeiten. Heute führt ein Austieg aus der akademischen welt aber dann zum Verlust gesellschaftlicher Anerkennung, zum Verlust der Existenzgrundlage…
Gerade Lehrer könnten – wenn sie irgendwann den klassischen Schuldienst leid sind oder ihn nicht mehr leisten können – ihre an der Hochschule erworbenen theoretischen und weitere praktische Fähigkeiten auch anderweitig mit Gewinn für die Gesellschaft einbringen.

Auch praktische Fähigkeiten – die uns vielleicht nochmal sehr nützlich sein könnten, wenn unsere „moderne“ Welt weiter aus den Fugen gerät – sollten gleich viel wert und genauso anerkannt sein wie in Studium.
Deshalb müssen sie aber nicht einem Studium gleichgestellt sein. Jemand, der besondere Fähigkeiten hat, die der Gesellschaft dienen, sollte genauso „angesehen“ sein wie jemand, der an der Hochschule zum Arzt, Anwalt oder sonstwas ausgebildet wurde. Ich denke insbesndere z.B. an Kenntnisse und Fähigkeit zur Ausübung alter Handwerkstaditionen, in der Landwirtschaft, im Umgang mit Tieren, praktische Kenntnisse der Natur, nutzbarer Pflanzen etc. und die Fähigkeit, diese Kenntnisse weiterzugeben.
Wir brauchen nicht mehr Hochschulzugangsberechtigungen, sondern mehr Anerkennung von Wissen und Können auf allen Bereichen.
Nur ein Beispiel: Wir sind abhängig von Öl und Gas. Wissenschaftler suchen nach Alternativen aus dem Labor. Derweil gibt es kaum mehr Menschen, die wissen, wie man einen realen Wald nachhaltig bewirtschaftet, wie man ein Rückepferd ausbildet, einen effektiven Holzofen baut etc.

Emil
1 Jahr zuvor

Nun ja, mögen im Sinne der Gleichberechtigung demnächst auch alle Hauptschüler durchs Mathestudium gezogen werden.

Sicherlich kann man auch dort wissenachaftliche Begriffe in Bilder übersetzen. Wenn mann will.

Macht natürlich nicht so viel Publicity wie GB durchs Studium zu ziehen.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Emil

Auch wenn Mathematik als Beispiel schlecht gewählt ist, gebe ich Ihnen in der Sache recht. Über die tatsächliche kognitive Leistungsfähigkeit der Studentin wissen wir nichts.

Es gab aber vor einiger Zeit ein Porträt einer ebenfalls Trisomie-Patientin, die als Journalistin arbeitet. Ihre Texte waren vom Stil her (Satzbau, Wortschatz, kaum Nebensätze) sehr einfach. Dabei kann man auch bei ihr von einer außergewöhnlich hohen Begabung innerhalb der Trisomie-Menschen ausgehen.

Auf Basis dessen, der Umbauten der Vorlesung und dem sicherlich überschaubar anspruchsvollen Studiengang an sich, darf man von begrenzter Leistungsfähigkeit der Studentin aus dem Artikel im mathematischen oder allgemeiner kognitiven Fächern ausgehen.

Emil
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Ohne Ironie: Wenn eine Gesellschaft es sich leistet, einfachste Begriffe wie Raum und Kraft auf Kindergartenniveau zu übersetzen und das Ganze dann Hochschule und Studium nennt, warum dann nicht auch Kurvendiskussion auf Grundschulniveau? Wir fördern doch alle, oder? Die Sinnfrage darf man dabei aber nicht stellen. Und finanzieren tut ja der Steuerzahler. Also quasi gratis.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Emil

Den Algorithmus der Kurvendiskussion kann man Siebst- oder Achtklässlern beibringen. Sie wissen dann zwar nicht, was sie da warum machen, aber sie schaffen es. Das gilt allerdings auch für einen sehr guten Teil der Oberstufler.

Knalltütencho
1 Jahr zuvor
Antwortet  Emil

Plumper Denkanstoss
Kriegt so wie es scheint keinerlei einfachste Arbeitszeiterfassung auf die Kette,
schafft nicht einmal eine Grundlage an Arbeitsschutz durchzusetzen,
aber macht hier den Lauten gegen eine Minderheit, den Menschen der Gesellschaft mit kognitiven Handicap.

Eine Behinderung zählt scheinbar nur etwas zum Ziel als GdB. einer vorzeitigen Pensionierung.

Beschämend für die Berufsgruppe.

Cornelia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Ich kenne viele Menschen mit Trisomie 21. Darunter ist niemand, der die Hauptschulabschlussprüfung geschafft hat. Auch sonst ist mir das noch nie zu Ohren gekommen. Sie haben recht, Menschen mit Trisomie 21 haben ein sehr unterschiedliches Begabungs- und Leistungsspektrum. Oft hängt das mit zusätzlichen Erkrankungen zusammen. Heute erfahren alle eine sehr gute Förderung von klein auf. Trotzdem lernen einige nie sprechen. Alle nichtsprechenden, die ich kenne, sind einige Wochen zu früh zur Welt gekommen, inklusive meine jüngste Tochter.
Ich freue mich natürlich für alle, die sich sehr gut entwickeln, auch für diese junge Frau, die eine anspruchsvolle Ausbildung machen kann. Natürlich kann man das auch „studieren“ nennen, wenn man es als „planvolle Beschäftigung mit einer Sache“ ansieht und die kognitive Seite außen vor lässt bzw. durch andere Methoden kompensiert. Die Frage ist, ob man dann nicht jede Ausbildung „Studium“ nennen muss?

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Cornelia

Eben. Genauso, wie es bei gesunden Menschen eine große Streuung von Intelligenz und Begabung gibt, gilt das auch bei Menschen mit Trisomie. Die Studentin aus dem Artikel ist halt hochbegabt. Trotzdem dürfte sie unter Realbedingungen kaum über ein Realschulniveau hinaus kommen.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor

Versteht ihr hier vor lauter Missgunst wieder garnichts? Nein, Leute, keine Angst, sie wird nicht Medizin studieren. Denn dafür sind genau die kognitiven Fähigkeiten nötig, die einer Person mit Trisomie eben fehlen. Im Fach KUNST! (ja, darum geht es!!!) braucht es vor allem BEGABUNG! Das(Begabung) ist das, was alle Akademiker gerne hätten, was man aber leider nicht aus Büchern lernen kann und so kann es sein, dass ein Matheprofessor nicht mal im Takt klatschen kann. Menschen mit geistiger Beeinträchtigung können außerordentliche künstlerische Begabungen haben, so wie meine Tochter im Zeichnen, aber auch singen und Theater spielen. Auch wir wollen schauen, ob sie Kunst studieren kann. Dafür muss sie kein Abi haben. Sie muss Talent haben und eine Mappe mit Bildern anlegen, nach derer Beurteilung sie zugelassen wird oder nicht. Es gibt aber NEBENSÄCHLICHE Probleme. Sie muss bestimmte Begriffe, Erklärungen verstehen, damit sie weiß, was zeichnerisch von ihr verlangt wird. Sie muss sich auch im Gebäude zurecht finden und dort überhaupt erst einmal hinkommen. Das ist dasselbe, wie wenn man zum Zeichnen eine Brille benötigt und da muss keiner „Panik“ kriegen, dass demnächst einer ohne seine benötigte Brille operieren darf. Wenn man gut zeichnen kann, kann man gut zeichnen. Ob man seine Brille braucht oder eine vereinfachte Übersetzung für das, was der Lehrer sich genau vorstellt ist dabei völlig irrelevant! „Heute malen wir Aktbilder“ vs „Heute sollt ihr eine nackte Person malen“ – als Lehrer besteht man sein Studium wahrscheinlich, wenn man weiß das Akt=nackt ist, im Kunststudium besteht du wenn du die nackte Person gut malen kannst.

TaMu
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Es sollten aber auch hier keine Nachteile für „ganz normale“ Kinder und Jugendliche entstehen, die ohne attestierte Schwächen nicht studieren können, weil ihre Noten in den Hauptfächern es nicht hergeben und sie deshalb „nur“ einen Realschulabschluss haben, obwohl sie in Bildender Kunst herausragend begabt sind.

Emil
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Mit ganz normalen Kindern bekommt man aber leider keine Schlagzeilen. Traurig, aber Realität.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Das ist auch nicht der Fall!

An einer Schauspiel – oder an einer Kunstschule zählt an erster Stelle die Begabung und nicht, ob man mit Mathe durchs Abi gerasselt ist, das gilt genauso für Nicht-Beeinträchtigte. Man wird bei besonderem Talent mit jedem Zeugnis genommen, das gilt für alle! Es kann lediglich sein, dass Personen mit Abitur trotz schlechterer Begabung im Vorteil sind, was im Grunde in diesem Fachbereich nicht richtig ist. Es ist also nicht Unrecht, wenn Leute ohne Abi genommen werden, sondern umgekehrt, wenn Leute nur wegen ihres Abitur genommen werden.

Viele Lehramt Studenten trauen sich Musik oder Kunst als Fach übrigens deshalb auch nicht zu ,da gibt es nämlich die Eignungsprüfung. Da zählt dann nicht Wissen, sondern Talent.

Der Unterschied bei beeinträchtigten Personen ist nur, dass sie sich auch noch im Gebäude, im Stundenplan ect zurecht finden müssen und deshalb ein Unterstützung brauchen. Dies tut der Begabung keinen Kratzer an.

Das Ganze mit der laut Georg bezeichneten „Ungleichbehandlung“ gibt es nebenbei auch Umgekehrt: Wenn ich mich nicht irre, müssen Leute, die Kunst auf Lehramt studieren, weniger Talent vorweisen und das Wissen rückt in den Vordergrund. Grund ist, dass sie ja nicht vorhaben, ihre Werke auf den Markt zu bringen, dass Wissen rund um das Thema Kunst aber im Unterricht zur Anwendung kommt. Ein Künstler dagegen, der seine Bilder verkaufen möchte, muss eben herausragend gut zeichnen können (viel besser als eine Kunstlehrerin), ob er auch weiß wer Picasso war oder das man den Pinsel Pinsel nennt ist praktisch egal.

Robert
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Das ist leider wahr. „Ganz normale Kinder“ werden leider oft vergessen, weil sie nichts hergeben für Schlagzeilen und Eigenwerbung.
In unserer Moralin gedopten Zeit stellt man gern Nächstenliebe zur Schau und schließt die Augen vor den vielen Menschen, die unauffällig sind, aber nicht unbeachtet bleiben dürfen, sonst bekommen Humanität und Gerechtigkeit eine Schlagseite, die für Bitterkeit sorgt.
Pharisäische Nächstenliebe hat einer Gesellschaft noch nie gut getan. Sie mästet eine Helfer/innen-Industrie, die im Laufe der Zeit aus allen Nähten platzt und die Steuerzahler überfordert.
„Zu sozial ist unsozial“, hat Ludwig Erhard, der Vater unserer Sozialen Marktwirtschaft einst gesagt. Diese Wahrheit ist leider in Vergessenheit geraten.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Robert

Menschen mit Behinderungen gehören zu den unsichtbarsten in unserer Gesellschaft – weit hinter lgbti* (die Info habe ich übrigens von queer.de!) und können zudem am wenigsten für sich selber sprechen. Wenn es hier um lgbti* geht, beklagt ihr euch, dass Andere (zB Behinderte) doch viel eher Sichtbarkeit bräuchten. Jetzt geht es um diese, da sind die Behinderten die bösen, die den armen Nicht-Beeinträchtigte die Show stehlen. Am Ende sollen wir glauben, dass der weiße cis-Mann die diskriminierteste Person schlechthin ist und das Gymnasium die größte Unterstützung bekommen sollte. Heuchlerisch!

Emil
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Ponybesitzer sind naiv. Im Bildungsbereich sind sie überflüssig. „Heu für alle!°

Emil
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Selbsthilfegruppe! Sag ich ja!

Emil
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Lassen Sie Ihre GB Tochter doch Ponys mit ausgefahrem Schlauch zeichnen. Vielleicht finden Sie jemanden, der das als Akt-Zeichnung akzeptiert.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Emil

Emil, ich zweifel bei niemanden hier das Lehramt mehr an, als bei Ihnen. Sie können nur beleidigen, über Eltern und Erzieherinnen lästern. Sie sind vermutlich ein gescheiterter Lehramt Student oder gescheiterter Lehrer aber gewiss nicht im Beruf tätig, dafür reagieren Sie viel zu unreflektiert, emotionalisiert und unprofessionell. Allein der Vorschlag, meine Tochter soll das Genital eines Hengstes (auch genannt „Schlauch“, weiß die Redaktion vermutlich nicht) zeichnen um etwas Aktbild nennen zu können, ist so unter Lehrer niveau, dass sie keine drei Tage in dem Beruf durchstehen würden. Ich vermute, sie geben gerne anderen die Schuld an Ihrer Lage und das sind Ihrer Meinung nach Ihre (eigenen) Eltern und Ihre Erzieherinnen? Aber was genau ist Ihr Problem mit mir, dass Sie mir überall hier nachstellen und gleich dreimal auf mich antworten müssen? Habe ich irgendwann den Finger in die Wunde gelegt? Setze ich mich so für meine Kinder ein, wie Ihnen das nie widerfahren ist?
Wissen Sie, dass Aktbilder ein zentraler Teil im Lehramt Studium Kunst sind? Ich will Sie ja jetzt nicht noch provozieren, aber ich habe auch ein großes Talent zum zeichnen, meine Tochter hat das wohl von mir geerbt, und mein letztes Bild war tatsächlich ein Aktbild. Natürlich habe ich eine Frau gemalt – „Schläuche“ sind mir zu langweilig.

Marion
1 Jahr zuvor
Antwortet  Emil

Dreimal roter Daumen von mir, Emil. Das ist echt unter aller Sau.

Alla
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Das ist keine Schauspielschule. Der Studiengang gehört in den Bereich der Tanz- und Theaterpädagogik. Die Studenten werden dazu befähigt, Theater- und Tanzprojekte für bestimmte Bevölkerungsgruppen zu entwickeln und zu leiten: Schulen (für bestimmte Fächer), Brennpunkt, Forensik, Unternehmen….
Das hat die Mutter von A. Gerdes ja auch richtig erkannt.
Netzwerke werden schon im Studium aufgebaut, da die Abgänger meist freiberuflich arbeiten.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alla

Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Studentin aus dem Artikel Theaterprojekte entwickeln, produzieren usw. kann.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Oh doch! Wenn es um Kunst, emotionale Intelligenz und Intuition geht, kann kognitive Intelligenz sogar im Wege stehen. Der pragmatische Mathelehrer, der für alles im Leben eine Rechenformel hat, ist in der Regel nicht so ein guter Künstler. Menschen mit Trisomie haben oft ganz große Fähigkeiten im Ausdruckstanz und wenn es um abstrakte Fähigkeiten geht. Moderne Kunst, Emotionen auf das Papier bringen, bei all dem stört der Verstand!

Mika
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

In Bezug auf die Mathematik irren Sie. In nahezu jeder Kunstrichtung lebt Mathematik, genauso wie in der Natur. Denken Sie an Musik – das ist Mathematik pur, denken Sie an Malerei – die Lehre von den Proportionen, denken Sie an plastisches Gestalten und die Gesetze des Raumes, den Goldenen Schnitt! Überall finden sich die Gesetze der Mathematik wieder, und gerade zwischen Künstlern und Mathematikern sind die Grenzen fließend. Denken Sie an Bach, Einstein, da Vinci, Escher, Botticelli – das waren herausragende Künstler und ebenso herausragende Mathematiker (und das ist nur eine kleine Auswahl). Gerade der von Ihnen so bezeichnete pragmatische Mathelehrer, der die Mathematik liebt und die Gabe hat, die Formel hinter den Dingen zu sehen, hat die besten Voraussetzungen, ein begnadeter Künstler zu sein – ist er doch in der Lage, diese Formel in anderen Zusammenhängen anzuwenden, sei es Beschreibung von Natur, die graphische oder plastische Darstellung oder in der Musik.

Last edited 1 Jahr zuvor by Mika
Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mika

Jaein! Es gibt zwei Dinge, die einen Musiker ausmachen. Das eine ist der motorisch praktische Teil. Hier sind mathematische Fähigkeiten und hohe Speicherkapazitäten im Kopf (in der Sache ist der Akademiker im Vorteil) wichtig. Notenlesen ist wie Mathe, ja.

Der andere Teil ist aber gerade der künstlerische Teil der Musik! Das Gehör, das Gefühl für Musik, die freie Improvisation. Weniger kann mehr sein. Man denke an „Schlafes Bruder“ als der Musikgenie als Junge einfach nur eine Taste drückt und immerzu diesen Ton genießen will. Der richtige Ton an der richtigen Stelle, damit der Zuhörer Gänsehaut bekommt bzw die richtigen Emotionen geschürt werden.

Gerade junge Studenten verstehen das nicht und veranstalten eine Art Wettbewerb, wer am schnellsten und kompliziertesten auf dem Klavier rumdudeln kann, sei angeblich der tollste Musiker. Dabei kann eine simple Melodie zum richtigen Zeitpunkt die richtige Emotion schüren und nicht dieses rumgedudel in Lichtgeschwindigkeit.

Manchen liegt mehr das Eine, manchen mehr das Andere. Jemand, der herausragend nach Noten spielen kann, aber es nicht ohne diese Vorlage könnte, ist meiner Ansicht nach ein guter Musiker – aber kein Künstler! Ein Künstler wiederum, der das richtige Gefühl für Musik hat, aber nicht die praktischen Fähigkeiten, kann seine Kunst nicht umsetzen. Am besten besitzt man also beide Fähigkeiten. Trotzdem ist das gekonnte schnelle Erfassen des Notenblattes eben die Technik – und nicht die Kunst.

Bei dem typischen Mathelehrer, bei Ingenieuren und Anderen hat man oft das Gefühl, sie betrachten das Leben wie eine Matheaufgabe. ZB bei zwischenmenschlichen Angelegenheiten, wenn Empathie gefragt ist, in der Erziehung ect. Da kann man nicht einfach eins und eins zusammen zählen und hat dann das Ergebnis. Menschen sind dafür zu komplex. Genauso kann man in der Musik nicht einfach festlegen, wann genau man einen Halbton höher gehen muss, damit der Zuhörer ergriffen wird, dafür ist Kunst zu komplex.

Mika
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Ich denke, Sie verstehen nicht, was ich meine. Mathematik hat mit Notenlesen nichts zu tun, Rechnen ist nicht Mathematik. Mathematik ist nicht gleichzusetzen mit Matheaufgaben aus der Schule. Mathematik ist die Lehre von den universellen Zusammenhängen, vom ordnenden System, welches hinter allem steckt. Dazu braucht man zwingend Kenntnisse des Rechnens, aber Mathematik geht weit, weit darüber hinaus. Ein Tischler muss die Säge einsetzen können, aber sein Handwerk, das fertige Produkt geht weit darüber hinaus. Ohne Sägen jedoch ist er nicht in der Lage, seine Kunst zu zeigen.
Mathematiker und Mathematiklehrer, die ihre Mathematik lieben, suchen diese Zusammenhänge zwischen den Dingen, und damit auch den Grund, warum wir den Halbton zu hoch, die Prise Salz zu viel, den eigentlich unmöglichen Farbkontrast in bestimmten Zusammenhängen als genau richtig empfinden, und können das Wissen darum anwenden. Also reden Sie bitte nicht von Mathematikern als emotions- und empathiearmen Menschen – das sind diese genausowenig oder viel wie der Rest der Bevölkerung.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mika

Es gibt Menschen, die mehr mit der künstlerisch-emotionalen Hirnhälfte denken und welche, bei denen arbeitet mehr die technisch-sachliche Hirnhälfte. Beides ist für jeweils etwas gut und beides ergänzt sich. Ein emotionalisierter Mensch kann schlecht Jurist werden. Jemand, der mehr mit der künstlerisch-emotionalen Hirnhälfte denkt, kann gut einen sozialen Beruf ausüben, weil er sich tiefgründiger mit Emotionen beschäftigt. Bevor Sie aber meinen, dies sei eine Wertung : Der emotionale Mensch ist von Vorteil, wenn es um positive Emotionen geht – aber – er steigert sich genauso auch mehr in negative Emotionen hinein! Einem Angeklagten, dem Unrecht geschieht täte so ein emotionaler Mensch, der es gut mit ihm meint, also gut. Der emotionale Mensch ist aber genau das Gegenteil, wenn er sich in Hass (auch eine Emotion!) reinsteigert und dann blind urteilt. Deshalb braucht es als Juristen den kühlen, sachlichen Typ – auch wenn der einem oft zu unempathisch ist. Das hat mit „besseren“ oder „schlechteren“ Menschen überhaupt nichts zu tun und bedeutet auch nicht, dass der „typische“ Jurist weniger Gefühle oder Empathie hat. Er mist ihnen aber mitunter eine andere Bedeutung bei und geht alles oberflächlicher an!

Was Sie eben beschrieben haben, zeigt doch genau das, was ich gemeint habe. Vielleicht möchte derjenige, der die Mathematik liebt auch herausfinden, warum man sich verliebt und kommt zum Ergebnis, dass es einer Zusammensetzung aus Gerüchen, Kindheitserinnerungen, Eigenvorteil, Unerreichbarem, ect bedarf. Und dann ist da noch das entscheidende gewisse Etwas – und dass kann man dann doch nicht messen und einordnen. Genau das ist doch „das Leben als Matheaufgabe verstehen“. Und mit solchen „Rechnungen“ kann man eben sehr unempathisch werden. Anhand solcher Rechnungen Menschen einzuordnen, Verliebtheit konstruieren, Kunst zu schaffen – wird nicht funktionieren. Kunst kann man eigentlich auch garnicht lernen! Man kann nicht durch eine Ausbildung zum Künstler werden.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Ich ergänze noch : Unempathisch denken /handeln ist nicht gleich unempathisch sein!
Und PS :Ich finde es auch interessant zu ergründen, warum man zB sich verliebt.
Ich komme aber zu dem Schluss, dass es am Ende nach allen Rechnungen sowohl in der Kunst als auch in zwischenmenschlichen Angelegenheiten als auch beim Ergründen „woher wir kommen, warum wir da sind, wie alles anfing, was vor dem Urknall war,…“ die Rechnungen an ihre Grenzen kommen. Der Rest ist Esoterik und diese, würde ich sagen, das Gegenteil von Mathematik…?
Beispiel : Alles entstand durch den Urknall – und wo kam der her? Was war davor? Ein Gemisch aus Gasen…. und wo kamen die her? Das kleinste Teilchen ist ein Atom…. und durch was entstand wiederum dieses? Wir können wirklich bis in die kleinsten Teilchen erforschen und kommen mit der Zeit bestimmt noch viel weiter und trotzdem nie an den „Anfang“ – somit bleibt der Anfang ein Wunder! Das wir den Anfang nicht ergründen können liegt auch nicht an unseren fehlenden Fähigkeiten, sondern ist in sich logisch, so wie ein Kreis keinen Anfang hat. Glaube hin oder her, aber Esoterik existiert! Und diese braucht es auch in der Kunst, in der Liebe, weshalb diese eben nicht berechenbar ist.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Und Musik ist definitiv nicht Mathematik pur! Musik weckt Emotionen, Mathematik ist Emotionslos!

Mika
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Mathematik ist emotionslos? Okay, Sie verwechseln immer noch Rechnen mit Mathematik. Sei‘s drum, geht etlichen so, die ihr Vorurteil gegenüber der Mathematik pflegen, weil sie sich nie ernsthaft mit ihr beschäftigt haben. Ich finds schade, und wünsche Ihnen, dass Sie irgendwann mal erfahren, wie wunderbar Mathematik ist.

Cornelia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mika

Notenlesen hat sehr wohl was mit Mathematik zu tun. Denken sie an ein vierstimmiges Musikstück, das man vom Blatt spielt. Gleich im richtigen Tempo. Zumindest sind mathematische Fähigkeiten für jeden musikbegabten Menschen von Vorteil, auch wenn das nicht im Umkehrschluss heißt, dass jeder Mathematiker eine musikalische Begabung hat. Ich kenne viele Musiker, die Mathematik und Musik studiert haben.
Wer den Tonsatz eines Stückes rasch analysieren kann, hat auf jeden Fall bessere Möglichkeiten, seine Musikalität zu entfalten.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Cornelia

Richtig. Taktgefühl aber ist ein „Gefühl“ – da hilft einem Mathematik nicht weiter. Egal wie gut man versteht was Viertel und Achtel ect sind, man muss es im Gefühl haben und kann nur dann richtig im Takt sein. So, wie wenn man es im Gefühl haben muss, wie lang genau eine Sekunde dauert.

Cornelia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Ja, ich schreibe ja, dass nicht automatisch jeder Mathematiker musikbegabt ist. Musikalität ist eine Begabung, die meiner Meinung nach unabhängig von mathematischer Begabung vorkommt.
Bei meiner Tochter fällt auch auf, dass sie besonders auf Musik und Töne, Geräusche aller Art reagiert. Das fängt an bei Vogelstimmen, auch wenn drum herum eine Geräuschkulisse ist, diese kann sie herausfiltern.
Ihr Rhythmusgefühl ist sehr ausgeprägt, und sie kann ausdrucksvoll tanzen. Sie erspürt schon im Vorhinein, wann eine Kadenz kommt, und drückt das durch ihr Klatschen oder ihren Tanz aus. Sie hört mit hoher Konzentration Violinkonzerte von Bach vom ersten bis zum letzten Ton an, wird aber beim darauffolgenden Interview ärgerlich, denn sie kann damit nichts anfangen.

Mika
1 Jahr zuvor
Antwortet  Cornelia

Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt: Indra hat die Mathematik in der Musik aufs Notenlesen reduziert: das trifft es jedoch mitnichten und ist viel zu kurz gefasst. Ich bin (wie Sie, denke ich) der Ansicht, dass Musik von Mathematik durchdrungen ist.

Cornelia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mika

Stimmt, Sie haben recht. Ihren ersten Kommentar habe ich leider erst danach gelesen. Da beschreiben Sie die Zusammenhänge zwischen Kunst, Musik etc. sehr zutreffend. Indra meint wahrscheinlich, dass hochmusikalische Menschen nicht unbedingt gute Mathematiker sein müssen, um Ihre Musikalität ausdrücken zu können.
Allerdings denke ich, sie haben es schwerer, ihre Fähigkeiten zu entfalten, und werden deshalb oft übersehen. Und wir wollen natürlich immer das vollendete Kunstwerk. Immer die Höchstleistung. Und mehr Begabungen und Intelligenz ein Mensch hat, desto mehr kann er auch seine musischen Fähigkeiten entwickeln, WENN er sie hat .

Cornelia
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mika

„…. und je mehr Begabungen…..“ muss es natürlich heißen.

potschemutschka
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Ihr Vorstellungsvermögen scheint tatsächlich nicht sehr stark ausgebildet zu sein. Sie können sich ja auch nicht vorstellen, dass es intelligente Migranten gibt und Frauen, die sich für Mint-Fächer interessieren. Macht nichts, denn „Nobody is perfect!“

TaMu
1 Jahr zuvor

Vielleicht braucht es speziell für geistig Behinderte Schulabschlüsse, Ausbildungen und Studien mit dem Zusatz „integrativ“ oder ähnlichem. So könnten Menschen mit geistiger Beeinträchtigung oder mit sonstigen Einschränkungen punktgenau ihren Fähigkeiten entsprechend Studiengänge oder Ausbildungen antreten, ohne die allgemeine Hochschulreife oder allgemein ansonsten notwendige Fähigkeiten vorzuweisen. Sie könnten dann in dieser „Schmalspurversion“ ihren tatsächlichen Fähigkeiten entsprechend ausgebildet auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen, ihre Talente auch zum Wohl der Allgemeinheit entfalten und wahrhaftig integriert selbständig und anerkannt leben. Es gäbe sicherlich einige Laufbahnen, die bei dem Abschluss „integrativ“ nicht möglich wären, wie beispielsweise Medizin, aber gleichzeitig viele Berufe, denen besondere Begabungen gut tun könnten. Ich denke dabei an Sport und Spiel, möglicherweise auch an
Massagen und Kosmetikbehandlungen, vielleicht auch Haarschnitte- und Behandlungen, an Mode, Design und Kunst, an Pflanzen und Landwirtschaft und vieles mehr.
Was nach meiner Ansicht enden muss, ist das System „Werkstatt für Behinderte“ in der bisherigen, fast ausschließlichen Form. Da hatte Amelie Gerdes vollkommen Recht. Begabten geistig Behinderten wird die Werkstatt nicht gerecht, weder in der Arbeit als solche noch in der Unterstützung der Selbstständigkeit, vor allem auch finanziell. Ich bin dafür, dass behinderte Menschen ihr eigentliches Talent beruflich einsetzen sollen, aber tatsächlich mit einer Kennzeichnung, die auf der einen Seite diesem speziellen Talent den vollen Respekt erweist und auf der anderen Seite nicht zu Wettbewerbsnachteilen für nicht behinderte Absolventen führt.

Emil
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Nein, braucht es nicht. Denn jedem einigermaßen klar denkendem Mensch ist klar, dass eine geistige Behinderung ein Ausschlusskriterizm für ein Studium ist. Es ist lediglich ein Akzeptanzproblem überkandiedelter Eltern/Eliten, die die Grenzen ihrer Brut nicht erkennen. Und der Steuerzahler darf zahlen.

Marion
1 Jahr zuvor
Antwortet  Emil

Woher wollen sie wissen, was klar denkenden Menschen klar ist? Aus eigener Erfahrung ja wohl nicht.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Marion

Kennen Sie die Szene aus „Rain Man“, wo der inselbegabte Protagonist gefragt wird, welcher Tag gerade ist?

Eben.

Alle Menschen verdienen Respekt und eine angemessene Behandlung. Ist eh jedem klar.

Und bis auf (letztlich die Realität verzerrende) Einzelfälle sind tatsächlich schwer behinderte Menschen eben NICHT gleich zu allen anderen und „funktionieren“ auch mit noch so krassen Inselbegabungen nur in einem künstlich massiv umstrukturierten Umfeld, dass letztlich das Chaos der Realität aushebelt.

Und das ist jedem klar denkenden Menschen bewusst.

Da ändert auch noch so viel Moral und Emotionen nix dran. Und rote Daumen auch nicht.

Letztlich kann nämlich nurveine rationale, auf klassischem westlichen Denken beruhende Gesellschaft die Überschussressourcen erarbeiten, um diesen Menschen überhaupt helfen zu KÖNNEN.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

Dann erklären Sie doch einmal, warum eine geistig beeinträchtigte Person, die zB für Zeichentrickfilme perfekte Figuren zeichnen, entwerfen und gestalten kann (möglicher zukünftiger Beruf nach einem Kunststudium) , dies nicht tun soll, nur weil sie kein Algebra kann und keine Fremdsprache versteht? Das Problem ist nicht, dass diese Person nicht Kunst studieren könnte, sondern dass sie dafür ins Raster des normalen Akademiker gepresst werden soll, obwohl dies für die Sache selber irrelevant ist! Bei anderen Studiengängen sähe dies anders aus.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Marion

Ich finde es durchaus plausibel, dass eine geistige Behinderung ein erfolgreiches Studium unter Normalbedingungen unmöglich macht. Erklären Sie doch mal Ihre Bedenken.

Marion
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Ich erkläre hier gar keine Bedenken. Lesen sie Emils Kommentare hier im Forum, dann versteht sich meine Antwort darauf von selbst.

gehtsnoch
1 Jahr zuvor
Antwortet  Emil

„Überkandiedelter“ … scheins einfach nur zuviel Klaren – Umgangssprachlich benutzt auch für Kornbrand – genippt, was dann entschuldigend überschrittene Grenzen und Irrtümer nach 22 Uhr erklärt.

Jan
1 Jahr zuvor
Antwortet  Emil

Beleidigend und menschenverachtend – geht hier gerne mal durch …

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Nein, der Zusatz integrativ würde suggerieren, dass die Person zwar die gleichen Noten oder Abschlüsse erhält, dies aber nicht gleich zu werten ist, weil sie in Wahrheit weniger kann. Das wäre quasi ein Scheinzeugnis für eine Paralellwelt.
Meine Tochter malt als geistig behindertes Kind besser, als ihr gesamter Regelschuljahrgang, also wäre das ungerecht!
Umgekehrt würde es ihr auch nichts bringen, in den Fächern, die sie nicht kann, eine Note zu bekommen mit dem Zusatz, dass die Note eigentlich garkeine ist. Wozu wäre das gut? Man hätte eine Scheinnote, die keinen Wert hat und könnte damit im späteren Leben auch nichts anfangen.
Ich bin dafür, dass meine Tochter in den Fächern Noten bekommt, die sie genauso gut oder besser wie Andere kann und in den anderen Fächern nicht und das sie dann diesen Fähigkeiten entsprechend beruflich etwas machen kann.

Der Zusatz, dass es sich um eine geistig behinderte Person handelt, ist aber aus ganz anderen Gründen wichtig : Es kann sein, dass so eine Person in der Lage wäre, den Führerschein zu schaffen. Bei GB Personen kann Wissen aber auch plötzlich nicht mehr abrufbar sein oder etwas unvorhergesehenes kann zu einem „Blackout“ führen. Auch das Reaktionsvermögen ist langsamer. Es wäre somit sehr gefährlich, wenn die Person bei der Führerscheinprüfung nur einen guten Tag hatte.

Es kann auch sein, dass eine GB Person den Hauptschulabschluss schafft. Der Arbeitgeber geht anhand des Zeugnisses dann von einer selbständigen, erwachsenen Person aus, der man entsprechend Verantwortung übertragen kann. Die GB Person hat zwar Matheformeln verstanden und beherrscht die Rechtschreibung, ist aber nicht in der Lage mehr Verantwortung zu übernehmen als ein zwölfjähriges Kind. Wäre zB gefährlich, wenn man im Zoo arbeitet.

Also, der Hinweis auf die Behinderung, damit klar ist, dass die Person nicht die Selbständigkeit eines erwachsenen Menschen hat und wenn die Person Kunst sehr gut kann, Englisch aber nicht, dann kann sie halt Zeichnerin bei Disney werden, aber nicht Dolmetscherin,dies würde sich auch durch Scheinnoten nicht ändern.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Einem Extrazeugnis für geistig Beeinträchtigte ginge die selbstverständliche Annahme voraus, dass geistig Beeinträchtigte in ALLEM schlechter seien als andere Menschen und somit alle Noten nicht vergleichbar mit denen anderer Menschen seien. Dies ist aufgrund von Inselbegabungen definitiv nicht der Fall! Eine 1 in Kunst würde dann auf so einem Zeugnis nicht ernst genommen.