„Krankenstand in Schulen und Kitas hoch wie nie“: GEW-Streik gegen Arbeitsbedingungen

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Fenster auf, liebe @SenBJF Wir sind heute wieder mehr als 2500 Streikende. #kleinereKlassen 🤜 pic.twitter.com/B323kAw7j5

— GEW BERLIN (@GEW_BERLIN) December 15, 2022

Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beteiligten sich 2500 Lehrerinnen und Lehrer, Sozialpädagogen und Schulpsychologen an dem ganztägigen Ausstand. Die Bildungsverwaltung zählte 1750 Lehrkräfte im Warnstreik. Die GEW wollte damit ihre Forderung nach kleineren Klassen und einem entsprechenden Tarifvertrag untermauern.

„Wir wollen mit dem Senat verhandeln: Über Arbeitsbedingungen, die nicht krank machen“, erklärte Udo Mertens, Leiter des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik. Er rief Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) dazu auf, endlich mit der GEW zu sprechen. „Herr Wesener ist als Arbeitgeber für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Berlin zuständig. Er ist verantwortlich für deren Arbeitsbedingungen. Wir lassen es nicht durchgehen, dass er sich hinter seinem Arbeitgeberverband versteckt.“

Die Wahlwiederholung steht vor der Tür und es ist an der Zeit, dass sich die Parteien an ihren Versprechen messen lassen – meint die GEW. „Alle drei Regierungsparteien haben das Ziel kleinerer Klassen in ihren Wahlprogrammen – passiert ist seit der letzten Wahl jedoch rein gar nichts“, erklärte Anne Albers, Leiterin des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik. „Auch der Landeselternausschuss hat sich mit den Forderungen der GEW solidarisiert. Die ganze Stadt wünscht sich bessere Bildungsbedingungen“.

Die Demo startete am Rosa-Luxemburg-Platz und zog vor die Senatsbildungsverwaltung. Vor den Streikenden vor der Senatsbildungsverwaltung rief Albers Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) dazu auf, die GEW bei ihrer Forderung nach kleineren Klassen zu unterstützen. „Gute Bildung muss endlich Priorität haben in dieser Stadt. Wir erwarten von der Bildungssenatorin, dass sie sich im Senat für kleinere Klassen einsetzt“, so Albers.

Zum Streik aufgerufen waren die tarifbeschäftigten Lehrkräfte, Sozialpädagog*innen und Schulpsycholog*innen an den staatlichen Schulen des Landes Berlin, die unter den Geltungsbereich des TV-L fallen.

Die Gewerkschaft trägt ihr Anliegen schon seit eineinhalb Jahren vor und hat deswegen inzwischen sieben Warnstreiks organisiert. In Berlin gibt es rund 34.000 Lehrerinnen und Lehrer, viele davon sind Angestellte und dürfen anders als Beamte streiken.

Wir nähern uns @SenBJF. Wir wollen mit dem Senat verhandeln: Über Arbeitsbedingungen, die nicht krank machen. Wir wollen den Einstieg in #kleinereKlassen JETZT pic.twitter.com/1lVqYCA0cn

— GEW BERLIN (@GEW_BERLIN) December 15, 2022

Der Senat verweist darauf, dass Berlin der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) angehört. Ohne Zustimmung der Tarifgemeinschaft könne Berlin daher keine Tarifverhandlungen über die Klassengröße aufnehmen. Die TdL lehne solche Verhandlungen ab. News4teachers / mit Material der dpa

Krankenwelle in Kitas und Schulen: „Und die K…- Pfützen der kleinen Fiebermäuse dürfen wir am Ende auch noch aufwischen“

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Realist
1 Jahr zuvor

An alle Kritiker des Streiks:

Die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich seit Jahren massiv:

Immer MEHR Kinder und Jugendliche die betreut bzw. beschult werden müssen. Einerseits aus demographischen Gründen (wieder steigende Geburtenraten), andererseits aus Gründen der Flucht bzw. Migration.

Immer WENIGER Kolleginnen und Kollegen, bezogen auf die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die das ganze stemmen müssen. Auch hier sind die Gründe bekannt: Steigende Pensionierungszahlen (die Baby-Boomer gehen massiv in Rente), sinkende Zahlen an Interessenten, die noch Lehrer oder Kita-Erzieher werden wollen (z.B. Rückgang der Studienanfängerzahlen 2021 im Lehramt DREIMAL so hoch wie demographisch zu erwarten war). Bis Ende des Jahrzehnt werden nach seriösen Schätzungen (Klemm et al.) mind. 80.000 fehlende Lehrkräfte erwartet.

Dazu immer WEITER steigende Anforderungen an das Personal, das sich das Ganze noch antuen will: Selbst Olaf der Schweigsame fordert mittlerweile den massiven Ausbau des Ganztags an Schulen und Kitas um dem Arbeitskräftemangel in der „freien“ Wirtschaft zu begegnen.

Dazu eine Pandemie namens Corona, die, auch wenn sie zur Endemie geworden sein wird, das Schul- und Kitasystem noch jahrelang an die Grenzen der Belastbarkeit führen wird durch erhöhte Krankenstände bei Personal und Schülern bzw. Kita-Kindern. Auch wenn Omikron nicht mehr ganz so gefährlich wie die ersten Varianten sein sollte: Krank macht es immer noch. Es wird so sein, dass in den nächsten Jahren neben den „normalen“ Erkältungs- und Grippeviren auch Corona immer wieder in Wellen, ggf. mehrmals im Jahr, durch die Schulen und Kitas rauschen wird. Corona „ersetzt“ ja nicht die anderen Erkältungs- und Grippeviren, sondern kommt zusätzlich obendrauf. Und das in einem System, das seit Jahren schon auf Kante genäht ist. Praktisch keine Schule hatte schon vor Corona eine „Vertretungsreserve“ für diese Krankheiten.

Also: Die Belastungen steigen für das Personal, das in Relation zur Schüler- bzw. Kinderkinderzahl immer weniger wird, also massiv an. Insofern ist der Streik mehr als gerechtfertigt.

Übrigens: Die IG Metall streikt für bedeutend weniger. Denen geht es meist „nur“ um mehr Geld. Ein Punkt, der bei der in den letzten Jahren äußerst miesen Gehaltsentwicklung im öffentlichen Dienst (im Vergleich zu IG Metall) und der Inflation, die mittlerweile einen „enteignenden“ Charakter hat, noch obendrauf kommt: Warum darf der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst eigentlich immer mehr REALE Leistung von seinen Beschäftigten verlangen, wenn er REAL immer weniger bereit ist, dafür zu bezahlen?

Neuleerer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Mal etwas anderes:
Versuche doch mal, nicht so massiv »massiv« zu benutzen.
Inhaltlich hast du natürlich recht.

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Neuleerer

Beim Nachrechnen stelle ich fest: Meine „massiv“-Quote pro Satz ist kleiner als Ihre!

unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Demnach wäre zwei größer als vier…sei es drum – bestimmt meinte der Neuleerer dies als hilfreichen Tipp und nicht als ein Vorwurf, den es zu rechtfertigen gilt. Sehen Sie es auch als kleine Macke von uns Deutschlehrenden, dass wir Wiederholungen im Ausdruck zu vermeiden bemüht sind und ^^

Vierblättriges Kleeblatt
1 Jahr zuvor

Es geht ja bei diesem Streit nicht nur um kleinere Klassen. Aber die kleineren Klassen sind ein Symbol dafür, dass es diesmal nicht einfach nur um mehr Geld geht.

Pappenheimer
1 Jahr zuvor

Bei dem hohen Krankenstand gegenwärtig ist die Teilnahme ganz ordentlich gewesen, würde ich sagen.

Ron
1 Jahr zuvor

Ich möchte ergänzen:

– kleinere Klassen
– weniger Verwaltung und Konferenzen
– mehr Differenzierungsräume
– mehr Durchgriffsrechte
– mehr eigenständige Entscheidungsmöglichkeiten
– mehr Unterricht statt Klimbim zur Profilierung der Schule oder Politik

Und ganz wichtig: Lasst uns endlich einfach mal unsere Arbeit machen

Ron
1 Jahr zuvor

Ich war gestern wegen einer Verletzung in der Notaufnahme eines Krankenhauses. Der behandelnde Arzt war die größte Zeit nicht mit mir, sondern mit der umfänglichen Dokumentation des Vorfalls beschäftigt. Das hat mich irgendwie massiv an meinen eigenen Job erinnert.

TaMu
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Ich wünsche Ihnen gute Genesung.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Oh danke. Ihnen Frohe Feiertage.

Vierblättriges Kleeblatt
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Was für Dokumentationen Ihrer Arbeit schreiben Sie denn nach jeder „Behandlung“, also Unterrichtsstunde?

Ron
1 Jahr zuvor

Ich schreibe Klausuren auf vier verschiedenen Niveaus (muss also für eine Arbeit in integrierten Kursen vier (!) Einzelarbeiten mit korrekten Kompetenzzuweisungen konzipieren.

Ich darf für jedes Fach 50 – 70 Seiten Currikulare Vorgaben durcharbeiten und die sich daraus ableitenden Arbeitspläne der Schulen mitentwickelt und einhalten.

Ich muß Operatoren zu Fragestellungen kennen und einhalten und Klausuren entsprechend der Kompetenzstufen konzipieren. Ich werde zu umfassend schriftlich auszuarbeitenden Erwartungshorizonten zu meinen Klausuren genötigt. Diese muss ich bei der Korrektur akribisch abarbeiten.

Ich muss halbjährlich über jeden Schüler Kompetenzerfassungsbögen ausfüllen. Seitenlang – zu Kompetenzen, die ich teils gar nicht einschätzen kann.

Ich darf ca. alle drei Stunden mündliche Noten festlegen und bin gehalten, diese den Schülern regelmäßig mitzuteilen – allerdings unter Einhaltung des Datenschutzes und des Persönlichkeitsrechtes auf Vertraulichkeit. Große Freude bei 30 Schülern pro Kurs.

Ich muss seit der Umstellung auf elektronische Klassenbücher sehr bewusst und unter Beachtung sämtlicher Vorgaben Klassenbucheinträge zuhause anfertigen, die ich vormals nebenbei während des Unterrichts angefertigt habe.

Ich bin gehalten Probleme mit Schülern durchgehend zu dokumentieren und weiterzuleiten, damit sich sogenannte „multiprofessionelle Teams“ einschalten können.

Ich muss beständig Absprachen mit diversen Assistenzen und Sonderschulpädagogen treffen.

Der Aufwand an Elternarbeit ist durch Inklusion, Problemschüler und durch das Wegfallen der Schulzweigzuweisung durch die Grundschulen stark gestiegen.

Elterngespräche müssen dokumentiert werden und zwar so, dass den Eltern Einsicht in die Dokumentation zu gewähren ist.

Ich habe fast täglich Vorfälle und Opfer von Mobbing oder Übergriffen, die ich nicht einfach so auf sich beruhen lassen kann. An Dokumentation denken.

Ich muss regelmäßig meine Erste-Hilfe-Fähigkeiten und den Rettungsschwimmernachweis erneuern, erhalte Unterweisungen zu Smardboard und deren Programmneuerungen oder in die neuen iPads sowie in Datensicherheit.

Die Zahl der Konferenzen explodiert förmlich. Und das Schlimme: aus jedem Meeting entwickeln sich neue Arbeitsaufträge oder Sitzungen.

Abhilfe- oder Klassenkonferenzen, meist ab 17 Uhr, damit die Eltern anwesend sein können, nehmen stark zu. Jedesmal alle Lehrer des Schülers dabei.

Diverse Aktionstage, Projekte oder sonstige Schulveranstaltungen müssen geplant und durchgeführt werden. Dazu Klassentage, Schulfahrten, Museumsbesuche oder Kursfahrten. Der Aufwand dafür ist merklich angestiegen, da alles versicherungstechnisch und organisatorisch voll durchgeplant werden muss.

Mal eben ins Schwimmbad oder sogar eine Radtour war gestern. Behinderte Schüler, Assistenzen und ihre Arbeitszeiten, Medikamente, Allergien, Unverträglichkeiten, religiöse Vorbehalte oder Essensregeln… Ist grad vielleicht sogar Ramadan? Alles kompliziert bis unmöglich.

Gibt sicher noch mehr…

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

In jerdem anderen Beruf hätten Sie sich das schon lange nicht mehr gefallen lassen und den Arbeitgeber gewechselt…

Vierblättriges Kleeblatt
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Oh ja, das klingt heftig.

Ich kann das alles nicht bestätigen, denn ich bin an einer Grundschule. Sie offensichtlich aber nicht. Wir haben das alles so nicht.

Vor manchen Ihrer Probleme stehen wir aber auch, nur empfinde ich sie nicht als sooo heftig, wie Sie da schreiben. Wenn ich einen Ausflug plane, was habe ich da „versicherungstechnisch“ zu tun? Mir fällt gar nichts ein. Die Lehrpläne sehe ich nicht jedes Jahr neu durch, es sei denn, da hat sich was geändert, aber dann reicht es ja, sich die Änderung anzuschauen. Erste Hilfe machen wir alle 2 Jahre…

Nee, ich glaube, Sie übertreiben auch für Ihre Schulart, wenngleich manches vielleicht zutrifft.

Ron
1 Jahr zuvor

Es geht mir auch nicht ums Klagen. Ich finde nur, dass der Beruf des Lehrers in den letzten Jahren immer mehr von Bürokratie überlagert wurde. Und es wird jedes Jahr schlimmer. Ich bin eher ein Mensch, der spontan funktioniert, weil ich Schüler dann abholen und mitnehmen kann. Dieser Spielraum wird jährlich zugunsten von engmaschiger Bürokratie kleiner.

Grundschullehrer
1 Jahr zuvor

Warum ist die GEW in Sachsen-Anhalt nicht auch so kämpferisch? Wir leiden hier auch unter den erdrückend schlechten Arbeitsbedingungen sowie auch unter einer himmelschreiend schlechten Bezahlung! Da ist uns Berlin weit voraus!

Vierblättriges Kleeblatt
1 Jahr zuvor
Antwortet  Grundschullehrer

Sind nicht in SA die meisten Lehrer wieder verbeamtet? Da sehen Sie, was eine Gewerkschaft machen kann, wenn ihre Mitglieder Beamte sind.

Berlin ist weit voraus? Weil ca. 10% der angestellten Lehrer dem Streikaufruf folgten? Wow!