Warum die Ausweitung der Studienkapazitäten kaum gegen den Lehrermangel hilft

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ERFURT. Deutschland fehlen Lehrer – und es kommen immer weniger nach. Die Zahl der Lehramtsanwärter schrumpft rapide, wie das Beispiel Thüringen zeigt. Die CDU dort fordert mehr Ausbildungsplätze. Doch das Bildungsministerium nennt einen ganz anderen Grund für das Problem.

Die geburtenschwachen Jahrgänge machen sich bemerkbar… Foto: Shutterstock

Die Zahl der angehenden Lehrer im Vorbereitungsdienst ist in Thüringen rückläufig. Während im Jahr 2020 noch 680 Lehramtsanwärter dort eingestellt wurden, waren es im vergangenen Jahr nur noch 588, wie aus Zahlen des Thüringer Bildungsministeriums hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorlagen. Im Jahr 2021 wurden im Freistaat 602 Lehramtsanwärter ausgebildet.

Bei den derzeitigen Absolventen handle es sich um die geburtenschwächsten Jahrgänge, sagte eine Sprecherin des Bildungsministeriums. «Das sind Jahrgänge, um die sich der gesamte Arbeitsmarkt streitet. Das ist auch der Hintergrund, warum diese Zahlen rückläufig sind», erläuterte die Sprecherin.

Die Ausbildung von Lehrern erfolgt in zwei Stufen: Zunächst ist ein Studium von in der Regel fünf Jahren nötig – mit dem Abschluss erhält man das erste Staatsexamen. Anschließend müssen Lehrer in Thüringen einen Vorbereitungsdienst mit mehr praktischen Anteilen absolvieren. In dieser Zeit verdienen die angehenden Lehrkräfte deutlich weniger Geld als fertig ausgebildete Lehrer, unterrichten aber schon teils an einer Schule und lernen in Seminaren weitere pädagogische und didaktische Inhalte. In anderen Bundesländern heißt dieser Teil der Ausbildung Referendariat; die Lehrer schließen ihn mit dem zweiten Staatsexamen ab – und sind dann voll ausgebildete Lehrer.

«Die Landesregierung muss endlich einen Plan vorlegen, wie sie den gravierenden Lehrermangel in den Griff kriegen will»

Die Thüringer CDU-Fraktion forderte mehr Ausbildungsplätze für angehende Lehrer. Die Landesregierung müsse «endlich einen Plan vorlegen, wie sie den gravierenden Lehrermangel in den Griff kriegen will», sagte der bildungspolitische Sprecher der Thüringer CDU-Fraktion, Christian Tischner. Es brauche einen Dreiklang aus zusätzlichen Ausbildungsplätzen, unbürokratischeren Einstellungsverfahren und einer berufsbegleitenden Qualifizierung von Seiteneinsteigern.

Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) nannte die Forderungen nicht nachvollziehbar. «Denn bereits jetzt stehen ausreichend Kapazitäten im Vorbereitungsdienst zur Verfügung, die Qualifizierung von Seiteneinsteigenden läuft berufsbegleitend und wir sind mit dem Karriereportal für den Thüringer Schuldienst einen entschlossenen Schritt zur Modernisierung und Beschleunigung der Einstellungsverfahren gegangen», sagte Holter.

Die Ministeriumssprecherin verwies darauf, dass niemand, der sich derzeit auf einen Vorbereitungsdienst bewerbe, abgelehnt werde. Das gelte auch für Fächer an Schulen, für die es derzeit noch ein Überangebot an Personal gebe. Aktuell werden in Thüringen an vier Terminen Lehramtsanwärter eingestellt – im Februar, Mai, August und November. News4teachers / mit Material der dpa

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Der Zauberlehrling
1 Jahr zuvor

Nur das Schaffen von Studienplätzen bringt natürlich nichts, es muss ja jemand auch den Studienplatz belegen wollen.

Ist wie mit der Geldpolitik der Bundesbank – da gibt es eine scharfe Seite des Schwertes mit deutlicher Wirkung unabhängig vom Willen des Marktes und eine stumpfe Seite, die erst dann Wirkung zeigt, wenn der Markt es will (Erhöhung der Geldmenge).

Das Schaffen von Studienplätzen ist die stumpfe Seite des Schwertes.

„Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren.“ Wäre so ein Spruch für die Lehrerzimmertür beim derzeitigen Lehrermangel und beim derzeitigen Ansehen des Lehrerberufes.

Realist
1 Jahr zuvor

Statt „Soziales Pflichtjahr“ einfach ein „Soziales Lehrjahr“ für alle Hochschulabsolventen (Bachelor reicht ja offensichtlich). Schon ist der Lehrkräftemangel gelöst!

Se Länd
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Gott bewahre, sowas darf man doch nicht schreiben, sonst wird das noch als Idee aufgenommen.

Carsten60
1 Jahr zuvor

Schon wieder diese dümmliche Ausrede mit den geburtenschwachen Jahrgängen. Maßgeblich ist die Zahl der Studierenden, und die ist in den letzten 15 Jahren auf ein Rekordniveau gestiegen, bundesweit so um die 2,9 Millionen, davon 1,7 Mill. an Universitäten. Nie zuvor gab es mehr Studenten im Lande. Auch an der Uni Erfurt ist die Zahl der Studenten mit ca. 6000 höher als in den allermeisten Jahren vorher, seit 6 Jahren liegt sie über 5700:
https://www.uni-erfurt.de/studium/im-studium/studierendenangelegenheiten/statistik
Aber die drängeln sich offenbar in anderen Studiengängen als Lehramt.

Ceterum Censeo
1 Jahr zuvor

„Die Ministeriumssprecherin verwies darauf, dass niemand, der sich derzeit auf einen Vorbereitungsdienst bewerbe, abgelehnt werde.“
Gibt es nicht eine Verpflichtung seitens der Kumis, dass all jene, welche die Voraussetzungen für den Vorbereitungsdienst erfolgreich absolviert haben auch in den Vorbereitungsdienst übernommen werden MÜSSEN (sofern sie sich eben darauf bewerben. Die Bewerber quasi einen Rechtsanspruch auf die Refstelle haben)?
Oder macht das jedes Bundesland wieder unterschiedlich?
Bitte um Aufklärung, da ich sonst diesen Satz als große Worthülse ohne nennenswerte Verbesserung betrachte.

Ceterum censeo alle Kms nur noch mit Fachkräften besetzen.

lehrer002
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ceterum Censeo

Es gab Zeiten, in denen nur bis zur Note 1,x eingestellt wurde für den Vorbereitungsdienst je nach Lehramt und Fach. Z.B. in Hessen oder den Stadtstaaten war es lange so.

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  lehrer002

In Niedersachsen auch, mit langen Wartelisten,
Hessen hat zudem sehr lange kaum eingestellt und viele junge Lehrkräfte mit Vertretungen hingehalten und im Sommer entlassen.

Und ja, das macht jedes BL unterschiedlich.

Gelbe Tulpe
1 Jahr zuvor

Die schlechten Bedingungen im Referendariat (80-Stunden-Woche, unklare Leistungserwartungen, Bildungsideologien) haben sich im Internet bei den Schüler schon sehr herumgesprochen. Dazu kommt eine immer schwieriger zu unterrichtende Schülerschaft, wie es die Schüler ja auch schon aus ihrem Schulalltag mitbekommen. Da sinkt natürlich die Neigung, Lehrer werden zu wollen. A9 für alle zukünftigen Lehrer wird wohl auch der Normalfall werden (Stichwort:Duales Studium), und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch immer schwieriger durch geplante Einschränkungen von Teilzeit.

Dirk Meier
1 Jahr zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Als nächste Werbemaßnahme wird wohl das Sabbatjahr abgeschafft. Wenn man erst einmal verbeamteter Lehrer ist, muss man dann jahrzehntelang ohne Chance auf eine unbezahlte Auszeit arbeiten. Welcher junge Mensch möchte einen Job haben, wo man derart wenig Flexibilität hat?

Mondmatt
1 Jahr zuvor

Studienplätze allein sind Unsinn.

Man muss auch die Rahmenbedingungen schaffen um das Lehramtsstudium für den weiten Berufsweg von 40 Jahren + X attraktiv zu machen.

He Leute, wir haben an der Bar die Bestände von Sauerkrautsaft aufgestockt! Warum will noch immer kein Mensch das Zeug trinken????

Anna
1 Jahr zuvor

Es studieren eigentlich viel zu viele Jugendliche. Keiner will mehr „normale“ Job so machen, obwohl auch diese drin dringend gebraucht werden. Stattdessen wird irgend was studiert, egal wie sinnvoll und nützlich.
Mein Vorschlag wäre, sich an der Ausbildung der Grundschullehrer in der ehemaligen DDR zu orientieren. 4 Jahre Studium, Hospitationen und erste Unterrichtserfahrungen ab 2. Studienjahr, in. 3. ein 6-wöchiges Praktikum und im 4.ein halbjähriges Praktikum. Inklusive viel Methodik, Didaktik und Pädagogik. Ausbildung in D, Ma, SU+ 1 Wahlfach. Man würde solide und unterrichtstauglich vorbereitet. Außerdem gab es an den Schulen dann einen Mentor, der bei der Einarbeitung geholfen hat.
Auf diese Weise würde die Studienzeit verkürzt und wäre zudem praxisnah.