Rassismus-Debatte: Umstrittenes Buch bleibt Abi-Pflichtlektüre – SPD: Schopper duckt sich weg

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STUTTGART. Die umstrittene Pflichtlektüre «Tauben im Gras» von Wolfgang Koeppen wird vom kommenden Jahr an und bis auf weiteres Abi-Stoff in den beruflichen Gymnasien bleiben – trotz der fortlaufenden Proteste. Das hat Baden-Württembergs Kultusministerin Schopper nun klargestellt.

«In dem Kontext so etwas zu besprechen, ist auch für Schülerinnen und Schüler wichtig»: Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper. Foto: Kultusministererium Baden-Württemberg.

Bücher und ihre Inhalte würden stets umfassend in Fortbildungen für Hunderte von Lehrkräften vorbereitet, sagte Kultusministerin Theresa Schopper am Dienstag in Stuttgart. Das wäre auch bei einer Alternative für das Koeppen-Buch aus dem Jahr 1951 der Fall. Das Werk wird wegen seines rassistischen Vokabulars scharf kritisiert.

«Das ist mit einem Vorlauf verbunden», sagte Schopper zu einem geforderten Austausch der Pflichtlektüre. «Die Pferde zu wechseln ist jetzt nicht so eine Frage, die von Montag auf Dienstag läuft.» Allein zum Koeppen-Roman seien 60 Fortbildungen für die Lehrkräfte angeboten worden, 800 hätten auch daran teilgenommen. Ein möglicher Tausch der Lektüre sei daher keine Entscheidung, «die da aus der Hüfte geschossen wird», sagte die Grünen-Ministerin. Außerdem seien Schüler im Nachteil, wenn sie das Werk schon im ersten Jahr ihrer Kursstufe besprochen hätten.

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«Niemand verlangt, dieses Buch abzuschaffen, doch seine Auswahl als Prüfungslektüre war und ist ein Fehler»

Aus einer Debatte wie dem Koeppen-Streit könnten Schülerinnen und Schüler etwas lernen, zeigte sich Schopper zuversichtlich. Viele Bücher würden heute anders geschrieben und eingeschätzt als damals. «In dem Kontext so etwas zu besprechen, ist auch für Schülerinnen und Schüler wichtig», sagte Schopper.

Die SPD wirft Schopper vor, sich wegzuducken und dem Thema auszuweichen. «Niemand verlangt, dieses Buch abzuschaffen, doch seine Auswahl als Prüfungslektüre war und ist ein Fehler», sagte der SPD-Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch. Schopper könne viel Spannung aus der Debatte nehmen, wenn sie «in dieser Frage Farbe bekennen würde».

Eine Ulmer Lehrerin hatte die Debatte ausgelöst, weil sie sich geweigert hatte, das Buch wegen rassistischen Vokabulars im Unterricht zu behandeln. Eine Petition gegen die Pflichtlektüre hat im Internet bis Dienstagmittag mehr als 7300 Befürworter gefunden, darunter auch Lehrkräfte von Universitäten und Kulturschaffende. News4teachers / mit Material der dpa

Rassismus-Streit um Abi-Lektüre: „Als Bildungsinstitutionen müssen wir uns damit auseinandersetzen, wem wir da was zumuten“

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Georg
11 Monate zuvor

Ich bleibe dabei: bei angemessenem Unterricht gibt es keinerlei Probleme — im Gegenteil.

Riesenzwerg
11 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Sehe ich auch so.

Wird doch im Berufs-Abi eingesetzt. Das sind ja schon erwachsene Schüler. Oder?

In dem Buch steckt unglaublich viel Potential.

Mir ist ein bisschen unklar, wie die Kollegin, die den Stein ins Rollen brachte, für ein Schuljahr beurlaubt werden konnte.

Lehrermangel?!

Hätte es nicht gereicht, den Abi-Deutschkurs jemand anderem zu geben?

Unverzagte
11 Monate zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Sie können sich demnach nicht ein bisschen vorstellen, dass es auch Kolleginnen gibt, die vielleicht Diskriminierungserfahrungen bis zum Anschlag gemacht haben und evtl. deswegen eine Auszeit brauchen?

Und bitte wer sollte Ihre Frage am Schluss beantworten können ohne sich in weitere, unnötige Vermutungen zu verstricken?

Georg
11 Monate zuvor
Antwortet  Unverzagte

Viel wichtiger ist die Frage, wie lange die Lehrerin schon wusste, dass der Roman Pflichtlektüre ist. Wenn das vor Übernahme des Kurses war, hätte sie sich dafür nicht melden dürfen.

KARIN
11 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Kurse werden oft zugeteilt, Lehrkräfte können versuchen dieses abzuwenden, wenn die Stundentafel, das Kollegium ( Fächerkanon ) oder die begründeten Wünsche anderer Lehrkräfte es aber nicht hergeben, hat man verloren und erteilt den Kurs!
Als Lehrkraft kann man, zumindest in meiner Schule, in den Fachabteilungen in einer Fachkonferenz, in Absprache mit den Kollegen ein Wunschdeputat jeweils zusammenstellen und dann der Schulleitung einreichen.
Oft ändert sich dann, wegen obiger Gründe, dieses dann doch!

Der Zauberlehrling
11 Monate zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Die Schüler am Beruflichen Gymnasium werden erst in den drei Jahren erwachsen, sie sind es noch nicht.

Donauperle
11 Monate zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Das ist ein Irrtum, die SuS sind nicht älter als am allgemeinbildenden Gymnasium. Einige sogar jünger, da sie vom allgemeinbildenden Gymnasium mit 14 auf ein berufliches Gymnasium wechseln können.

Ragnar Danneskjoeld
11 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Sie können bleiben, bei was Sie wollen – ob ein POC-Schüler sich angegriffen fühlt bei der Lektüre und der ständigen Verwendung des N-Wortes – und sei es nur bei der Textarbeit – können Sie schlecht kontrollieren. Auch bei gutem Unterricht, den ich Ihnen gar nicht absprechen möchte.

Metalman
11 Monate zuvor

Aha also ein Wegducken und Vermeiden des Lesens (!) des „N-Wortes“ ist besser als eine gute distanzierte, vielleicht leicht ironische (auf die „deutsche“ Bevölkerung derZeit bezogene) Besprechung im Unterricht?

Rassismuserfahrungen werden doch generell im Unterricht besprochen und das nicht gerade wenig, also verstehe ich den Aufruhr um ein Buch (!) nicht. Ich habe es ehrlich gesagt aber auch nicht gelesen.

PaPo
11 Monate zuvor

Ich muss gestehen, jetzt wo Theresa Schopper für den Roman in die Bresche springt, muss ich ja fast zweifeln, ob ich mit meiner bisherigen Argumentation in der Angelegenheit richtig lag; i.d.R. liegt man ja richtig, wenn man immer das Gegenteil von ihr macht…

*scnr* ^^

PaPo
11 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

Hätte nicht mit so vielen Schopper-Fans hier gerechnet. 🙂

Georg
11 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

Doppelstandards gibt es genug.

PaPo
11 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Leider wahr… die eigene Bigotterie wird seitens derjenigen, die entsprechend (in Wort u./o. Tat) agieren, i.d.R. aber nicht realisiert oder (un-/bewusst) verdrängt: Die Bewältigungsstrategien kognitiver Dissonanz, deren Persistenz und Wirkmächtigkeit faszinieren mit ch immer wieder (s diese ‚Diskussion‘ huer: https://www.news4teachers.de/2023/03/neue-pruederie-us-schulleiterin-gekuendigt-weil-sie-schuelern-den-david-gezeigt-hatte/).

Aber natürlich gilt es auch Poe`s Law (https://en.wikipedia.org/wiki/Poe%27s_law) meinerseits zu bedenken.- wer weiß, wie vielen der Sarkasmus entging?

FriDo
11 Monate zuvor

Ach du liebe Zeit… Es sollte ja wohl möglich sein, zwischen der literarischen Darstellung des alltäglichen Rassismus der Nachkriegszeit und rassistischer Literatur zu unterscheiden. Ist die Petentin vom Fach?

Georg
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Die Einordnung wird, einen entsprechend durchgeführten Unterricht vorausgesetzt, geschehen. Diese Voraussetzung darf und muss ich bei einer gut ausgebildeten und professionell arbeitenden Lehrkraft als erfüllt ansehen. Die Ministerin tut das auch, Sie als Journalisten sollten das ebenfalls.

Ragnar Danneskjoeld
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ihnen scheint einiges neu zu sein, nicht wahr?
Das Kultusministerium setzt für alles Mögliche Fortbildungen an, insbesondere jedoch, wenn es sich um ein Schwerpunktthema für das Abitur handelt.
Aufgrund der bloßen Tatsache, dass es Fortbildungen zu dem Thema gibt, Rückschlüsse über vermeintliche Unkenntnisse der KuK zum historischen Hintergrund zu ziehen, empfinde ich fast als ehrenrührig.

Bla
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Öhm:
„Es sei ein langwieriger und komplexer Prozess, ein Buch als Abiturthema festzulegen, sagte Kultusministerin Theresa Schopper am Dienstag in Stuttgart. Werke und ihre Inhalte würden zum Beispiel stets umfassend in Fortbildungen für Hunderte von Lehrkräften vorbereitet. Das wäre auch bei einer Alternative für das Koeppen-Buch aus dem Jahr 1951 der Fall. «Deshalb können wir gegenwärtig noch nicht mit Bestimmtheit sagen, wie lange das Buch Unterrichtsstoff bleiben wird», sagte Schopper.“
https://www.landtag-bw.de/home/aktuelles/dpa-nachrichten/2023/April/KW14/Dienstag/da4a481b-a3b3-45ab-829d-c771c314.html

„Werke und ihre Inhalte würden zum Beispiel stets umfassend in Fortbildungen für Hunderte von Lehrkräften vorbereitet. Das wäre auch bei einer […]“
Quelle: zdf, ndr, faz, zeit, swr, saechsische, lehrer-news

Gemeint ist doch, dass GENERELL Fobis für solche Abiturlektüren aufwendig sind und geplant werden. Da geht es gar nicht direkt um diese Lektüre. Beispielsweise gibt es jetzt auch noch einige Fobis zu „Woyzeck“ zum Zentralabitur.

Vielleicht hab ich das aber falsch verstanden, was Sie hier meinten. Ansonsten stimmt das halt nicht oder kann falsch verstanden werden.

Bla
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ist ja nicht unüblich, dass Politiker mal schnell eine Begründung anführen.
Die Begründung ist meines erachtens nach einfach schwach. Eben weil generell Fortbildungen zu solchen Pflichtlektüren gegeben sind. Darüber hinaus auch zum Thema Nationalsozialismus und Umgang damit in verschiedenen Formen. Insbesondere für Geschichtslehrer – aber natürlich darüber hinaus.
Was auch richtig und wichtig ist.

Aber die Begründung von Frau Schopper kann man nicht ernst nehmen. Das ist einfach nur ein „rausreden“ mit „sooo viel Aufwand“. Das betrifft aber jede Lektüre wohl?

Das jetzt hier anzuführen ist in Ordnung. Man kann sich auf die „gute Dame“ ja beziehen. Aber glauben Sie das wirklich? Also dass es genau aus diesem Grund die Fobis gibt/gab?
Wie kann man dann die anderen Fobis erklären?
Ja, das Thema ist wichtig. Dazu gibt es dementsprechend Fobis. Jetzt als Frau Schopper so zu tun, dass die Lektüre direkt was damit zu tun hat (Thematisch!) … Ist doch noch nichtmal mit guten Willen aufrichtig.
Sie nutzt einfach das (zum Glück) generell Gegebene an Fobis, um das nach Ihrem Zitat zu begründen.
Also ein Umkehrprinzip … Das sollte man dazu halt dann auch bedenken.

FriDo
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Liebe Redaktion, das Themenfeld Rassismus/Nationalsozialismus etc. können Sie bei einer Deutschlehrkraft tatsächlich voraussetzen. Ich habe in NRW einen LK mit genau diesem obligatorischen Werk zum Abitur geführt und kann über Ihre Einlassungen hier nur den Kopf schütteln. Ich bedurfte übrigens auch keiner besonderen Fortbildung. Ich habe meinen Unterricht wie üblich anständig vorbereitet. Das sollte den Kollegen in BW wohl auch möglich sein.

FriDo
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ich habe mich umfassend über die Kollegin und ihr Problem informiert und brauche Ihre Links dazu nicht.
Es liegt hier ein individuelles Problem einer Einzelperson vor, für eine Grundsatzdebatte bzgl. des Werks oder seines Einsatzes im Unterricht gibt es keinen Grund.

Möchte gerne mal wissen, wie viele der 8000 Unterschriften von Leuten stammen, die das Werk gelesen, verstanden und unterrichtet haben.

Johann F.
11 Monate zuvor

Hierbei könnte SuS der Begriff „Doppelmoral“ vermittelt werden:

Der ehemalige Kultusminister Stoch regt sich nun, nachdem er für das schlechteste SPD-Ergebnis bei Landtagswahlen im Südwesten verantwortlich war, über Mängel der Bildungspolitik in Baden-Württemberg auf?

Rüdiger Vehrenkamp
11 Monate zuvor
Antwortet  Johann F.

Stoch bleibt für mich als jener Kultusminister im Sinn, der das einst gute Bildungssystem in Baden-Württemberg zerstört hat.

Volker
11 Monate zuvor

Ich finde „Tauben im Gras“ als Zeitzeugnis für Rassismus in der Nachkriegszeit durchaus sinnvoll, auch als Abi-Lektüre. Wer allerdings meint, die damaligen Jahre auf heute übertragen zu können oder müssen, malt ein falsches Bild. Das sollten Lehrer im Unterricht auch nicht tun, denn von damals zu heute hat sich vieles zum Positiven verändert, wenngleich es hie und da sicher noch Rassismus gibt, der natürlich nicht toleriert werden darf. Ihn aber aufzubauschen und so zu tun, als sei Rassismus in Deutschland noch immer ein Riesenproblem, halte ich für falsch und unseriös. Zerrbilder zu malen nützt keinem, weder dunkelhäutigen Zuwanderern, noch der einheimischen Bevölkerung und erst recht nicht einem guten Zusammenleben beider Seiten. Man bringt sie höchstens gegeneinander auf und destabilisiert die Gesellschaft.

Anna Miranda, eine farbige TikTokerin mit jamaikanischen Wurzeln hat ein Kurzvideo gedreht, das im Netz auf große Zustimmung stößt. Sie meint, dass man Deutschland viel zu leicht unter Rassismusverdacht geriete. Für Biodeutsche reiche es bereits, wenn sie linker Identitätspolitik und Opferkult widersprächen. Schwierig werde es für die Ankläger allerdings, wenn sie es mit Gegenstimmen zu tun bekämen, die selbst einen Migrationshintergrund hätten.
Für Anna Miranda funktioniert Integration vor allem auch durch Anpassung an das Gastland: „Nicht Deutschland und die Deutschen müssen sich an Menschen anpassen, die hierherkommen, sondern die Menschen, die hierherkommen, müssen sich an Deutschland anpassen“, meint sie.
https://www.tiktok.com/@annamarinada

Georg
11 Monate zuvor
Antwortet  Volker

Die hat es verstanden.

Allerdings gibt es aktuell viel zu viele Menschen in Deutschland, die auf der Rassismuswelle mitschwimmen und von ihrer Existenz ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie hätten bei einem zu stark angepassten Migrantenanteil und zu wenig (eingebildeten) Rassismus ein finanzielles Problem.

Ragnar Danneskjoeld
11 Monate zuvor

Mein Gott, Schopper, stell dich doch nicht ganz so dämlich an.
Hau einen Erlass raus, dass der kritisierte Roman von den KuK durch einen alternativem Nachkriegsroman ersetzt werden kann und dass der umstrittene Roman (oder eben der alternativ gewählte) selber bestenfalls indirekt (Erörterung, Essay, vergleichende Analyse etc.) Thema im Abitur ist und der Drops ist gelutscht. Aber was will man auch von einem LÄND erwarten, das einstens damit warb, alles außer Hochdeutsch zu können…

Last edited 11 Monate zuvor by Ragnar Danneskjoeld
447
11 Monate zuvor

Ich bin von Frau Schopper etwas enttäuscht – da hätte ich mit SOFORTIGEM Verbot des Buches gerechnet.

Wie kann die Frau Ministerin es wagen, meiner Einschätzung einer grünen Bildungspolitikerin nicht zu entsprechen?

Ehrlich jetzt, das geht zu weit.

Wenn da was mit N-Wort ist (also das zweite N-Wort meine ich jetzt) und wenn „PoC-Vereinigungen“ sich melden, dann muss die alles verbieten.

447
11 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ähm, sehr geehrte Redaktion…ich will jetzt nicht unhöflich sein…aber Sie haben meinen Beitrag nicht verstanden.
Ich mache mich darin über mich selbst lustig, da die Ministerin (der ich keinerlei Sympathie entgegenbringen) sich ***entgegen*** meiner Erwartung in dieser speziellen Sache ***richtig*** entschieden hat.

FoBi-Angebot plus „dabei bleiben“ ist offensichtlich die richtige Reaktion auf solche völlig unangemessenen Forderungen.