Unfallrisiko Schulweg – allein in Berlin verunglücken zehn Kinder pro Tag

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BERLIN. Das Risiko für Kinder auf dem Weg zur Schule zu verunglücken, lässt sich nicht von der Hand weisen. Manche Eltern fahren ihre Kinder deshalb mit dem Auto bis vor die Schultür – auch nicht ideal.

m Jahr 2019 wurden der Unfallkasse rund 2270 Schulwegunfälle gemeldet – allein in Berlin (Symbolfoto), Foto: Shutterstock

In Berlin sind im vergangenen Jahr 1890 Kinder auf dem Weg zur Schule verunglückt. Das teilte die Unfallkasse Berlin mit Berufung auf ihre Statistik mit. Ausgehend von 195 Schultagen im Jahr verunglücken damit im Schnitt rund 10 Kinder pro Tag. Die Zahl der Schulwegunfälle ist leicht gestiegen, liegt aber weiter unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie: Im Jahr 2019 wurden der Unfallkasse rund 2270 Schulwegunfälle gemeldet.

Zu erklären sei die Differenz auch mit den Corona-Regelungen, die teilweise im vergangenen Jahr noch gegolten und es Schülerinnen und Schülern ermöglicht hätten, nicht am Unterricht in der Schule teilzunehmen. In die Statistik fließen Unfälle aller Art ein, also zum Beispiel auch, wenn Kinder auf dem Weg zur Schule stürzen.

In Berlin beginnt nach den Sommerferien für 37,470 Erstklässlerinnen und Erstklässler die Schule. Aus diesem Anlass haben Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) und der Präsident der Landesverkehrswacht, Ingo Schmitt, zu verstärkter Vorsicht aufgerufen. «Achtung Schulweg – Kinder sehen, Gas wegnehmen» lautet das Motto der Kampagne, das in Berlin nun auch auf zahlreichen Plakaten zu lesen ist.

Aus Angst um ihre Kinder kutschieren viele Eltern den Nachwuchs mit dem Auto zur Schule – und tragen damit manchmal selbst zu einem höheren Unfallrisiko bei. «Wir sagen nicht: Alle Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, sind böse», sagte der Sprecher des ADFC Berlin, Karl Grünberg, der Deutschen Presse-Agentur. «Es gibt natürlich Gründe dafür, zum Beispiel wenn die Schule mit dem Fahrrad oder mit Bus und Bahn nur schwer zu erreichen ist.» Viele Eltern machten sich auch Sorgen um die Sicherheit ihrer Kinder auf dem Schulweg.

«Das muss man ernstnehmen, weil es tatsächlich nicht genügend sichere, geschützte Radwege oder Ampeln gibt, weil Zebrastreifen fehlen oder oft missachtet werden», sagte Grünberg. «Und weil der Verkehr immer noch so angelegt ist, dass die Priorität nicht auf der Sicherheit von Kindern, Fußgängern und Fahrradfahrern liegt.»

Laut der Senatsverwaltung für Verkehr wird nach dem aktuellem Erkenntnisstand etwa jedes fünfte Kind mit dem Auto zur Schule gebracht. Bei eingeschränkten Sichtverhältnissen und ungewöhnlich starkem Verkehrsgeschehen könne das zu einem erhöhten Unfallrisiko für Schülerinnen und Schüler im Eingangsbereich von Schulen führen.

«Es darf nicht sein, dass Elterntaxis den Schulweg für alle anderen Kinder gefährlicher machen», so der ADFC-Sprecher. Gerade an die Eltern, bei denen vor allem Bequemlichkeit das Motiv sei, richte der Verein den Appell, ihre Kinder nicht mehr mit dem Auto zu fahren, sondern sie laufen oder mit dem Fahrrad fahren zu lassen, nachdem sie den Weg mit ihren Kindern geübt haben. Das helfe den Kindern, selbstständiger zu werden. «Und sie haben sich schon bewegt, bevor sie in der Schule ankommen.»

Wenn Eltern der Ansicht seien, ihre Kinder trotz aller Gegenargumente zur Schule bringen zu müssen, sollten sie sie zumindest nicht direkt bis vor das Gebäude fahren, so der ADFC. «Es ist besser, dann vielleicht 200, 300 Meter vorher zu halten. Dann kann das Kind diese Strecke noch laufen, und es kommt vor der Schule nicht zu einer Gefahrensituation, weil dort etliche Autos vorfahren.»

Das übergeordnete Ziel müsse sein, die Schulwege sicherer zu machen. «Damit die Eltern sagen: Jetzt lassen wir unsere Kinder selbstständig zur Schule gehen oder mit dem Fahrrad fahren», sagte Grünberg. Dazu gehören aus Sicht des ADFC auch mehr Geschwindigkeitsbeschränkungen. «Tempo 30 gilt häufig nur auf der Straße vor der Schule. Das müsste ausgeweitet werden.» Tempo 30 sei generell dort sinnvoll, wo Kinder auf dem Weg zur Schule seien.

Eine pauschale Anordnung von Tempo 30 auf allen möglichen Schulwegen ist nach der Straßenverkehrsordnung derzeit aber nicht möglich, argumentiert die Verkehrsverwaltung. Basis für die Prüfung der Verkehrssicherheit auf dem Schulweg seien die bezirklichen Schulwegpläne. Darin soll bereits der sicherste Weg zur Schule dargestellt werden, beispielsweise an welchen Stellen Ampeln oder Fußgängerüberwege für eine sichere Überquerung der Straße genutzt werden sollen. News4teachers / mit Material der dpa

VBE fordert: Tempo 30 auf allen Schulwegen (und Schluss mit „Eltern-Taxis“)

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3 Kommentare
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Fräulein Rottenmeier
8 Monate zuvor

Ja, das ist schlimm. Aber in einer Großstadt wie Berlin wohl nicht zu ändern.

Uwe
8 Monate zuvor

Helsinki hat 0 (in Worten: NULL) Verkehrstote. Das Konzept heißt „Vision Zero“

https://www.ndr.de/nachrichten/info/Keine-Verkehrstoten-Was-Helsinki-richtig-macht,visionzero110.html

Lisa
8 Monate zuvor

Am sichersten scheinen demnach doch der Öffentliche Nahverkehr zu sein, zumindest war im Artikel nichts von Gefahren durch S-Bahn oder Bus zu lesen. Also bitte Taktung anpassen an die Schulzeiten, besonders Morgens. Oder evtl mehr Schulbusse was hierzulande nicht so viel Tradition hat wie in anderen Ländern. Auch bei uns auf dem platten Land sind in fünf Jahren drei Radfahr – Schüler umgekommen. Alle drei durch Lastwagenfahrer, die sie übersehen hatten. Das „im Verkehr mitschwimmen“ hat sich im Gegensatz zu separaten Radwegen nicht bewährt.