Für mehr frühe Förderung – zielgerichtet: Land finanziert “Kiez-Kitas” zusätzliche Fachkraft

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STRAUSBERG. Zunehmend fehlt Pädagoginnen und Pädagogen im Kita-Alltag die Zeit, Kinder individuell zu fördern oder ausgeruhte Elterngespräche zu führen – zu gering ist der Personalbestand und zu umfangreich das Aufgabenpensum. Gleichzeitig betonen Expertinnen und Politiker über Parteigrenzen hinweg jedoch immer wieder, wie wichtig die frühkindliche Bildung für den weiteren Bildungsweg ist, zuletzt etwa nach der Veröffentlichung der desaströsen Pisa-Ergebnisse (News4teachers berichtete). Eine Möglichkeit, wie sich die Bildungs- und Betreuungssituation für die Jüngsten verbessern lassen, zeigt Brandenburg. Dort gibt es seit 2017 ein Förderprogramm, über das das Bundesland zusätzliche Pädagogen finanziert – die sogenannten Kiez-Kita-Fachkräfte.

Mit den Kiez-Kita-Fachkräften will Brandenburg die frühe Bildung stärken. Symbolbild: Shutterstock

Wenn Mandy Pagalies ihren täglichen Rundgang durch die «Kita am See» in Strausberg (Märkisch-Oderland) macht, beobachtet sie aufmerksam die 150 Kinder, aber auch die 23 Erzieherinnen. Seit mehr als fünf Jahren kümmert sie sich als Kiez-Kita-Fachkraft um Themen und Probleme, für die ihren Kollegen im Kita-Alltag einfach die Zeit fehlt. «In Abstimmung mit dem Team bereite ich etwa schwierige Elterngespräche vor», erzählt sie. Oder aber sie sensibilisiere ihre Kolleginnen für ein Kind, dessen Eltern gerade in Trennung lebten.

Möglich macht das seit 2017 ein Förderprogramm des Landes Brandenburg, das letztlich die Personalkosten für die zusätzlichen Pädagogen übernimmt. Das Geld geht an Träger der örtlichen Jugendhilfe, die individuell entscheiden, wo Kiez-Kita-Fachkräfte eingesetzt werden. Das Programm zielt darauf ab, Kinder und ihre Familien in unterschiedlichen Situationen zu unterstützen. «Eltern und Kindertageseinrichtungen sollen in ihrer Erziehungskompetenz gestärkt werden, um ein lernförderliches Klima zu schaffen und Bildungsanregungen zu ermöglichen. Folgen sozialer Benachteiligung soll so frühestmöglich begegnet werden», erklärt Katrin von Boltenstern vom Brandenburger Bildungsministerium.

Beratung für Eltern mit Bildungsanspruch

Pagalies reflektiert und begleitet, achtet auf die Sprachentwicklung oder auch Verhaltensauffälligkeiten der Kinder. «Jede Kita sollte so eine Unterstützung bekommen – sowohl für die Kinder und ihre Eltern als auch für das Personal. Denn Bedarf dafür gibt es überall», sagt die Strausberger Kita-Leiterin Nicole Furchert. Die Integrations-«Kita am See» in Trägerschaft des DRK-Kreisverbandes Märkisch-Oder-Havel-Spree sei keine Brennpunkt-Einrichtung mit Kindern aus sozial benachteiligten Problemfamilien. «Wir haben stattdessen in der Mehrzahl Eltern mit einem hohen Bildungsanspruch für ihre Sprösslinge, die die pädagogische Qualität unserer Arbeit hinterfragen. Oder aber sie sind verunsichert, befürchten Entwicklungsverzögerungen», beschreibt sie.

Den hohen Beratungsbedarf kann Kiez-Kita-Fachkraft Pagalies decken – im Elterncafé oder der Krabbelgruppe nimmt sie sich Zeit. «Ich erkläre Vätern und Müttern, wo sie bei Problemen oder Überforderung weitere Hilfe bekommen, oder rede mit ihnen, wenn mir auffällt, dass sie nur noch gereizt oder genervt auf ihre Kleinen reagieren.»

Manchmal reiche es schon aus, wenn Eltern in speziellen Sprechstunden einfach ihr Herz ausschütten könnten. «Vertrauen schaffen ist mir dabei wichtig.» Zudem arbeitet die ausgebildete Erzieherin und Elternbegleiterin am pädagogischen Konzept der Kita mit, kümmert sich um Mitbestimmungsmöglichkeiten der Mädchen und Jungen. «Das Thema freiwilliger Mittagsschlaf war ein langer Prozess, aber inzwischen können die Kinder selbst entscheiden, ob sie sich mittags hinlegen oder nicht», erzählt Pagalies etwa aus ihrem Alltag. Als Alternative stünden Spaziergänge, Yoga-Übungen oder das Vorlesen von Geschichten auf dem Programm.

Trotz positiver Evaluation: keine Ausweitung geplant

«Natürlich hätten wir gern für jede unserer Kita-Einrichtungen so eine spezialisierte, zusätzliche Mitarbeiterin», sagt Bernhard Schwiete, Sprecher des DRK-Kreisverbandes, Träger von 20 Kitas und Horten in Ostbrandenburg. Dort arbeiten bislang drei Kiez-Kita-Fachkräfte. Doch wie in vielen Branchen sei es auch in diesem Bereich schwer, geeignetes Personal zu finden, stellt Schwiete dar.

Aktuell gibt es nach Ministeriumsangaben brandenburgweit 127 Kiez-Kita-Fachkräfte. Eine Ausweitung des Landesprogramms sei derzeit nicht geplant, sagt Mitarbeiterin von Boltenstern. Dabei hatte eine Evaluierung ihren Angaben nach 2022 ergeben, dass es Kinder und Familien erreicht, die Kiez-Kita-Fachkräfte eine hohe fachliche Kompetenz besitzen und sich die pädagogische Qualität in den betreffenden Kindereinrichtungen verbessert hat.

Das Aufgabenspektrum der zusätzlich eingesetzten Pädagogen ist groß – von der Stärkung der Erziehungskompetenzen bei Eltern, über die Weiterentwicklung der Konzepte, um Folgen sozialer Benachteiligung zu begegnen, bis hin zur Unterstützung der praktischen Arbeit der Erzieher.

Hausaufgabenbetreuung in Schulhorten

In Schul-Horten wie beispielsweise dem «Koboldland» in Erkner (Oder-Spree) übernehmen die Fachkräfte sogar die Hausaufgabenbetreuung, wie Kiez-Kita-Fachkraft Sandra Weinert bestätigt. «In unserer DRK-Einrichtung werden 340 Grundschüler unterschiedlicher sozialer Herkunft betreut – vom Arzt- bis zum Flüchtlingskind, von engagierten bis bildungsfernen Eltern», erzählt sie.

Um die Mitbestimmung der Grundschüler zu gewährleisten, gibt es einen Kinder-«Koboldrat», mit dem sich Weinert einmal monatlich trifft. «Die Mädchen und Jungen berichten mir auch, wenn sich Mitschüler nicht an Regeln halten. Wut und Frust sind da häufig ein ganz großes Thema.» Die Kiez-Kita-Fachkraft kümmert sich dann in Einzelgesprächen um Kinder, die mehr Aufmerksamkeit bräuchten.

Doch vor allem der Kontakt zu den Eltern sei eine Herausforderung. «Grundschüler kommen und gehen selbstständig in den Hort, ohne Begleitung von Müttern oder Vätern. Gibt es bei den Kindern Auffälligkeiten wie Aggressionen, absolute Zurückgezogenheit oder auch Magersucht, muss ich diese Probleme bei den Eltern ansprechen, die ich aber nicht zufällig treffe», macht Weinert deutlich.

Sie hat sich daher für die Elternberatung und Mediation weitergebildet und hält auch Kontakt zu den jeweiligen Schulen. Aber sie fühlt sich dabei nicht alleingelassen: «Das Landesprogramm ist toll, weil wir Kiez-Kita-Fachkräfte begleitet und geschult sowie untereinander vernetzt werden.» News4teachers / mit Material der dpa (Jeanette Bederke)

Bildungsministerin: Früh-Förderung muss in Kitas systematischer erfolgen

 

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