Einzelne Regierungsmitglieder können bundesweit nur in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Bremen abgewählt werden. In Bremen ist diese Option in Artikel 110 der Landesverfassung geregelt. Demnach muss mindestens ein Viertel der Mitglieder der Bürgerschaft einen entsprechenden Antrag stellen. Für ein erfolgreiches Misstrauensvotum ist die Mehrheit der Mitglieder des Parlaments erforderlich. Erst wenn die Bürgerschaft über die Nachfolge entschieden hat, ist der Beschluss gegen ein Senatsmitglied auch wirksam.
Das aber kommt nicht zum Tragen. Denn das Misstrauensvotum gegen die Bremer Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) ist gescheitert. Die Bremische Bürgerschaft lehnte einen entsprechenden Antrag in einer Sondersitzung mit 46 von 85 Stimmen ab. 36 Abgeordnete befürworteten den Antrag, drei enthielten sich. Die CDU-Fraktion wirft der Senatorin unzureichende Führung der Bildungsbehörde vor und wollte ihr das Vertrauen entziehen.
Misstrauensantrag wegen Haushaltssperre
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Imhoff zählte grundlegende Probleme des Bremer Bildungssystems auf: das schlechte Abschneiden des kleinsten Bundeslandes bei Bildungsstudien, geringe Deutschkenntnisse vieler Schülerinnen und Schülern, fehlende Fachkräfte in Kitas und Schulen sowie die hohe Quote bei Schulabbrechern. Dafür trage die Bildungssenatorin die Verantwortung, sagte Imhoff und wandte sich direkt an Aulepp. «Wir glauben nicht mehr an einer Wende im Bildungsressort, jedenfalls nicht mit Ihrer Führung.»
Ausschlaggebend für den Misstrauensantrag der CDU-Fraktion war nach eigenen Angaben aber eine Haushaltssperre, die das Ressort fünf Wochen nach der Verabschiedung des Haushalts verhängt hatte. «Gerade in der Haushaltsfrage und im Finanzbereich herrscht Chaos», kritisiert der CDU-Fraktionsvorsitzende. Das Jahresbudget für die Energiekosten sei schon nach sechs Monaten aufgebracht gewesen.
Die Fraktionen von FDP und Bündnis Deutschland unterstützten den Misstrauensantrag. Allerdings kommt die Opposition nur auf höchstens 39 Stimmen, nötig wäre eine Mehrheit von mindestens 44 Stimmen gewesen. Die Regierungsfraktionen von SPD, Grüne und Linke stellten sich hinter Aulepp.
Bremens Regierungschef verteidigt Bildungssenatorin
Der Misstrauensantrag sei «in jeder Hinsicht unbegründet», sagte Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD). Gerade die kritisierte Haushaltssperre sei ein Zeichen für das verantwortungsvolle Handeln der Bildungssenatorin. «Es muss deswegen natürlich kein Schulkind zu Hause bleiben und es wird deswegen auch kein einziger Kitaplatz gestrichen oder nicht eingerichtet. Es wird keine Lehrerin, kein Lehrer weniger eingestellt», betonte Bovenschulte. Das Ressort arbeite schon an Lösungen für die finanziellen Probleme.
Die Bildungssenatorin habe eine «Herkulesaufgabe» zu bewältigen, sagte der Bürgermeister. In Bremen leben 6000 Kinder mehr als noch vor wenigen Jahren, die Kita- und Schulbetreuung müsse massiv ausgebaut werden. Den bundesweiten Fachkräftemangel nun Aulepp vorzuwerfen, sei «nicht seriös und nicht fair», argumentierte Bovenschulte. «Unter diesen äußerst schwierigen Rahmenbedingungen engagiert sich Bildungssenatorin Sascha Aulepp in höchstem Maße mit vollem Engagement für die Interessen unserer Kinder.» Die Mehrheit der Abgeordneten sprach der Senatorin schließlich weiter das Vertrauen aus und lehnte den Misstrauensantrag in einer geheimen Abstimmung ab.
Tatsächlich trägt Bremen bei Schülerleistungsvergleichen stets die rote Laterne im Bundesländer-Ranking. Das ist allerdings unfair: Bremen hat als Stadtstaat eine völlig andere Sozialstruktur als die Flächenländer (und wäre besser mit Städten wie Dortmund oder Nürnberg vergleichbar). So ist die Armutsquote im Land Bremen mit rund 29 Prozent im Vergleich zu anderen Bundesländern mit Abstand am höchsten. Sie liegt mehr als doppelt so hoch wie in Bayern, Baden-Württemberg oder Brandenburg. News4teachers / mit Material der dpa
Bremen darf man auch nicht mit den anderen Bundesländern vergleichen, der Vergleich mit Gelsenkirchen oder einer anderen Großstadt ähnlicher Größe wäre fairer. Allerdings macht das die Situation nur statistisch weniger übel.
Man kann sicherlich vielen Politikern viel vorwerfen.
Aber DIESER spezifische Vorwurf in Kombination mit einem “Misstrauensantrag” (ich nenne das mal so) ist doch arg durchsichtig.
Warum ausgerechnet Nürnberg, wo ca. 51% der Einwohner einen Migrationshintergrund haben, während es in Bremen nur ca. 44% sind , oder Dortmund mit nur ca. 41%? Am Geld allein sollte es in HB auch nicht liegen, denn Bremen liegt beim BIP pro Kopf knapp hinter Bayern auf Rang 3 der Bundesländer. Bei der Finanzkraft pro Einwohner sieht es für Bremen eigentlich auch ziemlich gut aus, denn nach Durchführung des Finanzkraftausgleichs rückt Bremen auf Rang 2 vor, Bayern rutscht auf Rang 10 ab.
Bremen hat quasi seit immer eine sozialdemokratische Regierung und Bildungspolitik.
Nürnberg wurde auch die mit Abstand längste Zeit von OBs der SPD regiert. Ändert für mich aber nichts daran,dass ich es sinnvoller fände Bremen mit Städten zu vergleichen, die von Einwohnerzahl, Bevölkerungsstruktur etc. ähnlicher wären als es Nürnberg ist.
Na, das muss jetzt aber mal endlich aufhören … die anderen Parteien haben auch Vollpfosten, die sich in der Schulpolitik mal so richtig blamieren wollen (vgl. NRW 🙂 )
NRW war in früheren Zeiten auch eher SPD. Aber ja, die anderen Parteien ruinieren das Bildungssystem ähnlich, die CDU vielleicht etwas langsamer, die Grünen dafür schneller.
Weil Dortmund und Nürnberg eine vergleichbare Größe haben? Davon auszugehen, dass
+/- 5% beim Migrationshintergrund die Städte unvergleichbar machen ist populistischer Müll. Für Migrationshintergrund nach Mikrozensus reicht ein Elternteil, das nicht von Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit hatte. Klingt nicht mehr ganz so nach den 2015 hierher Gekommenen, nach Flüchtlingen ohne jede Schulbildung, ohne Sprachkenntnisse?
Grundsicherungsempfänger in Bremen 18% (Bremerhaven 22%), Bayern 5 % (2022). Nur falls die genannte Armutsquote im Artikel nicht reicht. Wie sieht es dann in beiden Ländern mit der frei verfügbaren Finanzkraft aus? Mit den Möglichkeiten, attraktive Angebote an Lehrkräfte zu machen, neue Modelle auszuprobieren?
Erst mal einen ‘raushauen’, wer sieht sich schon Details an, irgendwas bleibt schon hängen.
Ja, die machen auch viele fragwürdige Dinge, aber der Spielraum ist mehr als gering.
Nürnberg soll eine ähnliche Einwohnerzahl haben wie das Bundesland Bremen? Wollen Sie das wirklich glauben? Und warum vergleichen Sie beim Thema Grundsicherung, Armutsquote etc. plötzlich Bremen und Bremerhaven mit dem gesamten Flächenbundesland Bayern, statt mit Nürnberg oder Dortmund? Dass Bremen von den gut 1.600 € pro EW , die es nach dem Finanzkraftausgleich mehr hat als Bayern, eine größeren Teil für Zinsen ausgeben muss, weil die Verschuldung pro Kopf ca. 12 mal so hoch ist wie in Bayern, würde ich aber schon auch annehmen. Ich bin trotzdem weiterhin der Meinung, dass ein Vergleich mit Städten ähnlicher Einwohnerzahl, Bevölkerungsstruktur etc. deutlich sinnvoller wäre.
Aus dem Grund habe ich Gelsenkirchen vorgeschlagen.
Laut website der Stadt hätte Gelsenkirchen ungefähr 264.000 EW, davon ca. 36% mit Migrationshintergrund. Das Bundesland Bremen hätte ca. 691.000 EW , davon ca. 44% mit Migrationshintergrund.
Ja, das ist richtig. Ich, meine Kinder, deren Freundin, deren Mutter in Italien geboren ist, alle haben wir Migrationshintergrund. Deshalb mag ich die Definition überhaupt nicht, sie ist nicht aussagekräftig. Besser wäre es, die Zahl der Armutsbetroffenen zu erfassen. Die liegt in Bremen hoch.
Eventuell noch die Zahl derjenigen, die Deutsch als Zweitsprache erst noch erwerben müssen.
In der Schulstatistik in NRW scheint es für das Merkmal “Migrationshintergrund” tatsächlich zu reichen, wenn ein Elternteil im Ausland geboren wurde oder eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt. Ein Bekannter, der in Bayern die Schulstatistik seiner Schule betreut, meinte, dass dort beim Merkmal Migrationshintergrund nur solche SuS geführt werden, die selber im Ausland geboren wurden oder keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder angeben, dass in der Familie nicht Deutsch gesprochen wird. Das macht die Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern nicht unbedingt einfacher.
“Never change a running / winning System!”
😉
Das ist eines der zentralen Probleme in der deutschen Politik oder gerne auch Verwaltung.
Stadtstaaten als Bundesländer in anderen Bundesländer integrieren. Bundesländer so zusammenlegen, dass diese ca 10 Mio Einwohner haben, dann sind diese Tests (Pisa …) auch besser Vergleichbar. Die Bundesländer hätten dann in etwa soviel Einwohner wie Norwegen, Finnland, Schweden, Belgien, Niederlande.
Die Länder haben sich zum Bundesstaat zusammen geschlossen. Der Bund kann die Länder nicht zu Fusionen zwingen. Die Länder können diese anstreben, wird aber – siehe BE/BB – von den Landeskindern nicht gewollt.
Btw – dann müsste NRW geteilt werden.
Stimmt – Westfalen und Rheinländer zusammen – das war bei der Gründung des Landes NRW bereits ein eklatanter Fehler. 🙂
… dem sich die CDU bis in Biedenkopfszeiten ja vehemnt entgegengestellt hat und einen eigenen LV Westfalen und einen LV Rheinland unterhielt.
Das gleiche bei der Bergverwaltung, bei der es ein rheinisches Oberbergamt in Bad Godesberg und ein westfälisches in Dortmund gab. Das preussische Provinzialvermögen wird heute noch von den beiden Landschaftsverbänden – dem LVR und dem LWL – verwaltet. Und dann mussten die Westfalen sich auch noch mit den Lippern auseinandersetzen und das Land NRW die Punktationen schlucken.
By the way – die südlichen rheinischen Bezirke um Koblenz und Trier wurden vom Rheinland abgeschnitten und RLP zugeschlagen.
Wollen Sie Bremen etwa den Niedersachsen und Berlin den Brandenburgern aufs Auge drücken? Die würden sich aber fein bedanken!
Eine Trennung von Rheinländern und Westfalen allerdings…
War als Vorgabe der Alliierten 1948 in den sog.Frankfurter Dokumenten zur Gründung eines deutschen westlichen Teilstaates vorgesehen – wurde damals aber von der damit befassten Ministerpräsidentenrunde abgelehnt, um die gewachsenen Bevölkerungsstrukturen und den denen zugrunde liegenden “Stammeseigenarten” (Westfalen, Schwaben, Friesen, Bayern, Badener, Hessen usw) Rechnung zu tragen.