CSU beschließt “Agenda für Fleißige”, GEW (mit Blick auf Lehrkräfte): “Frechheit!”

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MÜNCHEN. CSU-Chef Markus Söder beklagt seit Monaten einen Trend „zu immer weniger Arbeit, mehr Teilzeit und Work-Life-Balance“. In Deutschland müsse wieder mehr gearbeitet werden. Im ARD-Interview betonte er am Wochenende, „nur mit Halbtagsjob, mit Vier-Tage-Woche“ funktioniere es nicht. In einem Papier zur Wirtschaftspolitik, das nun auf dem Parteitag beschlossen wurde, fordert die CSU dann jetzt auch eine entsprechende „Agenda für die Fleißigen“. Darin heißt es: „Mit einer Vier-Tage-Woche werden wir weder unseren Wohlstand erhalten noch im internationalen Wettbewerb bestehen können.“ Die GEW zeigt sich mit Blick auf die Situation von Lehrkräften empört.

Haben Lehrkräfte genug “Work-Life-Balance”? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

„Die CSU beschließt eine ‚Agenda für die Fleißigen‘ und fordert längeres Arbeiten. Gleichzeitig ergibt eine Anfrage im bayerischen Landtag, dass 82 Prozent der Lehrkräfte die Regelaltersgrenze nicht erreichen und vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden“, erklärt Martina Borgendale, Vorsitzende der GEW Bayern (News4teachers berichtete über die Entwicklung).

Die Gewerkschafterin betont: „Im Jahr 2023 haben die Beschäftigten deutschlandweit 1,3 Milliarden Überstunden gemacht, einen großen Teil davon unbezahlt. Dieser Beschluss der CSU ist eine Frechheit gegenüber all den Beschäftigten an den eigenen Dienststellen, die unbezahlte Mehrarbeit im großen Umfang leisten, und das dann noch mit ihrer Gesundheit bezahlen, weil der Freistaat seiner gesetzlich vorgeschriebene Verantwortung hinsichtlich der Gesundheit seiner Beschäftigten nicht nachkommt und unangemessene arbeitsbedingte Gefährdungen ignoriert. Die GEW kann Staatskanzlei, Finanzministerium und CSU-Fraktion nur davor warnen zu glauben, dass mit von oben verordneter Mehrarbeit durch Verhinderung von Teilzeitmöglichkeiten der inzwischen katastrophale Lehrkräftemangel an den Schulen auch nur im Ansatz behoben werden könnte.“

Die Belastungen für Lehrkräfte seien in den letzten zehn Jahren massiv gestiegen. „Die Zahlen belegen das ausdrücklich und sind erschreckend“, so Borgendale. „Über 80 Prozent der Lehrkräfte erreichen nicht mehr die Regelaltersgrenze. Niemand möchte krank und überlastet aus dem Dienst ausscheiden. Das Piazolo-Paket und der damit verbundene Zwang, mehr und länger zu arbeiten, haben sich kontraproduktiv ausgewirkt und treiben vor allem ältere Kolleg*innen in die Dienstunfähigkeit.“

Hintergrund: Der frühere bayerische Kultusminister hatte 2020 aufgrund des Lehrermangels verfügt, dass Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen (wie in Bayern die Hauptschulen heißen) länger arbeiten müssen; die Mehrarbeit sollte ihnen später gutgeschrieben werden. Viele Teilzeitler mussten ihren Stundenumfang aufstocken, der Vorruhestand wurde eingeschränkt, Sabbatjahre gestrichen (News4teachers berichtete).

„Wir müssen die Belastungen endlich systematisch an allen Schulen erfassen und für Abhilfe sorgen, damit der Beruf wieder an Attraktivität gewinnt. Der Freistaat kommt hier seiner gesetzlichen Pflicht, die Kolleg*innen vor berufsbedingten unangemessenen Belastungen zu schützen, nicht nach“, so Borgendale.

Ihr Vize Florian Kohl ergänzt: „Das sind einfach nur krasse Zahlen. In der Beratung erleben wir das regelmäßig und begleiten überlastete und bereits berufsbedingt erkrankte Lehrkräfte in die Teildienstfähigkeit oder in den vorzeitigen Ruhestand. Niemand verdient es, nach jahrzehntelangem Dienst für den Freistaat nach würdelosen Untersuchungen beim Amtsarzt krank aus dem Dienst auszuscheiden, ohne Dank und angemessene Verabschiedung. Wir brauchen endlich angemessene arbeitsmedizinische Versorgung an den Schulen, fachlich angemessene und vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilungen und gezielte Maßnahmen, um die Arbeitsbedingungen wieder erträglich zu gestalten.“ News4teachers

Allein in einem Bundesland: Fast 1.000 Beschäftigte kehren Schuldienst den Rücken – viele junge Lehrkräfte

 

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28 Kommentare
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Onkel Thomas
1 Monat zuvor

Warum habe ich das Gefühl, dass es von der GEW nur plakative Anschuldigungen kommen, anstatt dafür zu sorgen, dass es endlich Taten gibt.
Wo bleibt die Arbeitszeiterfassung?
Wo sind die regelmäßigen Pressetermine, um diese einzufordern?
Wo bleibt die Klagewelle?

Im Prinzip müssten die Aufsichtsbehörden mittlerweile völlig überfordert sein; allein bei ca. 33.000 allgemeinbildende Schulen.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/476776/umfrage/allgemeinbildende-schulen-in-deutschland/

Die Aufsichtsbehörden können bei der Gelegenheit auch gleich bezüglich der fehlenden Gefährdungsbeurteilungen eingeschaltet werden.

@ GEW & Co., Personalräte: Bitte kümmert euch.

Hysterican
1 Monat zuvor
Antwortet  Onkel Thomas

Hmmmm, wahrscheinlich sind die Aufsichtsbehörden personell unterbesetzt und beschäftigen zuviele Teilzeitkräfte, die den heranstürmenden Arbeitswust nicht mehr bewältigen können.

….war nur so’n Gedanke!!

Realist
1 Monat zuvor
Antwortet  Hysterican

Wenn die Lehrkräfte nicht soviel Teilzeit machen würden, wäre der Lehrkräftemangel gelöst und die Teilzeitkräfte in den Schulbehörden und Gewerbeaufsichtsämter könnten endlich wieder eine ruhige Kugel schieben…

Riesenzwerg
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Heißt das, die Teilzeitkräfte sind Schuld oder und verantwortlich für den Lehrkräftemangel?

Oder ist das so gemeint, dass Stundenreduzierungen nicht genehmigt werden? Dann bin ich ganz bei Ihnen.

Seien wir ehrlich – die Gewerkschaften (egal welche) sind n i c h t verantwortlich für das Nichterfassung der Arbeitszeit.

Fordern und Klagen – ja gerne! Muss vielleicht jeder machen.

Doch – wer macht das schon?

Mitglieder und Unterstützer fehlen, um mit Nachdruck etwas zu fordern. Und wie bei jeder Demo macht nur die Masse (etwas) Eindruck.

Andere Alternative – krank werden.

Dann dauert es nicht mehr lange, bis auch die Glorreichen begreifen, dass Lehrkräfte ein kostbares Gut (Humankapital) sind, das man hegen und pflegen muss.

(Man darf ja noch träumen… )

Walter Hasenbrot
1 Monat zuvor
Antwortet  Onkel Thomas

Ohne Streikrecht können die Verbände nur sehr wenig ausrichten. Die GEW setzt sich aber zumindest in NRW für die Einführung der Arbeitszeiterfassung ein.

Und an der Klagewelle können Sie sich selbst beteiligen. Dafür brauchen Sie die Verbände gar nicht.

PS: Eigentlich sollte sich Ihre Kritik eher zum Beispiel an den Philologen Verband richten. In der Personalversammlung in Düsseldorf verkündete der Vertreter des Philologen Verbandes neulich, dass der Verband sich bundesweit nicht für eine Arbeitszeiterfassung einsetzen will, da er sie eher kritisch sieht.

Auf den Hinweis, dass der PhV in BW eine Klage unterstützt, wurde der Vertreter sehr ungehalten und meinte, dass man in BW mittlerweile auch seine Meinung geändert habe.

Ich bin übrigens (noch) Mitglied im PhV.

Florian
1 Monat zuvor
Antwortet  Onkel Thomas

Hey,

du kannst sicher sein, dass das Thema Arbeitszeiterfassung als Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bereits sowohl über die Gewerkschaftsseite (beispielsweise beim Fachtag AMIS letzte Woche, in den Gesprächen im KM) als auch über die GEW-Vertreter*innen im Hauptpersonalrat in Bayern offensiv gespielt wurde und wird – gerne komme ich auch mal bei Euch im Kollegium oder einer Personalversammlung vorbei, und referiere zum Thema – die Frage muss man aber an alle anderen Verbände in Bayern richten: BRLV, bpv, BLLV und KEG sind scheinbar alles andere als daran interessiert zu sein, die Arbeitszeiterfassung im Schulbereich auf den Weg zu bringen – im Ministerium behandelt man die Erfassung wie den Teufel und hat mega Angst.

Viele Grüße,
Florian K.

DerechteNorden
1 Monat zuvor
Antwortet  Onkel Thomas

Und Herr Söder?
Der ist hier derjenige, der Lehrkräfte indirekt als “faule Säcke” bezeichnet, und Sie hacken auf der GEW herum?

Onkel Thomas
1 Monat zuvor
Antwortet  DerechteNorden

„Tue Gutes und rede darüber.“
Sollte am Thema Arbeitszeiterfassung mit hoher Priorität gearbeitet werden, finde ich dazu keine regelmäßigen öffentlich zugänglichen Informationen. Zur Suche verwende ich http://www.wiso-net.de.
Wiese kann sonst die KMK ohne großen Wiederspruch sagen, dass an einer Einführung der Arbeitszeiterfassung aktuell nicht gedacht wird?

DerechteNorden
1 Monat zuvor
Antwortet  Onkel Thomas

? Verstehe ich nicht. Herr Söder ist also Ihr Held?

Onkel Thomas
1 Monat zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Herr Söder ist alles, nur nicht mein Held.
Darüber hinaus gehe ich von folgenden Grundannahmen aus:
– Der Arbeitgebers will mich über den Tisch ziehen — das geschieht sehr erfolgreich; dazu muss man sich nur die ganzen Kommentare auf N4T ansehen.
– Die Aufgabe der Gewerkschaft ist u.a. sich für die Belange der Arbeitnehmer einzusetzen und die Arbeitnehmervertretung zu unterstützen.
– Die Aufgabe der Arbeitnehmervertretung ist u.a. sich für die Belange der Arbeitnehmer einzusetzen.
– Die Aufgabe der Arbeitnehmer ist es sich für die eigenen Belange einzusetzen und diese gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu artikulieren.
 
Wie gesagt, unser AG ist hier sehr erfolgreich! Dafür kann man Ihm, muss man aber nicht, Anerkennung zollen.
Weniger erfolgreich ist die Seite der AN. Hier müssen wir auf jeden Fall mit unserer Arbeitnehmervertretung zusammenarbeiten unsere Wünsche artikulieren und diese bestmöglich unterstützen. Damit haben wir meiner Meinung nach die besten Karten, dass etwas passiert.
 
Meine Hoffnung liegt für das nächste Jahr auf:
– die GEW Bundesversammlung
– die Tarifverhandlungen
 = samt einer Modifikation des §44 im TV-L  
 

Unverzagte
1 Monat zuvor
Antwortet  Onkel Thomas

Sind Sie Mitglied einer Gewerkschaft?

Onkel Thomas
1 Monat zuvor
Antwortet  Unverzagte

Ja. GEW und zuvor in der IGM.

“Auf den Hinweis, dass der PhV in BW eine Klage unterstützt, wurde der Vertreter sehr ungehalten und meinte, dass man in BW mittlerweile auch seine Meinung geändert habe.” (siehe Walter Hasenbrot)

Das ist auch bei uns das Problem. Es gibt leider (noch) keinen Konsens pro “Arbeitszeiterfassung”.

Kiribimkiribom
1 Monat zuvor
Antwortet  Onkel Thomas

Nachdem ich vor zwei Jahren beim Gewerbeaufsichtsamt deswegen nachgefragt habe und mir mitgeteilt wurde, dass das Kultusministerium kein Interesse an einer Überwachung durch die Gewerbeaufsicht habe, war mir alles klar. Die entsprechenden Stellen und Behörden kommen demzufolge nicht ihrer eigentlich gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfungspflicht nach. Deshalb kommt die Klage. Es geht nicht mehr anders.

Der Zauberlehrling
1 Monat zuvor

Der Amtsarzt stützt seine Entscheidungen auf Gutachen von Fachärzten und untersucht selbst relativ wenig.

Wer würdelos untersucht werden möchte, kann bei der Katholischen Kirche um die Annulierung seiner kirchlich geschlossenen Ehe ersuchen. Das ist würdelos und völlig unter der Gürtellinie.

Dagegen ist der Besuch beim Amtsarzt ein Kaffeekränzchen mit etwas bitterem Kaffee.

“Wir brauchen endlich angemessene arbeitsmedizinische Versorgung an den Schulen, fachlich angemessene und vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilungen und gezielte Maßnahmen, um die Arbeitsbedingungen wieder erträglich zu gestalten.”

Das gab es auf den Gutsherrenhöfen in Pommern auch nicht.

Die Vorschriften gibt es – nur werden sie nicht eingehalten und es kümmert sich niemand drum. Das Schwein bei Tönnies auf der letzten Meile hat es besser als der Lehrer im Klassenzimmer.

Dude
1 Monat zuvor

Wie wäre es wenn speziell Söder mal mit gutem Beispiel vorangeht und nicht den lieben langen Tag den Kasper auf TikTok spielt?!

potschemutschka
1 Monat zuvor

Man könnte doch in den Schulen, nach amerikanischem! Vorbild, den “Lehrer des Monats” an einer Wandtafel präsentieren. Das motiviert vielleicht den einen oder anderen. 🙂

Riesenzwerg
1 Monat zuvor
Antwortet  potschemutschka

Amerikanische Vorbilder – gerade hier in diesem Bereich – machen mich persönlich sehr aggressiv und führen eher zum Gegenteil (bei mir).

Es muss auch endlich mal ohne Konkurrenzkampf gehen!

Der führt nur noch mehr und schneller ins Burnout.

Meine Meinung.

Andere finden das vielleicht cool. Ich finde das stressig.

Und davon habe ich auch so genug.

potschemutschka
1 Monat zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Das verstehe ich! Als ich so eine “Tafel der Besten” zum ersten Mal im Amiland sah, dachte ich als “gelernter Ossi”, ich bin im falschen Film! 🙂

Hysterican
1 Monat zuvor
Antwortet  potschemutschka

Wird der da aufgehängt – nach guter alter Wild-West-Tradition?
Dann verstehe ich den motivierenden Charakter dieser Maßnahme.

potschemutschka
1 Monat zuvor
Antwortet  Hysterican

🙂 (allerdings schrieb ich bewusst “präsentieren”, nicht “aufhängen”.

Kritischer Dad*NRW
1 Monat zuvor
Antwortet  potschemutschka

Kommt dann auch die „Pfeife des Monats“ auf dem Podest?
Im Ursprung ist die Auswahl des Mitarbeiters des Monats oft auf leistungsbasierten Kriterien aufgebaut. An Schulen sicherlich schwierig.

potschemutschka
1 Monat zuvor

“Leistungsbasierte Kriterien” – mehr ioder weniger. Manchmal auch “Ar…Kr…-Prämie 🙂 Kommt ganz darauf an, wer die Kriterien festlegt und entscheidet, wer der “Beste” ist. Und wie sind die Kriterien für die im Artikel genannte “Agenda der Fleißigen”? Wer legt fest, was “fleißig” bedeutet?

Rainer Zufall
1 Monat zuvor

Aja, die Ansprüche hochschrauben, während die Arbeitsbedingungen schlechter werden und zu wenige Arbeitskräfte verfügbar sind – DARUM gilt die Union als Finanzexpertin, ja? 😛

Lisa
1 Monat zuvor

Ich höre gerade “Geier Sturzflug” aus den Achtzigern : ” Und jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt” . . . Hier ist auch Herr Söder hängen geblieben.

Riesenzwerg
1 Monat zuvor
Antwortet  Lisa

Nur leider ist er im “WIR” nicht dabei….

lehrlicht
1 Monat zuvor

Nicht nur mit Blick auf Lehrkräfte. Ich bin diese Fleißdebatte leid. Besonders wenn sie von jemandem angestoßen wird, der mWn in den vergangenen zwei Jahren nur an 20 % der Landtagssitzungen teilgenommen hat. Zum Beispiel Pflegepersonal, Paketzusteller oder jemand der im Supermarkt Regale einräumt leistet für unsere Gesellschaft mehr als manch anderer.

GriasDi
1 Monat zuvor

Wieder ein Söder-Blubb. Mit Blick auf Lehrkräfte. Die können ja gar nicht gemeint sein, da sich ja niemand für deren Arbeitszeit interessiert. Sonst würde man sie ja erfassen.

GriasDi
1 Monat zuvor

Da muss ich aber noch viel Mist bauen, bis ich so viel Geld verschwendet habe wie der Hochleistungs-Andi-Scheuer.