Kurz nach Schulstart: Schulen melden (schon wieder) Stundenausfall und Mehrarbeit

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STUTTGART. Neues Schuljahr, alte Probleme: An vielen Schulen in Baden-Württemberg fällt Unterricht aus. Der Grund: fehlendes Personal. Darauf verweist eine Umfrage unter Schulleitungen des Verbands Bildung und Erziehung. Demnach kämpft jede vierte befragte Schule mit einer Personallücke von über zehn Prozent.

Der Stresspegel an den Schulen sei von Beginn an hoch, kritisiert der Verband Bildung und Erziehung. Symbolfoto: Shutterstock

Wenige Wochen nach dem Start ins neue Schuljahr beklagen viele Schulen im Südwesten bereits wieder Unterrichtsausfall. Aus einer nicht repräsentativen Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) unter mehr als 1.000 Schulleitungen geht hervor, dass an fast der Hälfte der befragten Schulen in der dritten Schulwoche bereits Unterricht ausfallen musste. An vier von zehn Schulen hätten Klassen zusammengelegt werden müssen, an jeder zweiten Schule müssten die Lehrkräfte Überstunden leisten, so VBE-Landeschef Gerhard Brand. Oftmals ist nicht einmal der Unterricht in den Pflichtfächern abgedeckt: Davon berichten die Schulleitungen an 17 Prozent der Grundschulen, 38 Prozent der Sek-1-Schulen und 57 Prozent der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ).

„Der Stresspegel ist von Beginn an hoch. Wenn bereits in der dritten Schulwoche das halbe Lehrpersonal überlastet ist, Unterrichtsstunden ausfallen und Klassen zusammengelegt werden müssen, dann brauchen wir uns über das Verfehlen von Mindeststandards nicht mehr wundern“, so Gerhard Brand. Gleichzeitig gefährde die Unterrichtssituation die Gesundheit der Lehrkräfte, die durch eine höhere Arbeitslast den versteckten Personalmangel kaschieren müssten. „Die Angaben führen uns vor Augen, wie dünn die Personaldecke nach wie vor ist. Um Ausfälle und Fehlzeiten durch Krankheiten, Schwangerschaften oder Fortbildungen kompensieren zu können, müssten eigentlich alle Schulen mit einer Personalreserve von zehn bis 20 Prozent ins Schuljahr gehen.“

Leichte Verbesserungen im Vergleich zu den Vorjahren

Im Vergleich zum Vorjahr sieht die Gewerkschaft aber auch eine Verbesserung bei der Versorgung mit Lehrkräften. Demnach gaben bei der Umfrage 30 Prozent der befragten Schulleitungen an, ihre Schule sei zu 100 Prozent mit Lehrkräften versorgt. Im Vorjahr hatten das nur 25 Prozent der Befragten angegeben, im Jahr 2022 nur 21 Prozent. Auf der anderen Seite bedeutet das allerdings, dass an 70 Prozent aller abgefragten Schulen Lehrkräfte fehlen. Nach VBE-Angaben betrifft dies sechs von zehn Grundschulen, drei Viertel der Sek-1-Schulen und fast alle Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Jede vierte Schule fällt laut VBE sogar unter die 90-Prozent-Marke und kämpft demnach mit Personallücken von über zehn Prozent.

An der Umfrage nahmen nach Angaben der Gewerkschaft vom 23. bis 27. September 1.053 Schulleitungen teil. Insgesamt gibt es im Südwesten rund 4.000 allgemeinbildende Schulen. Der VBE-Landeschef Brand geht davon aus, dass tendenziell eher die Schulen geantwortet hätten, die nicht ausreichend mit Lehrkräften versorgt seien.

Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hatte wenige Tage vor Schulbeginn mitgeteilt, dass noch 250 Lehrerstellen im Südwesten unbesetzt seien. Im Jahr zuvor hatte dieser Wert noch bei 565 Stellen gelegen. Inzwischen seien auch diese Stellen im Wesentlichen besetzt, wie ein Sprecher des Ministeriums mitteilt. Konkrete Zahlen könne man noch nicht nennen. Die eigene Abfrage zur Unterrichtsversorgung habe das Ministerium auf den November verschoben, um die Schulleitungen am Anfang des Schuljahres zu entlasten, so der Sprecher.

Sonderpädagogische Schulen bereiten Sorge

Besonders die Personalsituation an den SBBZ bereitet dem VBE Sorge. Dort fehlen der Umfrage zufolge an fast der Hälfte der befragten Schulen 20 bis 40 Prozent der Lehrkräfte. Im vergangenen Jahr traf dies laut Verband noch auf rund 37 Prozent der befragten Schulen zu. „Es wird immer von Bildungsgerechtigkeit gesprochen, aber die Praxis zeigt, dass bei den Schwächsten in der Bildungslandschaft maximal gespart wurde“, kritisiert der VBE-Landesvorsitzende Brand. Gleichzeitig kämpften diese Einrichtungen mit der Abordnung von Lehrkräften an die Regelschulen. „Sie zerreißen sich geradezu zwischen ihrem eigenen Betrieb und dem Bedienen der Inklusion. Der VBE sieht das Land in der Pflicht, beide Bereiche, die Beschulung am SBBZ und die Inklusion stärker aufzustellen. Hierzu muss es gelingen, deutlich mehr qualifiziertes Personal in der Sonderpädagogik auszubilden.“

Die SPD im Landtag fordert vom Land mehr Engagement für die SBBZ: „Deren Unterstützung scheint dieser Landesregierung nicht wichtig – und damit auch die Stärkung der Inklusion. Denn in den groß beworbenen Bildungsreformen spielen SBBZ und Inklusion überhaupt keine Rolle“, kritisiert der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Stefan Fulst-Blei. Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern nennt die Situation an den SBBZ „katastrophal“. Leidtragende seien die Kinder und deren Eltern. News4teachers / mit Material der dpa

Gegen zunehmenden Lehrkräftemangel: Verstärkt Migranten, Menschen mit Behinderungen und Männer rekrutieren!

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Fräulein Rottenmeier
27 Tage zuvor

„Demnach gaben bei der Umfrage 30 Prozent der befragten Schulleitungen an, ihre Schule sei zu 100 Prozent mit Lehrkräften versorgt.“

Dazu muss man aber wissen, dass mit 100% gemeint ist, dass die Stundentafel als Mindestanforderung (siehe Minimalstundenvorgabe) gehalten werden kann. Nicht enthalten sind Förderstunden, Teamteaching, zusätzliche Schwimmbegleitung, also wirklich nur das aller notwendigste.

Selbst eine Ausstattung mit 110 % erlaubt keine großen Spielräume….

Wehe, wenn KuK krank werden oder auf Fobis sind….

Mannkannesnichtfassen
27 Tage zuvor

Wie auch in NRW. Und was macht man zur Akquise neuer Lehrkräfte? Teilzeit nur in absoluten Ausnahmefällen, Sabbatjahr gestrichen, angeordnete Mehrarbeit von X Stunden die Woche (natürlich zählt nur der Unterricht), nur Auszahlung von Überstunden möglich, Freizeitausgleich eben nicht. Arbeitszeitkonten? Was ist das?

Wie schreibt ein anderer Forist immer so treffend?

Lehramt? Ich bin doch nicht blöd!

DienstnachVorschrift
27 Tage zuvor

In Sachsen-Anhalt gibt es Arbeitszeitkonten, aber die Stunden kann man erst in vielen Jahren abfeiern. Außerdem verringern Arbeitszeitkonten nicht die derzeitige Belastung.

ExLehrerin
26 Tage zuvor

Genau, oder erst nach dem Burnout oder Tod abfeiern, wenn sowieso das Leben vorbei ist.
Ganz ehrlich, wenn die Schülerzahl pro Klasse minimiert/halbiert wäre und die Arbeitszeit erfasst und bezahlt wäre, würde ich sogar zurückkommen und ein/zwei Tage Abwechslung in der Schule erleben.
In Norwegen hat man z. B. 15-18 SuS pro Klasse und zwei anwesende Lehrer. Da kann man entspannt arbeiten. Und Elterngespräche führt man erst einmal in zwei Jahren nach Bedarf, wenn überhaupt!

potschemutschka
26 Tage zuvor

Zu den Arbeitszeitkonten einfach mal die Berliner Lehrer fragen 🙂 Stichwort “temporäre” Erhöhung der Stundenzahl.
In Berlin wurde die Stundenzahl 2003 “temporär” erhöht für alle Lehrer und es gab dafür pro Schuljahr 5 Tage AZK. Das “temporär” endete nach 11 Jahren, also 2014 – d. h. eigentlich endete nur das Ansparen vom AZK (die Ausgleichstage gibt es seitdem nicht mehr), die 2h Mehrarbeit sind bis heute geblieben 🙂
Vorteil für die Kultusminister – die jüngeren Kollegen (nach 2003 angefangen) kennen es nicht mehr anders 🙂

ABC
25 Tage zuvor
Antwortet  potschemutschka

Was für eine Schweinerei!

Brasilero
26 Tage zuvor

Und Lehrkräfte, die sich einbringen wollen, werden mit Zeitar – beitsverträgen aufgerieben. Dazu kommt noch die unsägliche Arroganz des RP s von Münster , der in einem Interview erklärt:” A 13 für Grundschul-Lehrkräfte gibt es nur für beamtete Lehrkräfte. Finde den Fehler

dickebank
26 Tage zuvor
Antwortet  Brasilero

A-Besoldung ist eben die Vergütung im Einstiegsamt der Laufbahngruppe II, zweites Einstiegsamt. Ebenso ist A13 die Vergütung für Beamte und Beamtinnen im Übergangsamt vom gehobenen in den höheren Dienst. Studienräte in NRW erhalten eine Zulage. Lehrkräfte, die keine Befähigung für die SekI+II haben, behalten die Amtsbezeichnung “Lehrer*in”, auch bei einer Eingruppierung in die Laufbahngruppe II, zweites Einstiegsamt.

Für tarifbeschäftigte Lehrkräfte in NRW gilt der TV-L. Das Pendant zu A13-Stellen ist die Eingruppierung in E13. Problematisch wird es aber erst oberhalb der A14-Eingruppierungen. Der TV-L sieht keine Entgeltgruppen E15 und E16 vor.

Das wiederum bedeutet, dass bei einer Eingruppierung von Lehrkräften der Primarstufe und der SekI im Eingangsamt zu E13 maximal noch eine Höhergruppierung möglich ist. Für Beamte und Beamtinnen hingegen gilt das nicht.

Marie
26 Tage zuvor

Mit ihrer Teilzeitregelung hat sich Frau Feller keinen Gefallen getan. Die betroffenen Kollegen stellen massenweise DU-Anträge. Ergebnis allein an unserer Schule: eine Kollegin muss 5 Stunden, die andere 2 Stunden weniger als ursprünglich beantragt arbeiten. Dazu dürfen beide nun nicht mehr gegen ihren Willen abgeordnet oder versetzt werden. Geliefert wie bestellt…

Riesenzwerg
25 Tage zuvor
Antwortet  Marie

Das haben Ihre KuKs richtig gemacht!
Wofür sich aufreiben?

So sollten viel mehr reagieren.

Allerdings wird dann die Messlatte für die DU vermutlich noch höher gelegt.

Liebe KuKs – passt gut auf euch auf!

ginny92
25 Tage zuvor
Antwortet  Marie

Ich bin ehrlich ich habe auf genau solche Reaktionen gehofft. Es wird sich halt auch nichts ändern, wenn nicht bei dem letzten angekommen ist das den Lehrern nicht mehr auf zu Lasten ist. Die meisten sind bereits an oder über der Belastungsgrenze.

Realistin
26 Tage zuvor

Wer alles so lassen möchte, kann es so lassen.
Ich wünsche aber einem Teil von euch, dass ihr gleiche Regeln wie die IG Metall schafft: 32-Stunden Woche.
Quasi 4 Tage pro Woche
Wer nur 2-3 Schulstd. pro Tag hat, kann auch mal von zuhause aus homeschooling machen. Fahrzeiten (manche von euch fahren 1 Stunde zur Schule) entfallen dann.
Das sind 2 Stunden pro Tag.
Mit anständiger Entlohnung wegen Infla sollte es 15% rauf gehen.

Minna
26 Tage zuvor

Der Elefant heißt SARS-CoV2, mit dem weniger gefährlich klingenden Rufnamen Covid-19, volkstümlich auch Coroni [sic!].

Hier gibts einen Artikel darüber wie Coroni das Immunsystem schwächt:

https://www.wienerzeitung.at/a/das-perfide-am-coronavirus-es-schwaecht-koerper-wochenlang

Hier eine Long Covid Infoblatt für Schulleitungen etc. (Schweiz), es geht um betroffene Schüler – es wäre so toll, wenn News4Teachers das aufgreifen würde, die SchülerInnen brauchen dringend Unterstützung:

https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/nat-gesundheitsstrategien/post-covid-19-erkrankung/faktenblatt-post-covid-19-erkrankung-bei-kindern-und-jugendlichen.pdf.download.pdf/Informationsblatt_Post_Covid_DE_240702.pdf

Betroffen sind 20% der Kinder und 14 % der Jugendlichen:

https://www.medscape.com/viewarticle/long-covid-rates-kids-revised-upward-what-know-2024a1000hzi?form=fpf

Ich bin langsam etwas müde, kann der noch denkende Teil der Bevölkerung bitte mit dem Verdrängen aufhören und endlich wieder Infektionsschutz betreiben.

Danke.

Stromdoktor
26 Tage zuvor
Antwortet  Minna

Finde das Infoschreiben und Ihre Quellen gut und bin auch der Meinung, dass man besser aufklären könnte und sollte.

Allerdings leiten Sie persönlich daraus ab, dass Infektionsschutz betrieben werden müsste. Diese Schlussfolgerung ist Ihren Quellen nicht zu entnehmen.

Sie vermischen hier Fakten (Postcovid) und eigene Präferenzen.

lehrlicht
25 Tage zuvor
Antwortet  Stromdoktor

Ergibt sich aus der großen Anzahl der Erkrankten nicht automatisch die Notwendigkeit von Prävention? Z.B. hier: „Wenn wir so weitermachen wie bisher, ohne Prävention, bedeutet das allein in Großbritannien 130.000 Menschen pro Jahr, die nicht mehr in ihrem Job arbeiten können.“ https://www.manager-magazin.de/lifestyle/long-covid-konferenz-wir-muessen-uns-endlich-eingestehen-wie-gewaltig-dieses-problem-ist-a-4389644b-1795-4acf-bccf-759d6dce1982

Riesenzwerg
25 Tage zuvor
Antwortet  lehrlicht

“Präventiv” klappt in der Regel leider nur beim Zahnarzt.

Bei den richtig wichtigen Problemen – eher nicht.

Seufz.

lehrlicht
25 Tage zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Weil es bisher leider an Aufklärung mangelt. Es wird lieber verdrängt und verharmlost.

Dirk Z
23 Tage zuvor
Antwortet  lehrlicht

Was für Infektionsschutzmassnahmen stellen Sie sich aktuell noch vor? Mir fällt jetzt wirklich nichts ein was man machen kann ausser man vermeidet konsequent jeglichen Kontakt zu anderen Personen, was im Arbeits- und Schulumfeld nicht möglich ist. Eventuell ist eine Verbesserung der Luftqualität in geschlossenen Räumen über Luftfilter oder entsprechendes Lüftungsverhalten eine Option – das wars dann aber auch schon.

Marie
23 Tage zuvor
Antwortet  Dirk Z

Eltern könnten schon mal damit anfangen, woran-auch-immer erkrankte Kinder zu Hause zu lassen.

Mona
26 Tage zuvor

1 Praxistag pro Woche schaffen 🙂
4 Tage +1 sozusagen
Lehrer können dann zuhause bleiben

Riesenzwerg
25 Tage zuvor
Antwortet  Mona

Lustige Idee, die vielleicht sogar funktioniert.

Bei 28 Stunden verteilt sich die Unterrichtsverpflichtung dann auf vier Tage mit jeweils sieben Stunden am Stück.

Gruselige Idee, die so nicht funktioniert.

Und der Tag zu Hause ist auch nur die übliche unbezahlte Arbeit (oder die SuS müssen bei ihrem Praxistag besucht werden… ).

Ich fürchte, das führt zu noch mehr Überlastung. Wäre zumindest bei mir so.

Rainer Zufall
26 Tage zuvor

Uh, das wird der Landesregierung bestimmt auf die Füße fallen.
So viele wütende Bürger*innen, welche die “bessere” Bildungspolitik wählen werden (augenroll)

Dauert ja noch ne Weile bis zur Landtagswahl – die Probleme werden bis dahin aber bestimmt mitziehen =/