Kultusministerin kündigt an, 400 Maßnahmen zur Entbürokratisierung des Schuldienstes umzusetzen – Lehrer: Schau’n mer mal

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MÜNCHEN. Lehrerinnen und Lehrer klagen seit langem über zu viel Bürokratie und zu wenig Zeit für die Kinder, auch in Bayern. Dort will Kultusministerin Anna Stolz nun konkrete Maßnahmen auf den Weg bringen. Bei den Lehrkräften gibt es Freude – und Skepsis. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann kündigt an, genau hinzuschauen.

Ja is’ denn heut schon Weihnachten? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) hat ein Maßnahmenpaket vorgestellt, mit denen sie die bayerischen Lehrkräfte von Bürokratie entlasten will. Dazu gehöre eine Neugestaltung der Kommunikation zwischen Ministerium und Schule, eine Reduzierung der statistischen Abfragen um ein Drittel, die vorübergehende Aussetzung und spätere Neukonzeption der externen Evaluation und eine Erleichterung der Abrechnung von Mehrarbeit schon ab dem ersten Monat, teilte das Ministerium mit.

«Diese Eckpunkte sind als ein erster Schritt im groß angelegten Entbürokratisierungsvorhaben des Freistaats für seine Schulen zu verstehen», hieß es. Die Lehrkräfte klagen schon lange, dass zu viel Arbeitszeit für Verwaltungsarbeiten draufgehe, die dann bei der pädagogischen Arbeit fehle. Stolz hatte deswegen Vorschläge sammeln lassen, wie die Schulen mehr Freiräume bekommen könnten. Stattliche 475 kamen zusammen. «Nicht alles, was einmal eingeführt wurde, muss auch heute noch unbedingt nötig sein», betonte sie. Rund 80 Prozent der Vorschläge könnten nach erster Einschätzung sofort oder im Laufe der Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden.

“Das vorliegende Maßnahmenpaket ist ein guter erster Schritt, um den enormen Bürokratieberg an den bayerischen Schulen abzutragen”

Die Lehrerverbände zeigten sich im Grundsatz erfreut über die Vorschläge, äußerten aber auch Skepsis und mahnten weitere Entlastungen an. «Das vorliegende Maßnahmenpaket ist ein guter erster Schritt, um den enormen Bürokratieberg an den bayerischen Schulen abzutragen. Es ist jedoch klar: Der Weg ist noch lang, wie auch die zahlreichen weiteren Vorhaben im neu etablierten Entlastungs-Tracker des Ministeriums deutlich machen», urteilte etwa der Landesvorsitzende des Realschullehrerverbands, Ulrich Babl. Hintergrund: Das Ministerium hat auf seiner Homepage alle Vorschläge aufgelistet und verspricht, sie dort zu «tracken» – also ihre Entwicklung nachverfolgbar zu machen.

«Die Aussetzung der externen Evaluation in ihrer jetzigen Form ist ein wichtiges Signal. Wir setzen aber auch auf die weitere Initiative der Ministerin zur Entbürokratisierung und Entlastung», kommentierte der Vorsitzende der Vereinigung der Direktorinnen und Direktoren der Bayerischen Gymnasien, Günter Manhardt. Ähnlich äußerten sich der Philologenverband und der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV).

«Natürlich freuen wir uns über eine Entbürokratisierungsinitiative der Kultusministerin. Es ist schön, wenn schon vor Weihnachten Geschenke kommen. Prima, wenn die Ministerin endlich erkannt hat, dass Lehrkräfte Lehrkräfte sind für die Kinder und dass Schulleitungen Schulleitungen sind für die Schulfamilie – und nicht für die Bürokratie», erklärte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.

“500 Vorschläge! Das zeigt doch, dass es lichterloh brennt!”

«Und wir brauchen das auch, damit wir uns um die großen Herausforderungen der aktuellen Zeit wirklich kümmern können. Die Schulleitungen wollen sich nicht einsperren im Büro, sondern wollen da sein für die Kinder, für die Lehrerinnen und Lehrer, für die Eltern. Und sie wollen da sein, um Schule zu gestalten. Die Kultusministerin hat fast 500 Vorschläge aus den Schulen erhalten, wie die nötige Entbürokratisierung gestaltet werden kann. 500 Vorschläge! Das zeigt doch, dass es lichterloh brennt!»

Wenn die Ministerin jetzt ankündige, dass nach ihrer ersten Einschätzung rund 80 Prozent der Vorschläge sofort oder im Laufe der Legislatur auf den Weg gebracht werden könnten, dann freue das den BLLV sehr. Die Frage laute allerdings, was die Lehrkräfte vor Ort wirklich entlaste und was überhaupt wie gemacht werde.

Fleischmann: «Ein Beispiel ist die „Erleichterung der Abrechnung von Mehrarbeit für Lehrkräfte.“ Natürlich brauchen wir das! Aber zum einen muss die überbordende Mehrarbeit grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden und nicht nur deren Abrechnung. Und: Für alle Lehrkräfte aller Schularten muss die Möglichkeit der Bezahlung der Überstunden ermöglicht werden – und zwar ab dem ersten Monat. Wir freuen uns sehr für die Lehrkräfte an Gymnasien und Realschulen, wo diese Abrechnung möglich ist. Wir brauchen das auch zwingend für alle Lehrkräfte an den Grund-, Mittel- und Förderschulen – ohne Wenn und Aber!» Der BLLV werde sehr genau beobachten, ob den Ankündigungen auch Taten folgten. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zum “Entlastungstracker” des Kultusministeriums.

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SekII-Lehrer
26 Tage zuvor

Was ist denn „Mehrarbeit“? Wenn der BLLV damit nicht die stundengenau erfasste Überschreitung der tatsächlich angefallenen Arbeitszeit meint, ist er als „Arbeitnehmervertretung“ überflüssig.

Der Zauberlehrling
26 Tage zuvor

16 * 400 = 6400.

16 Bundesländer – und jedes kocht sein wohlfeines Süppchen nach eigenem Rezept.

6400 Regelungen könnten (bei linearer Fortsetzung) bundesweit auf den Prüfstand.

Am besten, 16 Kultusminister abschaffen, samt KMK (FDP-Idee) und einen Einheitsbundesbildungsminister schaffen. Ein großer Schritt für Deutschland aber ein sehr kleiner für die Menschheit. Eine erneute Gleichschaltung sollte durch den Föderalismus verhindert werden, aber das, was gerade in Sachen Bildung läuft oder besser nicht läuft, das ist auch kein Zustand.

Respizienz kennt man in Baden-Württemberg nur aus Berichten von Kollegen, die mal in Bayern unterrichtet haben. Kann also weg. Oder ist das NIchtvorhandensein der Respizienz
der Grund für das Absinken Baden-Württembergs? Kaum.

Mondmatt
26 Tage zuvor

Jede Bürokratie-Entlastung muss wahrscheinlich auf einem 10 seitigen Formular in dreifacher Ausfertigung extra beantragt werden.

Dieser Antrag ist dann alle 14 tage zu wiederholen um die First zu verlängern.

Deutschland ist einfach nicht in der Lage die Bürokratie zu reduzieren.
Inzwischen bin ich jedenfalls davon felsenfest überzeugt.

mediavo
26 Tage zuvor

als bayerischer Gymnasiallehrer diese Erläuterung:
Als das Entbürokratisierungs-Projekt von der Schulleitung dem Lehrerkollegium kundgetan wurde, wurde eindeutig kommuniziert, dass es nicht um Maßnahmen ginge, die dem Fontkämpfer etwas brächten (z.B. dieses zeitraubende Zettel und Geld Einsammeln), sondern um die Entschlackung der Bürokratie bei der Schulleitung (z.B. Warum muss der Schulleiter (A16) die Impfpässe aller fünften Klassen prüfen?)

Der Zauberlehrling
25 Tage zuvor
Antwortet  mediavo

Den Gedanken hatte ich beim Durchschauen der Liste auch. wo wird dem Lehrer im Klassenzimmer Entlastung beigebracht?

Warum muss überhaupt ein Lehrer Impfpässe durchschauen? Das kann eine Verwaltungsfachkraft des Schulträgers ebenso – Cui honorem, honorem! Und mit der Arbeit ist es ebenso.

Es bleibt an uns, den Aufwand für uns zu reduzieren.

wombatlover
22 Tage zuvor

Warum müssen außer bei neu nach Deutschland gezogenen Schülern und Erstklässlern überhaupt noch Impfpässe kontrolliert werden? Was bringt eine Metaevaluation, bei der nur geprüft wird, wie es um den Papierberg der Schule steht? Die sagt nichts, aber auch gar nichts über die Realität an einer Schule aus. Alles nur Wahnsinn und wenn man die Evaluierenden stattdessen unterrichten ließe, wären schon wieder einige Lehrerstunden gewonnen.

Realistin
26 Tage zuvor

Im ZDF ging es gestern auch um Schule und dass die Lehrkräfte immer mehr Aufgaben bewätligen müssen.
Die Arbeitsbedingungen ändern sich derzeit überall. Woanders gibt es Zeitausgleich, mehr freie Tage, Ferientage statt Geld usw. Die größten Knaller sind Homeoffice und 4-Tage Woche bei vollem Gehalt.
Deshalb wünsche ich allen Lehrkräften:
4-Tage Woche
30% Homeschooling
Weniger Stress, mehr Freiheit und für diejenigen, die rechnen 17% mehr Gehalt wegen des Reallohnverlustes!!!
(für alle anderen natürlich auch 😉 )
Ich wünsche uns was, habt ein schönes Wochenende

Educater
26 Tage zuvor
Antwortet  Realistin

Sie haben die Halbierung des Stundendeputats bei vollem Lohnausgleich vergessen.

S.B.
26 Tage zuvor

Noch besser wäre es, nicht groß anzukündigen, sondern gleich handeln. Sonntagsreden beeindrucken mich schon lange nicht mehr.

FrankDr
25 Tage zuvor

Von berufsbildenden Schulen wird es weiterhin in vielen Bundesländern kein einheitliches Abitur geben, sondern die zwei Schulen, die einfach nur auf der gegenüberliegenden Straße Seite liegen, müssen, beide ihr eigenes Abitur erstellen und angesichts einplanbarer Schwänzer natürlich mehrere davon.
So bleibt es dabei, dass diejenigen, die es erstellen müssen, eine Woche krank machen um diese unsinnige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu bewältigen

Ceterumcenseo
24 Tage zuvor

Wäre ja super, nur mir fehlt der Glaube. Bestes Beispiel ich werde auf eine Fortbildung geschickt. Wohlgemerkt eine Fobi, die ich mir nicht selbst ausgesucht habe, sondern von der SL, Al oder vom RP. (Btw wenn ich gerne selbst auf eine Fobi gehen will, muss ich einen schulinternen Antrag stellen…) Um meine Reisekosten ersetzt zu bekommen, muss ich einen Dienstreiseantrag stellen. Dieser muss von der abrechnenden zentralen Verwaltungsstelle genehmigt werden.Erst wenn dieser genehmigt wird muss ich auf das onlineportal gehen und den bereits genehmigten Antrag neu stellen. Hier muss ich dann aufpassen, dass man ja nichts falsch ankreuzt, sonst bekommt man im Zweifel Nix. So geschehen bei einer oktroyierten Fobi in die Landeshauptstadt, mit Fahrt (auch aufgrund von Stau etc.) war ich 13 Stunden unterwegs. Was war mein Anspruch auf Reisekosten? 6 Euro!!
Diese 6 Euro habe ich aber erst nach 2 Telefonaten mit der abrechnenden Dienststelle erhalten (nach 3 Monaten), da ich ein Kreuz falsch gesetzt hatte.
Früher hätte ich auf die 6 Euro verzichtet, mittlerweile nicht mehr, da dies ja das Kalkül der Verwaltung ist.
Ich hätte noch deutlich mehr kafkaeske Beispiele. Aber genau deswegen glaube ich nicht an eine Veränderung!

dickebank
23 Tage zuvor
Antwortet  Ceterumcenseo

Da hast du aber was falsch verstanden, es sollen doch nur bürokratische Hürden im Schulrecht, nicht aber bei den reisekostenregelungen abgebaut werden – träum weiter!

Ceterumcenseo
23 Tage zuvor
Antwortet  dickebank

Ja sorry bin halt ein Träumer. Dachte man könnte auch mal an das Gute glauben und den Kumis auch mal vertrauen, dass sie jetzt aber ganz ganz wirklich die Lehrer entlasten wollen und bürokratische Hürden abschaffen!
*Achtung: Dieser Beitrag enthält ein Quäntchen Zynismus*