Tarifverhandlungen ÖD geplatzt – Kita-Streiks sind trotzdem (vorerst) vom Tisch

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POTSDAM. Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind vorerst gescheitert. Nun sollen unabhängige Schlichter eine Lösung in dem festgefahrenen Streit suchen. Das kündigte die Verhandlungsführerin des Bundes, Innenministerin Nancy Faeser (SPD), in Potsdam an. Die Warnstreiks, die in ganz Deutschland zuletzt Kitas, Müllabfuhr und andere Einrichtungen lahmlegten, sind damit erstmal vorbei – während der Schlichtung sind sie nicht zugelassen. Die Gewerkschaften zeigen sich enttäuscht.

Die Verhandlungen sind geplatzt. Foto: Shutterstock

Die Gewerkschaften Verdi und der Beamtenbund dbb kritisierten die Entscheidung. Er habe absolut kein Verständnis dafür, sagt Verdi-Chef Frank Werneke, „weil bei Lichte betrachtet die Unterschiede, die auf dem Tisch liegen, so groß nicht sind“. Die Arbeitnehmerseite sei vorbereitet gewesen, die ganze Nacht zu verhandeln und habe auch eine vierte Verhandlungsrunde angeboten. „Von daher bedaure ich es sehr, dass sich Bund und Kommunen in die Schlichtung flüchten“, sagt Werneke. Verdi hat die Verhandlungsführerschaft für die Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), dem auch die GEW angehört.

„Obwohl die Gewerkschaften in den Verhandlungen zuletzt in vielen Punkten Einigungsvorschläge gemacht hatten, schlugen die Arbeitgeber die Bereitschaft der Gewerkschaften zu Annäherungen und weiteren Verhandlungen aus, erklärten die Verhandlungen für gescheitert und rufen jetzt die Schlichtung an. Das ist bedauerlich“, betont GEW-Vorsitzende Maike Finnern.

„Fast alle wichtigen Ziele der Gewerkschaften wie eine deutliche Reallohnerhöhung, einen Mindestbetrag für die Beschäftigten, ein erweitertes Arbeitszeitkonto sowie ein Modell zur Altersteilzeit, einen Mitgliedervorteil und die Ost-West-Angleichung beim Kündigungsschutz lehnten die Arbeitgeber am Ende überwiegend ab“, so Finnern. „Eine kräftige Erhöhung der Gehälter und mehr Eigenverantwortlichkeit bei der Wahl der Arbeitszeit wären wichtige Schritte, um die Arbeit im öffentlichen Dienst attraktiver zu machen“, sagt Finnern.

„Für die Beschäftigten, die zurecht einen fairen und zukunftsweisenden Abschluss erwartet haben, ist das Ergebnis mehr als enttäuschend“

„Den Gewerkschaften wurde auch in der dritten Verhandlungsrunde von Bund und Kommunen kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt. Im Gegenteil: Die Arbeitgebenden haben bei vielen Forderungen an ihrer Blockadehaltung festgehalten“, so fasst Rita Mölders, stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Arbeitsbereich Tarifpolitik, das ergebnislose Ende der Tarifverhandlungen zusammen.

Sie ergänzt: „Für die Beschäftigten, die zurecht einen fairen und zukunftsweisenden Abschluss erwartet haben, ist das Ergebnis mehr als enttäuschend. Sie haben im wahrsten Sinne des Wortes mehr verdient. Wertschätzung sieht anders aus. Nun gehen die Verhandlungen in die Schlichtung. Angesichts der Tatsache, dass bereits jetzt über 570.000 Stellen nicht besetzt werden können und in absehbarer Zeit 1,4 Mio. Beschäftigte den öffentlichen Dienst verlassen werden, müssen wir leider feststellen: Die Arbeitgebenden spielen mit dem Feuer.“

Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des VBE: „Wenn wir wollen, dass zentrale Aspekte des Miteinanders in unserem Land funktionieren, brauchen wir einen konkurrenzfähigen öffentlichen Dienst. Das Scheitern der Tarifverhandlungen und die Verweigerungshaltung der Arbeitgeberseite haben diesem Anspruch Schaden zugefügt. Jetzt müssen umgehend Lösungen gefunden werden, die die Arbeitssituation der Kolleginnen und Kollegen aufwerten und ihren wichtigen Dienst an der Gesellschaft wertschätzen.“

Faeser und die Verhandlungsführerin der Kommunen, Karin Welge, erklären hingegen, die Gewerkschaften hätten sich zu wenig bewegt. „Ich erwarte jetzt aber auch von den Gewerkschaften Kompromissbereitschaft, damit wir am Ende einen guten Abschluss im Sinne der Beschäftigten haben werden“, sagt Faeser.

Zuletzt sei es um ein Volumen von 15 Milliarden Euro für zwei Jahre gegangen, sagt Welge. Das sei für die Kommunen in dieser Dimension nicht leistbar gewesen. „Es war nicht realisierbar, einen Gesamtabschluss zu erzielen, der für uns auch nur ansatzweise zu vertreten gewesen ist“, sagte Welge, die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen ist.

Schlichtungsergebnis wird Anfang April erwartet

Viele Details zum Verhandlungsstand blieben mit Hinweis auf die Schlichtung offen. Man werde konstruktiv verhandeln und stehe für eine Einigung bereit, sagt Werneke. Die Schlichtung soll nach Angaben von Faeser bereits innerhalb der nächsten drei Tage beginnen und Anfang April abgeschlossen werden.

Die Gewerkschaften verhandeln für rund 2,5 Millionen Beschäftigte, die im öffentlichen Dienst beim Bund und in den Kommunen arbeiten. Die Gewerkschaften fordern unter anderem 8 Prozent mehr Gehalt, mindestens jedoch 350 Euro, höhere Zuschläge für Überstunden und ungünstige Arbeitszeiten, drei zusätzliche freie Tage pro Jahr, einen weiteren freien Tag für Gewerkschaftsmitglieder, ein „Meine-Zeit-Konto“ sowie die Reaktivierung der Altersteilzeitregelung. Das Ergebnis des Streits gilt als richtungsweisend für die Tarifverhandlungen der angestellten Landesbediensteten, die im Herbst beginnen und vor allem den Schuldienst betreffen. News4teachers / mit Material der dpa

“Nicht von dieser Welt”: Boris Palmer kritisiert Forderungen im ÖD-Tarifstreit

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Petra OWL
1 Monat zuvor

gut, dass die geplatzt sind.
Der Reallohnverlust ist nämlich riesig.
Für die Berechnungen danke ich Realist von Herzen!!!
Mit 5 % ist da nichts zu machen, 15 müssen es sein.
3 zusätzliche freie Tage???
4-Tage Woche und Digitalunterricht.
Mein Mann hat 3 Tage Homeoffice und verdient fast das Doppelte!

Mona
1 Monat zuvor
Antwortet  Petra OWL

Sie können sich offenbar ganz gut in die Gedankenwelt der (für Sie?) streikenden Kita-EuE hineinversetzen und haben ein ordentliches Werte-Gefüge, auf das Sie zurückgreifen können 😉

Tina
1 Monat zuvor
Antwortet  Petra OWL

Meine Freundinnen sind auch im Homeoffice und blühen total auf, während wir im Kollegium vor Belastung um Fassung ringen. Viele müssen tatsächlich weit zum alten Schulgebäude pendeln. Von daher wäre die 4 Taage Woche mit etwas Homeschooling schon eine Perspektive 🙂

Timo Hübner
30 Tage zuvor
Antwortet  Petra OWL

Liebe Petra,
Warum wechseln Sie eigentlich nicht in den ach so tollen Job Ihres Mannes? Es winkt ein fast doppeltes Gehalt und 3 Tage Homeoffice! Ein Traum!

Realistin
1 Monat zuvor

als Wertschätzung für die Lehrerschaft:
4- Tage Woche &
30 % Homeschoolinganteil; win-win für alle Seiten. Sie fahren sich die An-und Abfahrt.
18 % Gehalt rauf, wir alle sind schließlich Akademikerinnen.


Realist
1 Monat zuvor

Die gestern von vielen Medien herausgeplärrten “5,5%” sollten faktisch für 36 Monate (der alte Tarifvertrag gilt seit Jahresanfang nicht mehr!) gelten, was dann aber in den Medien seltens erwähnt wurde.

So wurde der öD wieder als “gierig” hingestellt. Meinungsbeeinflussung durch weglassen wesentlicher Informationen. Kennen wir mittlerweile ja zur Genüge.

Bin gespannt, was herauskommt. Tippe immer noch auf 5% für 24 Monate.

Spirale
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Das sollten die Mitglieder der Gewerkschaften aber dann ablehnen.

Ich hatte gestern gelesen, dass einige Vertreter der kommunalen Arbeitgeber sich “höchstens einen Inflationsausgleich vorstellen könnten.” Höchstens? Das sollte das absolute Minimum sein.

Ich tippe auf 24 Monate, aber für 25 um und bei 4% und für 26 dann 2,5% – 3%. Letztlich wäre das an den 8% gerade noch so dran und jeder könnte irgendeinen Sieg für seine Seite verkünden.

Fachkräfte haben wollen, nach Möglichkeit aber nichts zahlen. Da hat sich die AG-Seite des ÖD der Wirtschaft extrem gut angepasst.

Tina
1 Monat zuvor
Antwortet  Spirale

nein, dann brauchen wir 10%
Wir fahren schließlich hin, arbeiten noch an 5 Tagen vor Ort und alles in Präsenz. Digital kennen wir nicht, 4 Tage Woche auch noch nicht.
Da muss schon ein Anreiz kommen 🙂

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

… und Einmalzahlung, so als Möhre vor der Nase.

Hans Malz
30 Tage zuvor
Antwortet  dickebank

Damals gab es doch den steuerfreien Coronabonus als Gehaltsbestandteil … die müssen uns wirlich für total bescheuert halten.

Mika
30 Tage zuvor
Antwortet  Realist

5,5% für 36 Monate, die ab Monat 24 mit 3% und ab Monat 30 mit dem Rest laufen. So ähnlich wie beim aktuellen TVL.
Ich würd’s ja schon mal schön finden, wenn endlich der unsägliche Par. 44 aus dem TVL verschwinden würde und wir Angestellten Lehrkräfte den restlichen Landesangestellten bzgl. der Arbeitszeit gleichgestellt würden.

Onkel Thomas
30 Tage zuvor
Antwortet  Mika

Den Vorschlag hab ich an die Tarifkommission der GEW weitergeleitet. Mal schauen ob der Vorschlag aufgenommen wird.
An alle Gewerkschaftsmitglieder. Wenn Ihr den loswerden wollt meldet euch bei euren Tarifkommissionen.

dickebank
1 Monat zuvor

Erst einmal vom Tisch – hurra, wir stehen vor einem riesigen Abgrund, aber Morgen sind wir einen Schritt weiter.

Die tarifverhandlungen sind zunächst einmal gescheitert. Während der jetzt anschließenden Schlichtung darf nicht gestreikt werden. Aber dem Schlichtungsergebnis müssen am Ende beide Parteien zustimmen. Gibt es diese Zustimmung nicht, egal von welcher Seite, kann unbefristet gestreikt werden. Und flächendeckend zwei Wochen keine Müllabfuhr und Kinderbetreuung …
Das schafft dann auf AG-Seite eine ungeheure Beweglichkeit.