Mit sicherem Griff befestigt Deniz Sahin eine Armierung im Estrich eines neuen Mehrfamilienhauses im rheinland-pfälzischen Bingen-Büdesheim. Seit rund einem Jahr macht der 25-Jährige eine Maurer-Ausbildung beim Ingelheimer Bauunternehmen Karl Gemünden. Er und die anderen Azubis sind sehr wichtig für das vom Fachkräftemangel geplagte Unternehmen, wie Geschäftsführer Markus Allendorf sagt. «Der ist ein Riesenproblem auf allen Gebieten.» Ein fertig ausgebildeter Geselle sei fast gar nicht mehr zu finden. «Deswegen versuchen wir, uns selbst zu helfen und wollen möglichst viele Azubis behalten.»
Doch auch eigener Nachwuchs ist schwer zu finden. Pro Lehrjahr strebe man zehn Azubis an, zum 1. August 2018 seien es bislang mit «Mühe und Not» gerade mal acht geworden, sagt Personalleiterin Katrin Doré. Und dafür muss einiges getan werden. Die Firma Gemünden geht etwa zu vielen Berufsinformationsveranstaltungen, nimmt jeden sich bietenden Schulbesuch wahr, bietet Maurer-Workshops für Grundschüler. Auch während der Ausbildung wird intensiv betreut, dazu gehören laut Doré Nachhilfe in Mathematik, gegebenenfalls Deutsch-Kurse und regelmäßige Treffen der Lehrjahre. Die Personalleiterin sagt: «Es ist in der Gesellschaft noch nicht angekommen, wie wichtig das Handwerk ist.» Auch dass sich durchaus Geld verdienen lasse, sei vielen unbekannt.
Jens Fiedermann, Abteilungsleiter Ausbildungswesen bei der Handwerkskammer Koblenz, drückt es so aus: «Das Handwerk hat zu kämpfen, es braucht Nachwuchs.» Immer mehr junge Menschen strebten in akademische Ausbildungen. Bei vielen herrsche immer noch das Bild vor, dass Handwerk altmodisch sei. «Aber es hat nichts mehr mit dem verstaubten Antlitz der 1980er Jahre zu tun.»
Auch die Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Rheinhessen, Anja Obermann, sieht einen großen Bedarf an Arbeitskräften. Jugendliche kämen kaum mehr mit Handwerk in Berührung. Es gebe zum Beispiel kein Schulfach Werken mehr. Eltern und Lehrer betrachteten aus den Erfahrungen ihrer Generation hinaus ein Studium als den vielversprechenderen Weg.
Noch deutlich größere Probleme als die Baubranche, an Nachwuchs und Fachkräfte zu kommen, hat Fiedermann und Obermann zufolge das Nahrungsmittelhandwerk. Es fehlten Bäcker, Metzger oder Konditoren – alles Berufe, bei denen viele sagten, er schränke die Freizeit ein, sagt der Kammervertreter aus Koblenz. Etwas entspannter sei die Lage beim Kfz-Handwerk oder dem Sektor Sanitär, Heizung und Klimatechnik. Das seien Gewerke mit viel Technisierung und Digitalisierung, was Jugendliche anziehe, erzählt Fiedermann.
Von wegen altmodisch
Doch selbst in der Kfz-Branche ist längst nicht mehr alles eitel Sonnenschein, wie Dennis Rocker, Inhaber eines kleinen Kfz-Betriebs in Ober-Olm im Kreis Mainz-Bingen, zu berichten weiß. Er sucht seit längerem vergeblich einen Gesellen, hat mehrfach Anzeigen geschaltet. «Da kam keine Bewerbung.» Auch Autohäuser drumherum inserierten viel, der Markt sei leer gefegt. Für einen kleinen Betrieb sei eine aufwendige Suche kaum zu machen. An einen Auszubildenden zum Kfz-Mechatroniker kam Rocker derweil über ein Schülerpraktikum. Ein Glücksfall, denn: «Er macht sich echt gut.»
Auch Kammer-Vertreter Fiedermann sagt, es genüge oft nicht mehr, nur in der Umgebung nach Azubis zu suchen. Immer mehr Betriebe fragten daher die Kammern, ob sie nicht Kandidaten hätten. Die gingen deshalb immer gezielter in Schulen, auch an Gymnasien. «Nicht jedem Schüler sind die Möglichkeiten transparent, die das Handwerk bietet», erzählt Fiedermann. So entspreche ein Meister beispielsweise einem Bachelor-Abschluss. «Das versuchen wir in die Köpfe zu bringen.»
Das Wirtschaftsministerium in Mainz verweist auf Initiativen gegen den Fachkräftemangel. «Wir steuern mit vielen Projekten dagegen», sagt Sprecherin Susanne Keeding. Es gibt zum Beispiel in allen Kammerbezirken Handwerks-Camps für Schüler in den Ferien, zudem läuft seit März 2016 das vom Ministerium geförderte Projekt «Handwerk attraktiv Rheinland-Pfalz». Es bietet unter anderem Beratung für Betriebe an, betreibt gezielte Öffentlichkeitsarbeit in Medien und versucht, Netzwerke aus Betrieben zu schaffen, die alle mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben.
Für Gemünden-Chef Allendorf wirken sich die Engpässe ganz konkret aus. «Wir können im Moment leider nicht alles bauen, was wir bauen möchten.» Poliere müssten mehrere Baustellen betreuen. Er hofft, dass Maurer-Azubi Deniz Sahin im Betrieb bleibt. Die Chancen dafür scheinen nicht schlecht zu stehen. «Maurern macht Spaß», sagt der 25-Jährige. «Im Büro zu sitzen, würde mir keinen Spaß machen – ich muss aktiv was machen.» Er habe nach seinem Hauptschulabschluss viel gejobbt, der Vater seiner Freundin – selbst Kfz-Meister – habe ihm das Handwerk schmackhaft gemacht. Nun genieße er es, nach getaner Arbeit ein fertiges Haus zu sehen. «Es entsteht etwas, das bleibt.» dpa
Die duale Berufsausbildung ist ein Auslaufmodell das keine Zukunft hat. Warum also noch Geld in Berufsschulen, Fachschulen und ander berufliche Bildungsstätten pumpen ?
Es wäre sinnvoller wenn die Bundesländer statt dessen entsprechenden Studiengänge an den Fachhochschulen anbieten würden, bei gleichzeitiger Absenkung der Zugangsvoraussetzungen.
Im Studium würden diese jungen Menschen nicht nur lernen wie man Brötchen backt oder Rohre verlegt, sie könnten auch Forschen und damit die Wissenschaft voranbringen.
Quatsch!
Ich finde auch, die duale Berufsausbildung ist wieder im Kommen.
Woher kommen die gegenteiligen Annahmen?
Warum sollte sich jemand für eine Berufsausbildung interessieren, die im Gemeinsamen europäischen referenzrahmen als Anlerntätigkeit eingestuft wird?
Das ist neben anderen Gründen eben auch einer, warum schulmüde Abgänger aus der sekI ihren Weg über die Berufkollegs und die schulische Berufsausbildung gehen. MSA ==> FOS mit FHR ==> Hochschule und zumindest Bachelor-Abschluss.
Wer nicht gerade in den Metall-Tarif nach der Ausbildung übernommen wird, sollte sich als junger Geselle oder afcharbeiter zunächst einmal mit den Möglichkeiten zum Aufstocken beschäftigen. Eigene Wohnung, eigenes Auto, Freundin ohne eigenes Einkommen und evtl. Familiengründung sollten beim Meridian der Entgelte erst einmal nicht in Angriff genommen werden.
Wer eine Ausbildung im Pflegebereich oder im Hotel- und Gaststättengewerbe absolviert, muss schon eine starke masochistische Ader und ein veritables Interesse an Selbstausbeutung haben.
Gute Ergänzung zu meinem Kommentar, danke dafür.
Mal schauen, was der Arbeitsmarkt für die ganzen Geistes-, Sprach- und Sozialwissenschaftler bereitstellt. Verkäufliche Ware produzieren können die in ihrem Fachbereich nicht und der Staat kann nicht für all diese Leute Stellen schaffen bzw. erfinden.
ImM – der genannte Personenkreis macht ind er Regel dann “irgendetwas mit Medien”.
Wenn die deutschen HR-Abteilungen dann irgendwann einmal kapieren, dass die akademische Bildung eben keine Berufsausbildung ist und ein akademischer Abschluss egal welcher Fakultät der NAchweis ist “wissenschaftlich” zu arbeiten, dann wären wir doch schon einmal einen großen Schritt weiter. Es muss ja nicht gleich wie in den USA der MBA sein, der wohl der häufigsten verliehene Abschluss ist.
Die Frage für die zukünftige Weiterentwicklung der Dualen Ausbildung ist doch, warum der staatliche Abschluss einer höheren (berufichen) Fachschule nicht einem Bachelor-Degree formal rechtlich gleichgesetzt wird. Oder andersgerum, warum sind die deutschen Handwerkskammern so borniert den von der Innung selbst vergebenen Meistertitel höher zu preisen als den höherwertigen, staatlichen Abschluss als Techniker, Fachwirt, staatlich geprüfter etc.
Die Innungen sind ja auch nicht bereit, den von den IHKs vergebenen Facharbeiterbrief als gleichwertig zum Gesellenbrief anzuerkennen. Z.B. Elektriker – diese werden nämlich sowohl von Handwerksbetrieben (HK) als auch von Gewerbeunternehmen (IHK) ausgebildet.
Die Zuständigkeit für die Ausbildung, schulische Bildung und Fortbildung sollte auf den Staat übertragen werden und der Einfluss der Kammern als öffentlich-rechtliche Anstalten zurück gedrängt werden. Und damit meine ich nicht nur HK und IHK sondern auch Ingenieur-, Apotheker-, Ärzte-, Rechtsanwaltskammern usw.
“Im Studium würden diese jungen Menschen nicht nur lernen wie man Brötchen backt oder Rohre verlegt, sie könnten auch Forschen und damit die Wissenschaft voranbringen.”
Das setzt studierfähige Schüler voraus. Formal reicht dafür von schulischer Seite ein bestandenes Abitur aus, das allerdings spätestens seit flächendeckender Einführung des Zentralabiturs und des kompetenzorientierten Lehrplans mehr und mehr zu einer Studierberechtigung verkommt. Die Universitäten und Fachhochschulen reagieren mit immer mehr Studiengängen mit immer höheren Praxisanteilen.
Bacholor-Absolventen (besseres Vordiplom) sind nicht zur Foschung fähig, weil der Studienumfang viel zu kurz ist. Mit den Master-Absolventen (maximal Diplom) kann man schon etwas mehr anfangen. Meine Haltung zu Gender-Studiengängen und von Gender beeinflussten Studiengängen ist bereits bekannt.
Das ist doch der Sinn des Bologna-Prozesses, die Trennung zwischen berufsbildendem Bachelor-Studiengang und dem wissenschaftlichen Grundlagenstudium im Master-Studiengang. Wer danach eine wissenschaftliche Karriere anstrebt, der sollte sich über ein post-doc-Studium qualifizieren, das dann ggf. mit einer Dissertation abgeschlossen werden kann.
btw der Bachelor-Abschluss ist eben kein besseres Vordiplomen, weder rechtlich noch inhaltlich.
Rechtlich haben Sie recht, wenn man sich die Studieninhalte von vier Semestern Vordiplom von zu meiner Zeit und sechs Semestern Bachelor heute anschaut, stellt man kaum Unterschiede fest. Der Bachelor ist mehr, aber nicht viel mehr. Daher auch besseres Vordiplom mit offiziellem Abschluss.