Zu lange Arbeitzeiten, zu harte Arbeit: Wachsende Unzufriedenheit bei Azubis

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BERLIN. In Deutschland gibt es mehr freie Ausbildungsplätze als junge Menschen, die eine Lehrstelle suchen. Doch immer wieder bleiben Plätze frei. Das könnte auch an den nicht immer angenehmen Arbeitsbedingungen liegen.

Die duale Ausbildung in Deutschland gilt als Erfolgsmodell – aber… (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

«Obwohl minderjährig, arbeite ich teilweise 12 Tage am Stück, drei Sonntage im Monat und auch an Feiertagen», beschwert sich eine angehende Hotelfachfrau im Onlineforum «Dr. Azubi». Eine andere Userin klagt über ihre Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin, dass sie «4-mal am Tag Kundentoiletten samt Kloschüssel und Pissoire putzen muss». Die meisten Auszubildenden sind mit ihrer Lehrstelle «zufrieden» oder «sehr zufrieden» – doch im Ausbildungsreport, den der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am Donnerstag in Berlin zum 14. Mal veröffentlicht hat, liegt der Anteil der Zufriedenen erstmals unter der Marke von 70 Prozent. Vor zehn Jahren seien es noch 75,5 Prozent gewesen, heißt es beim DGB.

Dabei sehen die Zahlen, die die Bundesagentur für Arbeit zum Ausbildungsmarkt vorlegt, glänzend aus: Die Lehrherren in Deutschland bieten 556.000 Ausbildungsplätze an – 8000 mehr als vor einem Jahr. Nur 497.000 junge Leute gaben an, eine Lehrstelle zu suchen. Das sind 24.000 weniger als vor Beginn des vorigen Ausbildungsjahr. Die Crux: Kaum jemand will Bäcker werden. Oder Fleischer. Oder Klempner.

Jeder achte Jugendliche muss mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten

Dass bestimmte Ausbildungsberufe wenig begehrt sind, dürfte auch an den jeweiligen Arbeitsbedingungen liegen. Vor allem das Hotel- und Gaststättengewerbe hat da einen schlechten Ruf, der sich auch im DGB-Ausbildungsreport niederschlägt. Für ihre Studie hatte die Gewerkschaft mehr als 16.000 Lehrlinge aus den 25 am häufigsten gewählten Ausbildungsberufen befragt. Und 52 Prozent der Köche sowie 57 Prozent der Hotelfachleute gaben an, regelmäßig von Überstunden betroffen zu sein.

Laut Studie muss zudem fast jeder achte Jugendliche unter 18 Jahren verbotenerweise mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten – vor einem Jahr war es nur jeder zehnte. «Die Auszubildenden dürfen nicht als billige Arbeitskräfte missbraucht werden», mahnte deshalb die DGB-Bundesjugendsekretärin Manuela Conte. Ausbildungsberufe, in denen überlange Arbeitstage häufig vorkommen, haben oft eine hohe Abbrecherquote.

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Ein weiteres Problem bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen ist die Tatsache, dass viele jungen Leute nur bedingt zum Ortswechsel bereit sind. In Gegenden wie Mecklenburg gibt es nach Angaben der Arbeitsagentur Lehrstellen vor allem in der Gastronomie und wenig in anderen Berufen. Dagegen gibt es in Bayern zu wenige Bewerber.

Wegen dieser Ungleichgewichte ist der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, nur bedingt optimistisch: «Ich gehe davon aus, dass es angesichts der großen Differenz zwischen Angebot und Ausbildungsplätzen und Ausbildungsplatzsuchenden am Ende wieder ein Delta bleibt mit offenen Ausbildungsplätzen.» Dass jeder, der sucht, eine Lehrstelle bekommt – soweit wollte Scheele jedoch nicht gehen.

Bei der Digitalisierung gibt es Nachholbedarf – auch in Berufsschulen

Einen Schwerpunkt des DGB-Ausbildungsreports lag in diesem Jahr auf der notwendige Digitalisierung der Ausbildung – und auch hier scheint es erheblichen Nachholbedarf zu geben: Nach eigener Einschätzung werden lediglich 54 Prozent der Jugendlichen gezielt darauf vorbereitet, im Berufsalltag digitale Technologien zu nutzen. Die digitale Ausbildung an der Berufsschule bewertet jeder dritte Azubi nur als «ausreichend» oder gar «mangelhaft».

Die Gewerkschaft fordert deshalb eine bessere technische Ausstattung der Berufsschulen sowie eine bessere Qualifizierung der Lehrkräfte. «Die Mittel aus dem Digitalpakt von Bund und Ländern müssen auch an den beruflichen Schulen ankommen», mahnte DGB-Vize Elke Hannack. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) machte sich dafür stark, die Berufsschulen besser auszurüsten: «Sie brauchen nicht nur eine hochwertige und zeitgemäße Ausstattung, sondern auch im Umgang mit der Technik versierte Lehrer», sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks.

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sieht grundsätzlich aber auch die Azubis in der Pflicht: «Die persönliche Eignung, das Engagement und die Sozialkompetenzen sind ebenso wie die fachliche Eignung der Auszubildenden entscheidende Voraussetzungen für den Ausbildungserfolg.» Von Axel Hofmann und Michael Donhauser, dpa

Deutliche Unterschiede im Ansehen der Ausbildungsberufe in Deutschland

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Biene
4 Jahre zuvor

Ich kann die Forderungen sehr gut nachvollziehen und bin auch mit einer Umsetzung einverstanden.
Allerdings würde ich mich über einen weit niedrigeren Klassenteiler an den BS freuen. Heutzutage sind Klassen mit 30+ Schülern eine Zumutung, wenn Inklusion und Integration ebenfalls bewerkstelligt werden müssen. Da fallen immer mal wieder welche durchs Netzt, was bedauerlich ist.
Aber es kostet alles Geld – und dieses Geld wird der Staat nicht ausgeben! Egal an welcher Schule wir uns befinden. Denn sobald etwas konkret beziffert (Kosten) wird, streikt auch der Bürger obwohl es ihm ja zu Gute kommen würde. Kann mir jemand diesen Widerspruch erklären?