Grün-Schwarz will weniger Lehrer arbeitslos machen und feiert das als „Meilenstein“

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STUTTGART. Seit Jahren wird Baden-Württemberg dafür kritisiert, dass es – als eines der letzten Bundesländer – befristet angestellte Lehrkräfte über die Sommerferien in die Arbeitslosigkeit entlässt. Dass die dann in benachbarte Bundesländer abwanderten, war offenbar egal. Zu teuer, hieß es. Jetzt, in Zeiten des Lehrermangels, verabschiedet sich die grün-schwarze Landesregierung (teilweise) von der üblen Praxis. Und feiert das als „Meilenstein“.  

„Meilenstein für mehr Wertschätzung.“ (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Ab diesem Jahr sollen viele befristet angestellte Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg auch während der Sommerferien bezahlt werden – was schon im Doppelhaushalt verankert ist, soll nun auch im Ministerrat festgezurrt werden. «Die Durchzahlung ist ein Meilenstein für mehr Wertschätzung im Bildungsbereich», sagte dazu Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz am Samstag. Der Beschluss gebe den Pädagogen die lang erhoffte Sicherheit.

Kritik kam von der Opposition: «Wenn der grüne Fraktionsvorsitzende von Wertschätzung bei Lehrkräften spricht, ist das ein guter Aprilscherz», erklärte SPD-Fraktions- und Landeschef Andreas Stoch am Samstag. Die Sozialdemokraten hätten schon lange gefordert, dass befristete Lehrkräfte über die Sommerferien nicht entlassen werden. «Dass dies nun umgesetzt wird, ist ein erfreuliches und wichtiges Signal», sagte Stoch laut Mitteilung. «Wenn man allerdings im selben Maßnahmenpaket die wichtige Teilzeitmöglichkeit einschränken möchte, dann macht man einen Schritt nach vorne und zwei wieder zurück.» (Über die Einschränkung der Teilzeit berichtet News4teachers aktuelle – hier.)

«Wir machen keine halben Sachen, sondern honorieren die wichtige Arbeit der Pädagoginnen und Pädagogen und hoffen so, sie langfristig im Schuldienst halten zu können»

Auch Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hatte am Freitag bei der Vorstellung eines Maßnahmenpakets gegen Lehrermangel angekündigt, dass das Kabinett in dieser Woche den Haken an die Pläne machen wolle. Mehr als 2.800 zusätzliche Lehrkräfte sollen schon in diesem Sommer davon profitieren – nämlich alle, deren Beschäftigung spätestens zum 31. Dezember begonnen hat und mit dem letzten Schultag vor den Sommerferien endet.

Schwarz sagte weiter: «Von der Entscheidung geht eine wichtige Botschaft aus: Wir machen keine halben Sachen, sondern honorieren die wichtige Arbeit der Pädagoginnen und Pädagogen und hoffen so, sie langfristig im Schuldienst halten zu können.» Ziel sei es, den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abzukoppeln und die Qualität im Bildungsbereich zu erhöhen. «Dafür brauchen wir auch mehr Lehrerinnen und Lehrer.»

Auch Schopper sagte, dass die Zahlung während der Sommerferien dafür ein wichtiger Faktor sei. Gerade in den Grenzgebieten seien Lehrkräfte wegen dieser Regel bislang abgewandert – etwa nach Bayern oder in die Schweiz.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte bereits 2019 die Praxis kritisiert, angestellte Lehrer vor den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. «Das halte ich für eine Riesensauerei und übrigens auch für dumm“, sagte Heil seinerzeit. «Wir haben einen enormen Lehrermangel, Bundesländer jagen sich gegenseitig das Personal ab.»

Wenn Lehrer schlechte Bedingungen vorfänden, würden sie abgeschreckt, anstatt sie für den Beruf zu begeistern. „Ich erwarte, dass die Länder damit grundsätzlich aufhören», sagte Heil. Zugleich erklärte er, viele Bundesländer hätten diese Methode inzwischen abgestellt (News4teachers berichtete). Baden-Württemberg gehörte seinerzeit nicht dazu. News4teachers / mit Material der dpa

„Schande“: GEW läuft Sturm gegen die Praxis, Lehrer über die Ferien in die Arbeitslosigkeit zu schicken

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Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

km, m, cm, mm, Meile.

447
1 Jahr zuvor

Die Überschrift trifft es meiner Meinung nach schon sehr genau.
Nicht mal grundlegender menschlicher Anstand gegenüber dem eigenen Personal wird gewährt.

Über die geplanten Maßnahmen sonst noch groß was zu sagen (außer dass sie Lüge und Schäden für das Schulsystem vereinen) erübigt sich.

Realist
1 Jahr zuvor

Da plant man, sich von einer unwürdigen und peinlichen Praxis zu verabschieden und feiert sich dafür selbst… angebracht wäre aber kein Abfeiern sondern ein eine Bitte um Entschuldigung bei alle den Generationen von Lehrkräften, die unter dieser unsäglichen Praxis leiden mussten. Aber soviel Selbstreflexion wäre von unseren Poltiikerinnen und Politiker wohl zu viel verlangt….

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

Na – da hat wohl jemand mitbekommen, dass auch Lehrkräfte kündigen …

Prima – da kann also jemand lesen.

„Schwarz sagte weiter: «Von der Entscheidung geht eine wichtige Botschaft aus: Wir machen keine halben Sachen, sondern honorieren die wichtige Arbeit der Pädagoginnen und Pädagogen und hoffen so, sie langfristig im Schuldienst halten zu können.»“

Was für ein Schlag ins Gesicht, den Magen und die Seele für all diejenigen, die ihren Schülern jahrelang auf dieser unwürdigen Basis die Treue gehalten haben!

Lesen kann da jemand – aber Wertschätzung?

„Ziel sei es, den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abzukoppeln und die Qualität im Bildungsbereich zu erhöhen.“

Ist das jetzt ein neuer Hype oder eigentlich im Sinne der vielgepriesenen Chancengleichheit nicht ohnehin der Plan?

«Dafür brauchen wir auch mehr Lehrerinnen und Lehrer.»

Ach was!?

Konfutse
1 Jahr zuvor

Kritik kam von der Opposition: «Wenn der grüne Fraktionsvorsitzende von Wertschätzung bei Lehrkräften spricht, ist das ein guter Aprilscherz», erklärte SPD-Fraktions- und Landeschef Andreas Stoch am Samstag. Die Sozialdemokraten hätten schon lange gefordert, dass befristete Lehrkräfte über die Sommerferien nicht entlassen werden.
Jep, das war sogar 2010 das Wahlversprechen der SPD! Als sie dann gewählt wurden, war das Versprechen SOFORT vergessen….sie haben aber dafür bei den Neueinstellungen eine untechtmäßige Gehaltskürzung vorgenommen. Beihilfebemessungssatz wurde für Kinderreiche gekürzt. Der Klassenteiler wurde -außer in der GMS – erhöht. Inklusion ohne adäquate Umterstützung wurde eingeführt. Ca. 5600 Stellen wurden im Gegenzug dazu noch abgebaut.
GENAU, STOCH, SO GEHT WERTSCHÄTZUNG, ODER????

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

„Schwarz sagte weiter: «Von der Entscheidung geht eine wichtige Botschaft aus: Wir machen keine halben Sachen, sondern honorieren die wichtige Arbeit der Pädagoginnen und Pädagogen und hoffen so, sie langfristig im Schuldienst halten zu können.»“

Das ist dermaßen geschmacklos und entwürfigend, dass mir die Spucke wegbleibt.

Man sollte mal die Kollegys fragen, die jahrelang wichtige Arbeit geleistet haben, wie sie die Honorierung ihrer wichtigen Arbeit erlebt haben.

Sechs Wochen arbeitslos, Papierkram ohne Ende und Arbeitsverträge lassen auf sich warten …. ist eine Schande, keine Honorierung.

Aber Recht hat sie – es wurden „keine halben Dachen“ verk…t, es wurde nahezu alles verk…t.

Nun – wir sind ein knappes, systemrelevantes Gut. Nutzen wir das! 😉

Student
1 Jahr zuvor

Der Postillon?!? 1. April?!?

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Student

Habe ich auch gehoff! 😉

Johann F.
1 Jahr zuvor

Schlichte Fakten: Die drei wichtigsten Menschen für grüne Bildungspolitik in Baden-Württemberg haben nie in der Schule berufliche Erfahrungen gesammelt.

Die Tätigkeiten und (Aus-) Bildungswege von Ministerin Schopper (Diplom-Soziologin, Parteiarbeit), von Staatssekretärin Boser (Berufskademie-Studium in BWL, gekoppelt mit einem Angestellten-Verhältnis bei der Sparkassen-Versicherung) sowie vom bildungspolitischen Fraktionssprecher Poreski (Tätigkeit im Bereich der Sozialen Arbeit) sind aller Ehren wert. Woher nehmen Personen in ihrem Verantwortungsbereich jedoch das Selbstbewusstsein, so über die Schule und den Lehrberuf zu sprechen und zu entscheiden? Traditionell sind viele Lehrerinnen und Lehrer bei den Grünen, gab es niemandem mit Fachkenntnis?

Ragnar Danneskjoeld
1 Jahr zuvor

Schamlos, schamloser, Schopper.

Pet_Teachers
1 Jahr zuvor

Ich möchte zu bedenken geben, dass Referendare/Anwärter, die eine Lehrprobe wiederholen müssen, bis Dezember noch verbeamtet auf Widerruf sind und erst im Januar eine befristete Anstellung als KV bekommen können (Beginn meist sogar erst nach den Weihnachtsferien, damit das Land auch nur keinen Tag zuviel bezahlt). Die arbeiten dann also im dümmsten Fall genau 1 Tag zu kurz und werden immer noch über die Sommerferien entlassen… Wie wäre es einfach mit der Regelung: Jeder, der am letzten Tag vor den Ferien arbeitet und zum neuen Schuljahr eine Stelle hat, wird weiterbezahlt?!
Ich finde dieses sich-selbst-in-den-Himmel-loben-für-Selbstverständlichkeiten so dreist, mir fehlen die Worte… Wenn ich das in meinem Job machen würde: „Liebe Eltern, durch meinen unermüdlichen Einsatz für die Kinder und meinen persönlichen Verzicht auf ein Privatleben habe ich es geschafft, heute im Deutschunterricht das Nomen zu behandeln. Dadurch möchte ich meine Wertschätzung Ihnen und den Kindern gegenüber zum Ausdruck bringen und Ihnen zeigen, dass es sich lohnt, mich als Deutschlehrerin zu haben. Bitte beachten Sie dies bei dem nächsten Elternabend.“ (Kotz!!)
(PS: In der ersten Version dieses Beispiels wollte ich schreiben, dass ich Klausuren übers Wochenende korrigiere – bis mir auffiel, dass dies tatsächlich über die zeitlichen Grenzen meines Aufgabengebietes hinausgeht und zusätzlichen Einsatz erfordert. Ist inzwischen so normal bei uns, dass das vielen nicht mehr bewusst ist. Ups… Das wäre also etwas, was die Verantwortlichen nie tun würden.)