MANNHEIM. Intelligenz und Fleiß sind längst nicht alles; gute Noten hängen auch vom Aussehen ab. Laut einer aktuellen Studie gilt das besonders für männliche Jugendliche, ganz nach dem Motto: hübsche Mitschüler, schlechte Noten.
Schönheit gilt als Katalysator für Erfolg – im Beruf wie auch in der Schule. Entgegen den Erwartungen stehen im schulischen Umfeld aber insbesondere männliche Jugendliche unter äußerem Schönheitsdruck ihren Gleichaltrigen gegenüber. Darauf verweist eine Studie des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim und der Universität Cardiff in Großbritannien.
Für die Analyse werteten die Wissenschaftlerinnen repräsentative Daten einer Langzeituntersuchung von über 3.000 US-Schüler*innen aus. Demnach erhalten Schüler auf US-High-Schools schlechtere Noten, wenn ihre Peergroup, also ihre soziale Bezugsgruppe, attraktiver ist. Der Effekt lasse sich auch auf andere westliche Länder übertragen, heißt es. „Unsere Studie belegt erneut, dass schulische Leistungen von verschiedenen Faktoren abhängen, nicht nur von Intelligenz und Fleiß“, kommentiert Ko-Autorin Efi Adamopoulou, Wissenschaftlerin in der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“, die Ergebnisse.
Zwei Maßstäbe von Schönheit
Die Daten der Studie stammen aus dem National Longitudinal Survey of Adolescent Health (Add Health). Im Zuge dieser Langzeituntersuchung befragen Forscher*innen in mehreren Wellen seit 1994 über 90.000 US-Schüler*innen der Klassenstufen 7 bis 12 und zeichnen deren weitere berufliche, gesundheitliche und persönliche Entwicklung nach. Dabei enthält die Erhebung auch zwei Maßstäbe von Schönheit: körperliche Attraktivität („physical attractiveness“) und charakterliche Attraktivität („personality attractiveness“), die auf der Einschätzung der interviewführenden Person basieren.
Bei weiblichen Jugendlichen verweist die aktuelle Auswertung, die im Journal of Economic Behavior & Organization erschienen ist, auf einen Zusammenhang zwischen der schulischen Leistung und ihrer sogenannten charakterlichen Attraktivität. Wird die Schülerin als sympathisch eingeschätzt, hat sie tendenziell bessere Noten. Dagegen hat die Attraktivität der Peers keinen Einfluss auf die schulischen Leistungen von weiblichen Jugendlichen. Ob die Peers von Mädchen hübsch oder sympathisch sind, spielt keine Rolle für den schulischen Erfolg.
Kausale Interpretation möglich
Grundsätzlich gilt die Korrelation zwischen charakterlicher Attraktivität und schulischer Leistung auch bei männlichen Jugendlichen. Es kommt bei ihnen jedoch noch ein körperlicher Attraktivitätsfaktor hinzu: Gutaussehende männliche Jugendliche weisen tendenziell bessere Leistungen vor. Ist die Peergroup der Schüler allerdings körperlich attraktiv, gehen die schulischen Leistungen des Einzelnen zurück. Dem zugrunde liegt den Forscherinnen zufolge ein geschwächtes Selbstbewusstsein. Das ergebe sich aus den Selbsteinschätzungen der Schüler. Das mangelnde Selbstbewusstsein drücke letztendlich den Notendurchschnitt, was sogar die Aufnahme ans College verhindern kann. Konkret heißt das: Nimmt der Anteil an körperlich attraktiven Peers in einer Klassenstufe um zehn Prozentpunkte zu, sinkt die Wahrscheinlichkeit des einzelnen Schülers, aufs College zu gehen, um drei Prozentpunkte. Da der Anteil der körperlich attraktiven Peers in einer Klassenstufe zufällig ist, lasse sich der Zusammenhang zwischen Noten und körperlich attraktiver Peergroup als kausal interpretieren.
Weitere Einflussfaktoren
In jüngster Zeit sind vermehrt Studien erschienen, die darauf hinweisen, dass nicht allein die Kompetenzen junger Menschen ihre schulische Benotung beeinflussen. So ermittelte eine Untersuchung der Universität Zürich und der Universität Bern etwa systematische Verzerrungen aufgrund äußerer Merkmale wie Geschlecht, Gewicht und familiärer Hintergrund (News4teachers berichtete). Unabhängig von den tatsächlichen Fähigkeiten erhielt demnach etwa ein Junge mit einem hohen BMI aus einer weniger gut situierten Minderheiten-Familie im Durchschnitt schlechtere Noten als ein Mädchen mit niedrigem BMI aus einer privilegierteren Familie ohne Migrationshintergrund.
Laut einer Untersuchung eines internationales Forschungsteams aus Deutschland, Großbritannien und den USA spielt bei der Leistungsbeurteilung das Geschlecht schon in der Grundschule eine Rolle (News4teachers berichtete). Der Analyse zufolge überschätzen Lehrkräfte die Fähigkeiten von Mädchen im Bereich Sprache und von Jungen in Mathematik im Vergleich zu ihren Leistungen in objektiven Tests. Und: Mit der Zeit vergrößert sich der Vorsprung der Jungen in Mathematik und der der Mädchen im sprachlichen Bereich. Das sei ein Indiz für das Bestehen selbsterfüllender Prophezeiungen, wonach die Prognose über eine mögliche Zukunft diese Zukunft maßgeblich bedingt.
Forderung, das Selbstbewusstsein der Lernenden zu stärken
Mit Blick auf den Einfluss von Schönheit auf die schulischen Leistungen fordert Wissenschaftlerin Adamopoulou, dass Lehrkräfte und Schulsozialarbeitende stärker für diesen Mechanismus sensibilisiert werden. Zudem sollten Bildungsstrategien entwickelt werden, die darauf abzielen, den negativen Einfluss von sozialen Vergleichen zu minimieren, das Selbstbewusstsein von Schülerinnen und Schülern zu stärken und eine Kultur des Miteinanders und des Respekts zu fördern. „Dadurch können wir sicherstellen, dass alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrem Umfeld die bestmöglichen Chancen auf akademischen und beruflichen Erfolg haben.“ Helfen könnten laut Adamopoulou Beratung, Unterstützung und auch eine offene Lernatmosphäre, an der alle teilhaben und ihre Leistungen entfalten können. News4teachers
Tschüss Noten? Schulsenatorin kündigt an: Schulen dürfen bis zur 9. Klasse auf Zensuren verzichten
“In jüngster Zeit sind vermehrt Studien erschienen, die darauf hinweisen, dass nicht allein die Kompetenzen junger Menschen ihre schulische Benotung beeinflussen.”
Oh ja, besonders die fachlichen und kognitiven Kompetenzen beeinflussen die inflationierten Bestnoten zunehmend geringer. Alle Mitglieder der Peergroup erbringen chancengleich Bestleistungen.
Systematische Verzerrung?
Lehrkräfte und lassen sich stärker für diesen Mechanismus durch “sanften” Druck ausgehend von Helikopter- und Rasenmäher-Eltern, Schulleitungen, Schulämtern und Bildungsideologen sensibilisieren.
Zudem sollten Bildungsstrategien entwickelt werden, die darauf abzielen, den negativen Einfluss von Vergleichen bezüglich Anstrengungs-und Leistungsfähigkeit zu minimieren, den Wettbewerbsgedanken auszublenden und das Selbstbewusstsein von Schülerinnen und Schülern mithilfe von maximalen Lernerfolgen aber ohne anstrengende Einzel-Lernleistung bei geringer fachlicher Tiefe zu stärken. Wird Freie Teamarbeit und Freie Lernzeit in einer körperlich attraktiven Peergroup als Methode didaktisch bevorzugt, hat der Lehrende das gegenseitige sich entfaltende Ablenkungspotential der Lernenden bei Lernerfolgskontrollen und Leistungsbeurteilungen angemessen unter dem Aspekt der Teilhabe und mitunter auch zielführenden kognitiven Teilnahme zu berücksichtigen.
Ich glaub, jetzt hab ich’s begriffen. Bloß gut, dass immer wieder interessante Studien ganz neue Sichtweisen auf das Wesentliche im Alltagsgeschäft eröffnen.
Für mich und viele KuK hat das “Hübschsein” junger Menschen (m/w/d) in ihrer körperlich attraktiven Peergroup bei Notenentscheidungen bisher keine Rolle gespielt.
Für Fleiß und Anstrengungsbereitschaft hingegen konnten einige SuS aber “Sympathiepunkte” im Rahmen einer prozessorientierten Bewertung einfahren.
“körperliche Attraktivität („physical attractiveness“) und charakterliche Attraktivität („personality attractiveness“), die auf der Einschätzung der interviewführenden Person basieren.”
Die ersten drei Sekunden entscheiden über den ersten Eindruck? Sicherlich gab es keinen Bias aufgrund eigener Highschoolerfahrungen.
“…das Selbstbewusstsein von Schülerinnen und Schülern zu stärken und eine Kultur des Miteinanders und des Respekts zu fördern.”
Endlich mal ein konstruktiver, völlig neuer Rat für uns Hinterwäldler.
+10% attraktive Peers/-3% Collegebesuch, hat man sich die Mühe gemacht, Korrelationskoeffizienten zu berechnen oder einfach die Mittelwerte verglichen?
Das Ganze produziert mit wirtschaftswissenschaftlichen Methoden? E.Adamopoulou:’Sie forscht zu Themen wie Lohnfindung, Haushaltsentscheidungen, Konsum und Bildung, wobei sie sowohl Umfrage- als auch Sozialversicherungsdaten verwendet.’ Attraktivität beeinflusst Sozialkontakte, wo ist der eventuelle Halo-Effekt usw., menschliches Verhalten hat viele Ursachen, die sich alle gegenseitig bedingen.
Danke für die Erinnerung, ich warte (weiterhin gerne) auf die “Bildungsstrategien […], die darauf abzielen, den negativen Einfluss von sozialen Vergleichen zu minimieren”
Aber für das eigene Monitoring, ist die Forschung zumindest eine Auffrischung
Ich persönlich halte die Begründung für die Kausalität gewagt, aber sei es drum. Die Sache mit einem eventuell geringerem Selbstbewusstsein klingt plausibel.
Interessant. Ich hätte eher gedacht, dass der sich ” hässlich fühlende” Junge sein vermeintliches Defizit mit besseren kognitiven oder künstlerischen Leistungen kompensiert. Vielleicht sollte man im Unterricht mehr über ” unattraktive ” Intellektuelle und Künstler reden ( Sartre, Brecht, Picasso) reden, die trotzdem all die hübschen Frauen um sich hatten. 🙂
Gefallen macht schön…..oder die innere Schönheit macht attraktiv…..das sind meist Menschen auf den zweiten Blick….
Aber natürlich haben es gut aussehende Menschen im Leben leichter….
Männer habens schwer nehmens leicht …
Ich kenne das. Wahnsinnig attraktiv, schlechte Noten und als Klassenclown noch nicht mal erfolgreich bei den Mädels.
Noch eine Studie, die die Welt nicht braucht.