STUTTGART. In Baden-Württemberg waren im vergangenen Schuljahr über fünf Prozent der zu Beginn des Schuljahres 2013/2014 in den fünften Klassen aufgenommenen Schüler überfordert beziehungsweise taten sich schwer und fast acht Prozent der zur selben Zeit in den sechsten Klassen angekommenen Kinder liefen Gefahr, das Klassenziel nicht zu erreichen. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage des baden-württembergischen Philologenverbands.
Nach Angaben des Verbands beruhen die Daten auf Rückmeldungen aus 158 Gymnasien des Landes. „Die grün-rote Schulpolitik nimmt massive Misserfolgserlebnisse und Frustration von Tausenden von Kindern billigend in Kauf. Für diese skandalöse Folge grün-roter Schulpolitik trägt die Landesregierung die alleinige Verantwortung“, sagt Bernd Saur, Vorsitzender des Philologenverbands Baden-Württemberg.
Zu Beginn der Sommerferien habe das Kultusministerium erneut einen Anstieg der Nichtversetzungen zum Ende des Schuljahres 2013/2014 als Folge der Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung gemeldet, so der Verband. Die eigene Umfrage bestätige diese Tendenz mit 1,3 Prozent Wiederholern der fünften und 2,4 Prozent Wiederholern der sechsten Klassen an den Gymnasien. Doch die Zahlen der Nichtversetzungen – und nur die habe das Kultusministerium erhoben – spiegelten nur die halbe Wahrheit wider, so der Verband. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass zusätzlich zu den Sitzenbleibern weitere 3,9 Prozent in Klasse 5 und sogar über 5,3 Prozent der Kinder in Klasse 6 entweder das Gymnasium im Laufe des Schuljahres 2013/2014 wieder verlassen mussten oder das Schuljahr mit einer Realschulempfehlung beziehungsweise nur mit einer Probeversetzung beendeten.
Die Ursache für diese Entwicklung liege laut Verband in der Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung begründet. Und mit dem Beginn der zweiten Fremdsprache in der sechsten Klasse sei, wie zu erwarten gewesen sei und worauf der Verband nach eigenen Angaben mehrfach hingewiesen habe, die Situation für die überforderten Kinder noch einmal schwieriger geworden. Der Philologenverband Baden-Württemberg fordert angesichts dieser Entwicklung einen massiven Ausbau der Möglichkeiten der individuellen Förderung an den Gymnasien, um den Kindern konkret helfen zu können.
Doch damit sei es nicht getan: Aus Sicht des Philologenverbands wäre es konsequenter, wenn sich Kultusminister Stoch zum Schutz der betroffenen Kinder zu einem klaren Mehr an Verbindlichkeit bei der Grundschulempfehlung durchringen könnte, anstatt an die Eltern zu appellieren, sich doch an die Grundschulempfehlung zu halten.
Ein erster Schritt müsse darin bestehen, dass die Grundschulempfehlung bei der Anmeldung an der weiterführenden Schule vorgelegt werden müsse, damit bei Nichtbeachtung der Empfehlung eine intensive Beratung der Eltern erfolgen und die Entwicklung eines verpflichtenden Förderplans für das Kind vorgenommen werden könnte. „Regierung und Kultusminister haben sich in ein gewaltiges Dilemma hineinmanövriert“, so Bernd Saur. „Sie sollten in Wahrnehmung ihrer Verantwortung erkennen, dass sich die Wirklichkeit nicht nach Belieben eigenen schulpolitischen Träumen und Visionen anpassen lässt.“
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